Dan konnte es nicht lassen. Perfekt getimt auf den Tag der Roche-Jahreskonferenz Ende Februar, goss er mit einem Interview Öl ins Feuer. Erstmals schloss der Chef des Pharmamultis Novartis im Gespräch mit der «Handelszeitung» ein offizielles Übernahmeangebot nicht aus.

Die Plattform hätte an jenem Tag doch eigentlich Roche-Chef Franz Humer gehört. Doch bevor jener um zehn Uhr morgens die Bilanzpressekonferenz eröffnen konnte, schallte der Name Vasellas bereits allerorts aus den Radioempfängern. Der Roche-Chef musste mitverfolgen, wie der Rekordverlust von vier Milliarden Franken, den sein Unternehmen an jenem Tag bekannt gab, mit der Fusionsfrage vermischt wurde. Geschwächt durch den Abschreiber, so die Kommentare einzelner Radiomoderatoren, werde Roche vielleicht doch noch zur Beute von Novartis.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Humer schaffte es an der Konferenz zwar, durch die Betonung des guten operativen Ergebnisses – der Verlust basiert vor allem auf einem Abschreiber auf den Finanzanlagen – sein Unternehmen als nicht geschwächt zu präsentieren. Doch die Auseinandersetzung schien ihn aufzuwühlen. Für einen Moment verlor der charmante Österreicher gar die Contenance, und zwar auf die Frage aus dem Plenum nach einem Meeting mit Vasella. Humer verwarf die Hände: «Es gibt kein Meeting, und es braucht auch kein Meeting.»

Das Stichwort «Vasella» scheint bei Roche tief sitzende Emotionen wachzurufen. «Das hat nichts damit zu tun», erklärt Humer später in einem Gespräch mit der BILANZ, «ich habe es langsam einfach satt, unsere Position zum x-ten Mal darzulegen» (siehe auch das Interview auf Seite 48). – «Es ist geradezu die Pflicht von Herrn Humer, angesichts des anhaltenden Werbens von Herrn Vasella die Position von Verwaltungsrat und Konzernleitung von Roche deutlich zu machen», unterstützt ihn Hauptaktionär André Hoffmann.

Die Positionen sind in der Tat klar. Novartis, die 32,7 Prozent der Aktienstimmen von Roche gekauft hat, will einen Zusammenschluss. Roche, bei der ein Aktienpool mit 50,01 Prozent die Mehrheit der Gründerfamilien sichert (siehe «Stimmenmehrheit» auf Seite 46), will den Zusammenschluss nicht.

Vasella argumentiert, die Fusion der beiden Basler Pharmafirmen würde einen starken Konzern schaffen, die Nummer drei der Welt, mit führenden Positionen in wichtigen Therapiegebieten, mit einer Marketingkraft sondergleichen und mit berauschenden Wachstumschancen (siehe «Chancen und Risiken einer Fusion» auf Seite 44). Humer verweist darauf, dass Megafusionen in der Vergangenheit meist wenig gebracht und nur für Unruhe gesorgt hätten.

«Die Innovation, die Kraft, neue Produkte zu schaffen, ist die Stärke von Roche. Die wollen wir nicht durch eine Fusion gefährden», sagt Humer. Vasella hält dagegen: «Wir hatten mehr Neulancierungen und neue Produktzulassungen als jeder andere in der Branche. Und wir sind eine fusionierte Firma» («Wall Street Journal»).

Das Hickhack mit gehässigem Unterton dominiert die Diskussion seit jenem Tag im Frühling 2001, als Novartis bekannt gab, von Martin Ebner 21,3 Prozent der Roche-Inhaberaktien gekauft zu haben. Die Abwehr von Roche brandete Vasella auffallend schnell, ja fast reflexartig entgegen. Statt die Vor- und Nachteile einer Fusion nüchtern zu analysieren, wurde die Sache von den Roche-Repräsentanten schnell zur Grundsatzfrage emporstilisiert.

Nebst der unterschiedlichen Beurteilung der Folgen einer Fusion blockieren vor allem verzwickte persönliche Konstellationen die anstehende Fusion. Vasellas Gegenspieler bei Roche sind vier sehr unterschiedliche Persönlichkeiten. Erstens der erwähnte Roche-Verwaltungsratspräsident Franz Humer (56). Zweitens Fritz Gerber (74), langjähriger Roche-Präsident, heute Roche-Verwaltungsrat und Sprecher der Familienaktionäre. Drittens André Hoffmann (44), Mitglied der milliardenschweren Roche-Besitzerfamilie und Roche-Verwaltungsrat. Viertens Peter Brabeck (58), Chef des Nahrungsmittelkonzerns Nestlé und Roche-Verwaltungsrat. Sie alle stehen für das Traditionsunternehmen Roche, einen Konzern mit über 100-jähriger Geschichte, mit betont noblem Habitus und fester Verankerung
in Basel.

Vasella seinerseits ist Chef der erst acht Jahre alten Novartis. Entstanden ist der Konzern 1995 aus der Fusion von Ciba-Geigy und Sandoz. Vasella (49), Ziehsohn des langjährigen Sandoz-Chefs Marc Moret, aufgewachsen in Freiburg und wohnhaft in Risch bei Zug, ist ein schillernder Manager. Ein Mann, der in seiner Freizeit Motorrad (Honda Gold Wing, 1800 Kubikzentimeter mit Rückwärtsgang) und schnelle Autos (Porsche) fährt, der jüngst den Jagdschein gemacht hat und in Interviews Sätze sagt wie: «Aggression ist etwas Schönes.» Oder: «Ich will, dass die Konkurrenz verliert, und kann sogar hämische Freude daran haben, wenn denen was nicht gelingt» («SonntagsBlick»).

Vasella hat Novartis erfolgreich positioniert und zu einem gewinn- und wachstumsstarken Konzern gemacht. Er ist intelligent, zielgerichtet, sachlich und dabei doch locker, offen und charmant – aber auch ehrgeizig und hartnäckig. Er ist es gewohnt, zu bekommen, was er will. Vasella zum Feind zu haben, kann ganz schön unangenehm sein. Dies spürt nun auch Humer. Das Verhältnis zwischen Vasella und Humer war zunächst vom üblichen professionellen Konkurrenzverhalten geprägt. Man kannte sich seit Mitte der Neunzigerjahre: Humer war Pharmachef bei Roche, Vasella Pharmachef bei Sandoz.

Doch die Beziehung verschlechterte sich Anfang 2000. Der Grund ist, dass sich Vasella von Humer brüskiert fühlte, wie Vertraute erzählen. Rund ein Jahr vor dem Einstieg bei Roche als Grossaktionär hat Vasella Humer einen Vorschlag für eine Kooperation auf dem US-Markt gemacht. Die Idee war, die starke Stellung von Roche bei den Spitalärzten für die Vermarktung des Darmmedikaments Zelmac zu nutzen. Der Vorstoss Vasellas war eigentlich nichts Ungewöhnliches: Novartis hat seit Jahren ein Joint Venture im Vertrieb eines Medikaments mit der von Roche mehrheitlich kontrollierten Biotech-Firma Genentech in den USA. Doch Humer befand es nicht einmal für nötig, formell auf die Anfrage Vasellas einzugehen. Vasella soll die Überheblichkeit Humers enorm geärgert haben.

Auch bei einem zweiten, ähnlichen Vorstoss wurde dem Begehren Vasellas eine ähnliche Behandlung zuteil: Der Antrag wurde innerhalb der Roche- Pharmadivision besprochen. «Wir haben das Potenzial des Produkts anders beurteilt als Herr Vasella. Es ist ja dann auch ein Flop geworden», sagt Humer dazu trocken.

In den Jahren 1999 und 2000 stand Vasella wiederholt in der Kritik. Das fusionierte Gebilde Novartis kam nicht recht auf Touren, der Aktienkurs sank. Humer hingegen, seit 1998 als CEO an der Spitze von Roche, verkündete, mit Lifestyle-Medikamenten wie der Fettpille Xenical werde Roche vorne in der «Big Pharma» mitspielen.

Als Vasella 2001 Ebners Roche-Aktien für fünf Milliarden Franken kaufte, hatte er die Gelegenheit, nun seinerseits Humer seine Überlegenheit spüren zu lassen. Natürlich hielt es Vasella nicht für nötig, Humer über den pikanten Deal zu informieren. Humer wusste vom anstehenden Absprung Ebners nichts. Ihm und auch Fritz Gerber soll das später intern vorgeworfen worden sein. Der Verkauf fiel in die hektische Phase der Übergabe des Präsidiums von Gerber an Humer. Die Chance der Roche-Besitzer, ihrerseits das Aktienpaket zu kaufen, wurde verpasst – was den Besitzerfamilien nicht eben Anlass zur Freude gab. «Selbstverständlich hätten wir es gerne gewusst», sagt André Hoffmann, «wir haben davon aus der Presse erfahren.»

Gleichzeitig wechselte das Geschäftsglück für Novartis und Roche: Während Novartis 2001 und 2002 einen gigantischen Sprung nach vorne machte, dümpelte nun plötzlich Roche vor sich hin. Angesichts wegfallender Finanzerträge beurteilten Analysten die Produktepipeline kritischer. 2001 kündete Roche an, weltweit 3000 Stellen abzubauen.«Roche ist zum Übernahmekandidaten verkommen», schrieb die «Berner Zeitung» im Juni 2001.

Vasella liess keine Gelegenheit aus, in der Branche zu signalisieren, dass er von den Managementfähigkeiten Humers wenig halte. Auch für den jüngsten Milliardenverlust macht Vasella Humer verantwortlich: «Zwei Milliarden Franken wegen des Vitaminskandals, fünf Milliarden auf dem Investment-Portfolio zu verlieren – das ist eine erhebliche Wertzerstörung», liess er sich in der «Financial Times» vernehmen. Humer wird sich bewusst sein, dass er bei einem fusionierten Konzern keinen Platz neben Vasella finden dürfte.

Humer ist als Roche-Präsident zwar Galionsfigur, die eigentliche Macht beim Pharmakonzern liegt aber bei der Besitzerfamilie. Einziges Nichtfamilienmitglied im Pool ist Fritz Gerber, von 1978 bis 1998 Chef von Roche und Vertrauter des 1999 im Alter von 92 Jahren verstorbenen Clanchefs Paul Sacher. Gerber hat heute eine seltsame Doppelfunktion als Verwaltungsratsmitglied von Roche und Sprecher der Besitzerfamilie inne. Aussenstehende werten dies als Hinweis dafür, dass Gerber bei Roche immer noch alle Fäden in der Hand halte.

Doch dieser Eindruck täuscht. Die Bedeutung der inzwischen 74-jährigen Roche-Ikone dürfte in Zukunft rapide abnehmen. Der kommende Mann bei der Besitzerfamilie heisst André Hoffmann. Gerber wird wie öffentlich bereits angekündigt per 2004 aus dem Verwaltungsrat von Roche austreten. Er wird zudem auf den gleichen Termin hin auch den Pool verlassen und den Posten des Familiensprechers André Hoffmann über- lassen, was jener gegenüber BILANZ bestätigt: «Es ist geplant, dass ich auf den Zeitpunkt der Generalversammlung 2004 hin die Aufgabe des Poolsprechers übernehmen werde.»

Gerber sagt, dass seine Rolle als Sprecher von Anfang an befristet war: «Ich habe mich dazu bereit erklärt, die Familie nach dem Tod von Paul Sacher zu begleiten.» Eine nach eigenen Angaben «geringe Anzahl» an Inhaberaktien sei ihm überschrieben worden, die er 2004 der Familie zurückgeben werde. «Das ist vertraglich klar geregelt», betont Gerber. Ausnützen könne er die Situation nicht, «denn die Familie hat auch ohne meine Inhaberaktien die Mehrheit».

In der Beurteilung des Vorstosses von Vasella gibt es keinen Unterschied zwischen Hoffmann und Gerber: Beide lehnen eine Fusion vehement ab. Die Roche-Besitzerfamilien, Mehrfachmilliardäre und jahrelang an der Spitze der Reichstenliste der BILANZ, geniessen in Basel fast den Status einer Königsfamilie. Gesellschaftlich engagiert, als Kultursponsoren und zuletzt auch als Förderer des FC Basel fühlt sich der Clan der ganzen Region Basel verpflichtet. Ein massiver Arbeitsplatzabbau wäre für die Familie unakzeptabel.

Tief eingebrannt in das Bewusstsein jedes einzelnen Clanmitglieds ist die Erinnerung an das grosse Trauma der Familiengeschichte: den Verkauf der Mehrheit von Roche durch einen familieninternen «Verräter» in den Zwanzigerjahren. Alfred Hoffmann, der jüngste Sohn des Firmengründers Fritz Hoffmann, verkaufte seinen Aktienbestand dem damaligen Roche-Verwaltungsratspräsidenten Emil Barrell. Es war der zweite Ehemann der jungen Witwe, der damals zwanzigjährige Dirigent Paul Sacher, der auf verschlungenen Wegen und mittels riskanten Einsatzes der Familienreserven kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Mehrheit für die Familie zurückgewann.

Ein Verkauf der Mehrheit an Vasella ist vor dem Hintergrund dieser Familiengeschichte mehr als nur schwierig. Für den Basler «Daig», die gesellschaftliche Schicht der vornehmen Basler, den die Oeris und Hoffmanns prägen, ist Vasella ohnehin ein schnöder Karrierist, seit er mit Frau und drei Kindern in eine Zwölfmillionenvilla im steuergünstigen Risch bei Zug umgezogen ist. «In Basel ist er bei vielen Leuten abserviert. Man geht nicht nach Zug wohnen, das wird bestraft», sagt der emeritierte Basler Geschichtsprofessor Alfred Bürgin.

Keinen Verbündeten findet Vasella in Gerber, obwohl der persönliche Umgang der beiden freundlich ist. Doch Vasellas Aussenseiterrolle und sein aggressiver Stil sind Gerber fremd. Vasella ist vom amerikanischen Managementdenken geprägt. Gerber indes steht für das Schweizer Establishment. Er ist eng befreundet mit dem ehemaligen Credit-Suisse-Chef und heutigen Nestlé-Präsidenten Rainer Gut. Gut und Gerber bilden den Kern jener Gruppierung von Wirtschaftsführern, welche die Schweizer Wirtschaft jahrzehntelang geprägt haben.

Vasella ist für diesen Kreis immer ein Outsider gewesen. Im Beziehungsnetz um Gut spielte der Emporkömmling, der 1996 quasi aus dem nichts zum CEO des damals weltgrössten Pharmakonzerns aufstieg, keine Rolle. Mehr noch: Mit dem Establishment hat er es regelrecht verspielt, als er sich gegen den Holocaust-Deal von Rainer E. Gut quer legte, wie Vertraute berichten. Gut, damals als Präsident der Grossbank CS an vorderster Front, verhandelte mit den jüdischen Kreisen über die Zahlung der Schweizer Wirtschaft im Rahmen der Vergleichsverhandlungen um die Holocaust-Gelder. Gut verhandelte aber nicht nur für die Banken, sondern wollte auch die Industrie einbeziehen – und äusserte klare Vorstellungen, wie viel die einzelnen Unternehmen zu zahlen hätten.

Dies passte Vasella nicht. Er wolle schon zahlen, richtete er Gut aus, nur weniger – und schickte das Traktandum noch in den Verwaltungsrat zur Vernehmlassung. Gut soll wenig erfreut gewesen sein und Vasella Illoyalität vorgeworfen haben.

Gut hat als Präsident von Nestlé eine enge Beziehung zum Konzernchef Peter Brabeck, Roche-Verwaltungsrat seit Mai 2000. Er gilt als der starke Mann im Roche-Aufsichtsgremium. Das Verhältnis zwischen Brabeck und Vasella anderseits ist gekennzeichnet durch eine subtile Rivalität. Sie sind die Chefs der beiden erfolgreichsten Schweizer Unternehmen. Vasella und Brabeck sitzen auch im Verwaltungsrat der Credit Suisse Group. CS-Insider beschreiben das Verhältnis als freundlich, aber nüchtern. Kritischere Stimmen berichten von einem Misstrauen, das sich je länger, je mehr breit mache zwischen den beiden. Hohe Novartis-Manager empfinden es noch heute als befremdend, dass Brabeck die Nestlé-Tochter Alcon, die er 2002 zu 25 Prozent an die New-Yorker Börse gebracht hat, Vasella nicht mal angeboten habe, obwohl jener klar sein Interesse signalisiert hatte. Das Augenheilkundeunternehmen ist bei Nestlé ein Fremdkörper und würde gut zu Novartis passen.

Auch Brabeck gilt als Bremser in der Frage der Fusion. Seine Einschätzung der negativen Folgen für Roche soll sich mit jener von Humer decken. Brabeck für sich zu gewinnen, dürfte für Vasella schwierig werden, denn die Beziehung zwischen Brabeck und Humer ist eng. Beide kennen sich schon aus dem Advisory Council (Beirat) für die österreichischen Altbundeskanzler Franz Vranitzky und Viktor Klima.

Die Roche-Front präsentiert sich für Vasella also geschlossen. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass das Unternehmen operativ seit dem Einstieg von Novartis vor fast zwei Jahren an Stärke gewonnen hat. «Roche hat im Pharmabereich nach einer Durststrecke wieder zu erfolgreicher Innovation zurückgefunden», freut sich Hauptaktionär Hoffmann.

Möglicherweise hat sich Vasella ja auch etwas verrechnet. Der Druck auf die Familie, dem Unternehmen mit einer Abgabe der Mehrheit einen Befreiungsschlag zu ermöglichen, hat abgenommen. Gelingt die Positionierung von Roche als eigenständigem Unternehmen nicht, kann ja später immer noch über eine Fusion nachgedacht werden. 2004, wenn Hoffmann den Vorsitz der Familie übernimmt, dürfte das Thema aufs Tapet kommen: «Bereits heute befassen wir uns intensiv mit der Frage, wie wir die nächste Generation einbeziehen können. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir dieses Thema in den nächsten drei Jahren – also nicht erst 2009 – konstruktiv regeln können», sagt André Hoffmann.

In der Zwischenzeit füttert Humer die Familienmitglieder wie eh und je mit Dividenden durch. Dass Roche trotz Nettoverlusten die Dividende auch dieses Jahr erhöht hat, ist wohl auch vor diesem Hintergrund zu sehen. Angesichts des 116-Millionen-Segens müssen sich auch jene jüngeren Familienmitglieder, die «am Pulver» («SonntagsZeitung») mehr interessiert sind, nicht gleich an die Brust von Vasella werfen.

Auch die externe Beurteilung der Konstellation beginnt sich zu ändern. Bisher sah man Roche mehrheitlich als das Opfer, das von der vor Gesundheit strotzenden Novartis bedrängt wird. Doch die Hartnäckigkeit, mit der Vasella gegen die Festung Roche anrennt, hat jetzt neue Fragen aufgeworfen: Braucht Vasella Roche derart dringend? Und, wenn ja, wieso? Ist Novartis alleine vielleicht gar nicht so gut positioniert?

Vasella hat Novartis zu einer eigentlichen Marketingmaschine gemacht. Da könnte er die zusätzlichen Roche-Produkte natürlich gut gebrauchen. Doch das ist nur ein Aspekt. Die Strategie von Novartis, Blockbuster-Produkte wie den Blutdrucksenker Diovan mit grossem Aufwand gegen die Konkurrenz in den Markt zu drücken, wird von Experten als wenig zukunftsträchtig angesehen. «Wenn alle auf dem gleichen Feld tätig sind, dann gibt das nur Druck auf die Preise», sagt Pharmaanalystin Denise Anderson von der Bank Julius Bär. Roche indes setzt vermehrt auf hoch spezialisierte Medikamente, die sich auf Grund ihres Rufes fast von selbst verkaufen, wie das neue Aids-Mittel Fuzeon, für das es Wartelisten gibt.

Vor allem seit dem Kauf der zusätzlichen elf Prozent bis nahe an die Grenze, wo Novartis mit der Sperrminorität Roche blockieren könnte, hat Vasella die Diskussion auf eine neue Stufe gehoben. Seine ursprüngliche Haltung, dass man den Kauf des Pakets als Gelegenheit sehe, die – falls es nicht zu einer Fusion kommt – doch immerhin finanziell ein tolles Investment sei, kann er nun nicht mehr so locker vertreten. Nun steht die Fusion klar im Vordergrund.

Sollte sie nicht gelingen, wäre das in Vasellas bisher makelloser Erfolgsgeschichte die erste erhebliche Niederlage. Sollte er die Fusion gar durch ein finanziell übermässig attraktives Angebot an die Besitzerfamilie forcieren, liefe er Gefahr, sich der Kritik der Novartis-Aktionäre auszusetzen, er habe für Roche zu viel bezahlt. Vasella hat sich selber in die Ecke manövriert. Der Roche-Angriff könnte sich als das gefährlichste Spiel seiner Karriere erweisen.