Dem Milliardär August von Finck junior wurde schon immer ein gewisses Flair für Gold nachgesagt. Kein Wunder, dass der auf Schloss Weinfelden lebende Wahlthurgauer 2010 die Namensrechte der berühmt-berüchtigten Deutschen Gold- und Silberscheideanstalt, kurz Degussa, kaufte, um von München und der Innerschweiz aus den Goldhandel aufzumischen. Ein Teil der neu entstandenen Degussa-Gruppe ist in Cham im Kanton Zug domiziliert.
Allerdings: Mit Profiten tat sich das Unternehmen von Beginn an schwer. Jahrelang schrieb die Firma trotz jährlichen Zuschüssen der Finck-Familie Verluste. Und jetzt nimmt – von der Öffentlichkeit unbemerkt – der langjährige Geschäftsführer überraschend seinen Hut.
Es gab keine Medienmitteilung, kein öffentliches Statement, nichts. Nur eine Pflichtveröffentlichung im deutschen Handelsregister vom 8. März 2019: «Ausgeschieden: Geschäftsführer: Wrzesniok-Rossbach, Wolfgang.» Mehr nicht. Laut «Schweizerischem Handelsamtsblatt» verlor er auch sein Mandat als Verwaltungsrat beim Schweizer Ableger.
Kein Nachfolger
Die Umstände des Abgangs nach acht Jahren an der Spitze werfen Fragen auf. Auch, weil bisher kein Nachfolger ernannt wurde. Noch im Februar gab Wrzesniok-Rossbach als Degussa-Chef ein Interview für die «Welt am Sonntag», in dem er ausführlich über Gold und dessen Wert als Kapitalanlage Auskunft gab. Keine Rede von einem baldigen Abschied.
Doch warum die plötzliche Trennung? Degussa teilt lediglich mit, man bedaure den Rückzug von Wrzesniok-Rossbach, der sich «neuen Aufgaben ausserhalb des Unternehmens» widmen wolle. Die Aufgaben in der Geschäftsleitung würden vorübergehend von den verbleibenden Mitgliedern der Geschäftsführung übernommen. Und Wrzesniok-Rossbach erklärt gegenüber der «Handelszeitung», die Trennung sei «im gegenseitigen Einvernehmen» verlaufen und er freue sich auf neue Aufgaben. Nähere Auskünfte über die Gründe der Trennung, warum der Wechsel so abrupt vonstattenging und wer als Nachfolger infrage käme, waren von den Parteien nicht zu erfahren.
Freiwilliger Abschied?
Seit Jahren versucht die Degussa-Gruppe, neue Geschäftsfelder zu erschliessen. 2014 wurden Kadermitglieder aus dem Luxussegment angeworben, darunter von Chopard und Porsche. Die Folge: Produktdiversifikation. Das ursprüngliche Geschäft der Kapitalanlage in Edelmetallen wurde ergänzt durch den Verkauf von Goldmünzen und Schmuck-Accessoires. Ein Branchenkenner sagt, dass sich Wrzesniok-Rossbach mit den neuen Geschäftstätigkeiten und der Aufstockung der Geschäftsführung schwertat und schliesslich freiwillig das Handtuch warf.
Der unternehmerische Erfolg sprach ohnehin nicht mehr für Wrzesniok-Rossbach. «Die Umsätze von Degussa konnten zwar deutlich gesteigert werden, gleichzeitig explodierte aber auch die Kostenstruktur», fasst ein Insider das Problem zusammen. Und: «Wenn der Gesellschafter über die Jahre so viel Geld in das Unternehmen steckt, möchte er irgendwann auch Profite sehen.» Gemeint ist die milliardenschwere Finck-Familie um August von Finck junior.
Der 89-Jährige soll 2010 rund 2 Millionen Euro für die Namensrechte der alten Degussa gezahlt haben, die sich komplett aus dem Goldhandel zurückzog und mittlerweile in den deutschen Chemiekonzern Evonik Industries integriert ist. In Branchenkreisen heisst es: Wenn die Finck-Familie findet, dass die Degussa nicht mehr richtig geführt wird, muss der Chef gehen. Das Büro der Finck-Familie in München wollte zur Causa Wrzesniok-Rossbach keine Stellungnahme abgeben.
Millionenzuschüsse von Finck
Fakt ist: Das Geschäft mit Anlagegold wirft seit Jahren nur noch tiefe Margen ab. Viele neue Anbieter – vor allem online – verschärfen den Wettbewerb. Daher versuchen Goldhändler, auf grosse Volumina zu setzen. Das könnte Wrzesniok-Rossbach zum Verhängnis geworden sein. «In den letzten Jahren wurde bei Degussa ein Riesenapparat aufgebaut, der kostet, aber einfach nicht profitabel werden will», heisst es in der Branche.
Das Geschäft mit Anlagegold wirft seit Jahren nur noch tiefe Margen ab.
Tatsächlich zeigt ein Blick in die Bilanzen des Unternehmens: Die Firma lebte lange Zeit von Zuschüssen der Finck-Familie. In den Jahresberichten – einsehbar im deutschen «Bundesanzeiger» – sind zwischen 2012 und 2016 Gesellschafterzuschüsse in Höhe von knapp 17 Millionen Euro ersichtlich. Geholfen hat der Geldzufluss, der 2017 offenbar endete, kaum. Zwar konnte der Umsatz von einer halben Milliarde Euro 2012 auf 1,6 Milliarden Euro im Jahr 2016 verdreifacht werden. Allerdings gingen damit auch regelmässige Jahresfehlbeträge einher. Zwischen 2012 und 2015 bewegte sich der Jahresverlust zwischen 4,3 und 6,1 Millionen Euro – inklusive der Finck-Zuschüsse wohlgemerkt.
Immerhin: Für 2017 resultierte ein Überschuss von 1,6 Millionen Euro. Bei einem Umsatz von 1,4 Milliarden dürfte das die Eigentümer allerdings kaum zufriedenstellen.