Der langjährige VW-Chef Ferdinand Piëch ist tot. Er starb bereits am Sonntagabend im Alter von 82 Jahren, wie seine Witwe Ursula in einer Erklärung bestätigte. Der «Bild»-Zeitung zufolge war er nach einem Restaurantbesuch in Rosenheim zusammengebrochen und dann im Krankenhaus verstorben.

Mit dem Tod von Piëch geht für Volkswagen und die deutsche Automobilindustrie eine Ära zu Ende. Der Enkel des Käfer-Konstrukteurs Ferdinand Porsche galt als begnadeter Ingenieur und hat das Wolfsburger Unternehmen zu dem gemacht, was er heute ist: zu einem weltumspannenden Megakonzern, der vom Kleinwagen bis zum Schwerlaster alles anbietet, was auf den Strassen rollt - bis hin zum Supermotorrad der Marke Ducati.

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Der VW-Patriarch führte den Konzern mit eiserner Hand und duldete keinen Widerspruch - von 1993 bis 2002 als Vorstandschef und bis 2015 als Aufsichtsratsvorsitzender. Aus dieser Zeit stammt auch der Begriff des Wolfsburger Imperiums, das die Autowelt beherrscht. Kritiker sehen in dieser Führungskultur, die von Piëchs Ziehsohn und späterem Nachfolger an der Unternehmensspitze, Martin Winterkorn, übernommen wurde, aber auch einen Grund für den Dieselskandal, der die Existenz von Volkswagen vor fast vier Jahren in Gefahr brachte. Durch den von Piëch eingeführten Managementstil konnte nach Ansicht von Kritikern über viele Jahre ein System der Angst entstehen, in dem Ingenieure lieber manipulierten, als zugaben, dass Abgasgrenzwerte nicht eingehalten werden konnten. Die Diesel-Krise, die bei VW ihren Ausgang nahm, hat inzwischen auch andere Hersteller wie Daimler erfasst.

Seinen ersten schweren Rückschlag, von dem er sich nie richtig erholte, erlebte der Machtmensch Piëch, als er im April 2015 Zweifel an Winterkorn säte, um ihn als Nachfolger an der Spitze des Aufsichtsrats zu verhindern: «Ich bin auf Distanz zu Winterkorn», zitierte ihn der «Spiegel» damals. Doch womit Piëch selbst wohl am wenigsten rechnete, trat ein: Sowohl der mächtige Betriebsratschef Bernd Osterloh und die IG Metall als auch das Land Niedersachsen stützten Winterkorn. Während sich Piëch daraufhin grollend in sein Salzburger Domizil zurückzog, blieb Winterkorn zunächst im Amt. Er musste dann allerdings im September 2015 zurücktreten, nachdem die Dieselmanipulation in den USA aufgeflogen war.

«Mein Harmoniebedürfnis ist begrenzt»

Bis zu seiner krachenden Niederlage setzte Piëch seine Pläne stets gut durchdacht und mit langem Atem durch. «Wenn ich etwas erreichen will, gehe ich auf das Problem zu und ziehe es durch, ohne zu merken, was um mich herum stattfindet», erklärte Piëch in seiner Autobiografie. «Mein Harmoniebedürfnis ist begrenzt.» Das bekam auch Winterkorns Vorgänger Bernd Pischetsrieder zu spüren. Der kam mit dem ruppigen Führungsstil des Patriarchen nicht zurecht. Auch damals kam die erste Botschaft über ein Zeitungsinterview. Dabei hatte Piëch Pischetsrieder selbst von BMW in München nach Wolfsburg geholt und ihm nach Einschätzung vieler Autoexperten ein wenig durchdachtes Markenportfolio vererbt.

Piëchs enormer Einfluss fusst aber nicht nur auf seinem Machtbewusstsein, sondern auch auf seiner grossen technischen Expertise. Der gelernte Maschinenbauer startete seine Karriere 1963 bei Porsche in Stuttgart-Zuffenhausen. Seinen Ruf als Konstrukteur erwarb er sich bei Audi in Ingolstadt, wo er Entwicklungen von der Aluminium-Karosserie in Leichtbauweise bis hin zum Audi-Quattro-Antrieb vorantrieb - auch wenn nicht alles technisch Machbare immer einen grossen Verkaufserfolg zeitigte. 1988 rückte er an die Spitze der VW-Tochter, die er zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten von BMW und Mercedes machte.

Kaum eine wichtige Entscheidung ohne grünes Licht aus Piëchs Büro

Sein Meisterstück als Taktiker lieferte Piëch, als der VW-Aufsichtsratschef den Spiess nach der gescheiterten Übernahme von VW durch Porsche umdrehte und der Wolfsburger Konzern sich schliesslich Porsche als zehnte Marke einverleibte. Angetrieben von der Idee eines Megakonzerns weitete Piëch seine Macht in dem Unternehmen, das sein Grossvater Ferdinand Porsche gegründet hatte, systematisch aus. Seit dem Einstieg der Porsche-Holding als Grossaktionär war der Porsche-Miteigentümer Piëch indirekt auch erheblich an VW beteiligt. Sein Erbe hat er schon vor längerem über zwei Stiftungen geregelt, die seine Frau Ursula führen soll.

Der Meister des Zweiwortsatzes, wie Piëch wegen seiner sybillinischen Äusserungen in der Öffentlichkeit genannt wurde, hatte trotz seines hohen Alters enormen Einfluss in dem Konzern. Kaum eine wichtige Entscheidung fiel ohne grünes Licht aus Piëchs Büro am Familiensitz in Salzburg. Der Vater von zwölf Kindern aus vier Beziehungen wurde in Wolfsburg regelrecht gefürchtet. Privat soll er jedoch auch ein warmherziger Familienmensch gewesen sein.

(reuters/gku)