Der Dollar fällt, der Euro macht einen Höhenflug: Steht die Währungswelt Kopf, oder nähern wir uns einem realistischen Gleichgewicht?

Andreas Höfert:Der Euro war beim Start vor rund vier Jahren 1.18 Dollar wert. In den letzten zwei Jahren fiel er unter 83 Cent. Dieses Kursverhältnis entsprach nie den Fundamentaldaten: Der Dollar war zu stark, der Euro zu schwach. Das Missverhältnis ist jetzt korrigiert. Es besteht nun aber die Gefahr, dass auf die andere Seite übertrieben wird.

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Wo sollte der Euro zum Dollar theoretisch denn stehen?

Höfert:Im Moment sehen wir den Gleichgewichtskurs zwischen Euro und Dollar bei 1.11. Doch der Euro steht jetzt bei 1.17 Dollar. Das ist eine Überbewertung des Euro von 5%. Da Wechselkurse aber oft überschiessen, ist es durchaus möglich, dass wir noch die Schwelle von 1.20 Dollar sehen.

Taugt das Konzept dieser Gleichgewichtskurse in der Realität überhaupt etwas?

Höfert:Es gibt Währungen, die verhalten sich sehr stark gemäss dieser Theorie. Ein Beispiel ist der Euro-FrankenKurs. Er fluktuiert um die Kaufkraftparität, in einer Bandbreite von plus oder minus 10%. Grössere Währungen, die auch in grösseren Volumen gehandelt werden, können dagegen stark vom Gleichgewichtskurs abweichen, wie die Kurse EuroDollar oder auch DollarYen zeigen. Doch Gleichgewichtskurse sind eine Art Anker. Über längere Zeit das kann allerdings mehrere Jahre dauern haben sich Wechselkurse noch nie kontinuierlich vom Gleichgewichtskurs wegbewegt.

Wie berechnen Sie diese Gleichgewichtskurse?

Höfert:Im einfachsten Modell fliessen die Warenkörbe der jeweiligen Länder ein. Bei komplizierteren Ansätzen spielen auch Ertragsbilanzdefizite, Zinsdifferenzen, Kapitalströme usw. eine Rolle.

Langfristig kann man sich also auf die Währungsprognosen verlassen, kurzfristig aber nicht. Was können Schweizer Anleger angesichts dieser kurzfristigen Volatilität der Währungen tun?

Höfert:Anleger sollten sich gegen Währungsrisiken absichern. Das tun nur wenige, wäre aber oft nötig. Wer also eine amerikanische oder europäische Aktie kauft, sollte das Währungsrisiko nicht unbedingt selbst tragen. Das Gleiche gilt bei festverzinslichen Papieren. Absicherung kostet zwar etwas, doch das Währungsrisiko ist eine Unwägbarkeit, die nur schwer abschätzbar ist.

Wie kann man ein Währungsrisiko absichern?

Höfert:Mit Termingeschäften und Derivaten auf die betreffenden Währungen.

Was kostet das?

Höfert:Wer den Dollar-Franken-Kurs für die nächsten sechs Monate absichern will, zahlt rund 60 Basispunkte oder 0,6% auf die Vermögenssumme. Diese 60 Basispunkte entsprechen der 6-monatigen Zinsdifferenz zwischen den USA und der Schweiz. Da der Dollar gegenüber dem Franken in den vergangenen sechs Monaten rund 13% verloren hat, sind 0,6% relativ wenig.

Würden Sie trotz sinkenden Dollarkursen noch in US-Staatsanleihen investieren?

Höfert:Wir glauben, dass eine Kursblase entstanden ist. Die Zinsen sind also zu tief, die Kurse zu hoch. Wir empfehlen unseren Kunden, eher europäische oder Schweizer Staatsanleihen zu kaufen. Gegenüber Staatspapieren sind wir aber generell zurückhaltend.

Ist es aber nicht verlockend, in Euro-Staatsanleihen zu investieren, weil die Zinsen höher sind als in der Schweiz?

Höfert:Man muss die Gesamtrechnung machen. Am Ende interessiert die Schweizer Anleger nur, welche Summe zurückfliesst. Jetzt ist der Euro von 1.45 Fr. auf 1.51 Fr. gestiegen. Anleger bekommen für eine Euro-Anleihe zwar 150 Basispunkte mehr als für eine Schweizer Staatsanleihe, doch wenn der Euro auf 1.45 fällt, schaut weniger heraus als bei einem Schweizer Papier.

Wo sehen Sie denn die Parität zwischen Euro und Schweizer Franken?

Höfert:Die Kaufkraftparität liegt zurzeit bei 1.45 Fr. Das bedeutet aber nicht, dass der Euro in den nächsten zwei Monaten auch da stehen wird!

Die Europäische Zentralbank (EZB) wird voraussichtlich die Zinsen nochmals senken. Wäre es nicht vernünftig, jetzt noch höher verzinste Eurobonds zu kaufen?

Höfert:Da wäre in der Tat noch etwas zu holen. Denn: Wenn die Zinsen nochmals sinken, wird das die ganze Zinskurve beeinflussen. Dann steigen je nach Laufzeit auch die Bondpreise noch einmal. Vor allem bei US-Bonds sollten die Anleger die Laufzeiten etwas verkürzen. Denn am kurzen Ende sind die Kurse weniger volatil als am langen Ende.

Wie weit können die Notenbanken die Zinsen eigentlich senken?

Höfert:Grundsätzlich bis auf null. Wenn das Pulver am kurzen Ende verschossen ist, wird das Fed allerdings versuchen, das lange Ende der Zinskurve zu beeinflussen. Die Notenbank kann beispielsweise Staatsanleihen aufkaufen.

Ein Direktor des Fed hat unlängst gesagt, falls in den USA Deflation drohe, werde man kurzerhand Staatspapiere aus den USA, aus Europa und wenn nötig auch Japan aufkaufen, bis so viele Dollars auf dem Markt seien, dass Deflation unmöglich werde!

Wie realistisch ist ein solches Szenario?

Höfert:Es ist wie beim Schach: Schon alleine die Drohung hat eine Wirkung, man muss den Zug nicht unbedingt ausführen.

Wie hoch kann der Euro noch steigen?

Höfert:Wir glauben, dass der Euro sein Potenzial ausgeschöpft hat. Er wird vermutlich in einer Bandbreite von 1.51 und 1.49 Fr. hin und her pendeln.

Könnte der Euro den Dollar als Weltwährung ablösen?

Höfert:Nein. Denn die USA sind und bleiben die grösste Wirtschaftsmacht der Welt. Der Euro wird aber immer mehr zu einer Alternative zum Dollar. Viele Zentralbanken bauen ihre Dollarbestände zu Gunsten des Euro ab. Anleihen werden ebenfalls immer mehr in Euro emittiert.

1987 ging dem Börsencrash ein Dollarkurssturz voraus. Könnte sich Ähnliches wiederholen?

Höfert:Es gibt einen solchen Trend. Doch die Kausalität zu bestimmen, ist schwierig. Mitte der 80er Jahre wurden die USA zum Nettoschuldner. Damit wurde der Dollar risikoanfälliger. Der Dollar und die Aktienkurse bewegen sich seither stark im Gleichschritt. Dieser Trend hat sich in jüngster Zeit allerdings etwas abgeschwächt.

Steigen mit dem stärker werdenden Euro jetzt auch die europäischen Aktienmärkte?

Höfert:Nein, diese positive Korrelation gilt nicht.

Steckbrief

Name: Andreas Höfert

Geboren: 5. Juni 1967

Ausbildung: Dr. oec. HSG

Funktion: Leiter Economic Research von UBS Wealth Management and Business Banking