Schweiz Tourismus engagiert sich neu für den Gesundheitstourismus. Die Organisation unterstützt rund zwanzig Spitäler und Kliniken im Werben um Kunden im Ausland. Im Fokus sind Russland, China und die arabischen Golfstaaten.
Es ist nicht die erste derartige Initiative für den Schweizer Gesundheitstourismus. Und unter den Partnern sind mit Swiss Medical Network und der Hirslanden-Gruppe zwei grosse und finanzkräftige Unternehmen. Sie profitieren nun von den Diensten einer durch Steuergeld mitfinanzierten Organisation.
Mit anderen Worten: Das Projekt wirft Fragen auf. Schweiz Tourismus und ein Experte für Gesundheitstourismus nehmen Stellung.
Wieso wieder? Bereits einmal versandte so eine Initiative.
Schweizer Gesundheitsdienstleister haben bereits einmal für die Werbung im Ausland zusammengespannt. 2008 entstand der Verein Swiss Health unter Mitwirkung des Staatssekretariats für Wirtschaft, dem staatlichen Exportförderer Switzerland Global Entreprise (damals Osec) und Schweiz Tourismus.
Rund zwei Dutzend Kliniken und Spitäler waren zeitweise beteiligt. Schweiz Tourismus trat später aus dem Vorstand aus, auch andere Mitwirkende verabschiedeten sich. Ende 2018 wurde der Verein aufgelöst.
Aus Sicht von Schweiz Tourismus ist Swiss Health nicht gescheitert, sagt Sprecher Markus Berger. Bei dem Verein sei es darum gegangen, das Potential für den Markt abzuschätzen. «Er löste sich wegen unterschiedlicher Vorstellung der Mitglieder auf.» Dieses Problem bestehe nun nicht, denn es werde bereits die Umsetzung der Massnahmen geplant.
«Bei Swiss Health leisteten wir nur die Starthilfe. Wir haben erkannt, dass wir unsere Tourismusmarketing-Kompetenz einbringen müssen.»
Fliesst Steuergeld für private Konzerne?
Die – vom Staat mitfinanzierte – Schweiz Tourismus übernimmt rund die Hälfte des Budgets, diese Kosten entstehen vor allem durch die Arbeit ihrer Mitarbeiter. Die Kliniken und Spitäler bezahlen die einzelnen Werbemassnahmen selber und können somit auch ihr finanzielles Engagement bestimmen. Vom Projekt profitieren in erster Linie zwei Anbieter: Die Hirslanden-Gruppe und Swiss Medical Network stellen die Mehrheit der rund zwanzig beteiligten Gesundheitszentren.
In dieser starken Rolle der beiden grossen Anbieter sieht Schweiz Tourismus kein Problem. «Jeder Leistungserbringer im Tourismus ist letztlich kommerziell», sagt Sprecher Markus Berger. Die Unternehmen brächten die wertvolle medizinische Glaubwürdigkeit ein, aber ihnen fehlen das Know-how und die Ressourcen, um im Ausland gezielt um Kunden zu werben. Dass sie über Schweiz Tourismus nun indirekt von Steuergeld profitierten, sei der Lohn für ihr Engagement. «Es ist eine klassische Win-Win-Situation.»
Gehört dies zur Kernaufgabe von Schweiz Tourismus?
Die Idee tönt bestechend: Vermögende Ausländer lassen sich im Beisein von Angehörigen in der Schweiz behandeln. Während die Patienten im Klinikbett liegen, shoppen die Begleiter, nächtigen in Hotels und essen in Restaurants. Schweiz Tourismus schätzt, dass durch Medizinalreisende bereits jetzt ein Umsatz von knapp 200 Millionen Franken für den Tourismus entsteht. Dank dem Projekt sollen die Erlöse bis 2022 um einen Viertel auf 245 Millionen Franken steigen.
Der Experte für Gesundheitstourismus Roland Lymann macht hinter dieser Berechnung ein Fragezeichen: «Es gibt wenig wissenschaftliche Erhebungen zu diesem Markt», so der Dozent an der Hochschule Luzern. «Die Anbieter behandeln ihre Zahlen vertraulich. Das Potential lässt sich nur schwer abschätzen.»
Wie stehen die Chancen der Schweiz im Wettbewerb?
Um – vermögende – Medizintouristen buhlen auch andere Länder, beispielsweise Deutschland, Österreich oder Grossbritannien. Experte Roland Lymann schätzt das Potential dieses Marktes für die Schweiz als beschränkt ein, obwohl einige Rahmenbedingungen stimmten. Es sei ein schwieriges Geschäft. «Ich bin skeptisch bezüglich der Erfolgschancen für dieses Projekt auf Grund der Erfahrungen in der Vergangenheit.»
Schweiz Tourismus glaubt, dass die Schweiz sich mit ihrer schönen Natur von Konkurrenten abheben kann. «Aus Gästebefragungen wissen wir, dass Berge und Natur zu den wichtigsten Gründen gehören, weshalb sie in die Schweiz reisen», sagt Sprecher Markus Berger.
Auch Schweizer Hotels rechnen sich im Medizinaltourismus Chancen aus. In einer Umfrage des Beratungsunternemens Deloitte bei über dreissig Hotels 2015 gaben 15 Prozent an, verstärkt auf Gesundheitstourismus zu setzen.