Ob Parkbank, Treppe oder Mauervorsprung: Wo sich manche Städter gerne zum Verschnaufen niederlassen, optimieren andere neuerdings ihre Figur. Von einem Trainer gescheucht, absolvieren Ertüchtigungswillige hier Liegestütze oder Hüpfübungen. Bootcamper.ch heisst der Fitness-Anbieter, der die Idee des Vitaparcours aus dem Wald in die Innenstadt übertragen hat. Motto: «Trainieren kann man jetzt überall.» Auch bei miesem Wetter gibt es keine Pause. Das ist keine Drohung, sondern in der Bootcamper-Logik ein Versprechen.

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25 Franken pro Stunde und Kopf beträgt die Mitmachgebühr. 70 Prozent davon behält der Trainer, der Rest fliesst an Bootcamper.ch. Damit werde in die Markenbildung und den Betrieb investiert, sagt Dave Baucamp, einer der drei Gründer des Unternehmens, das 2012 startete. Mit Flyern, Inseraten und sogar TV-Spots geht man auf Kundenfang. 1100 Teilnehmer zählt Bootcamper.ch schon, 25 Trainer sind in knapp 20 Städten aktiv.

Kraftstudios als Treffpunkt der Muskelprotze – das ist längst passé. Auch Durchschnittsbürger quälen sich inzwischen mit Lust an den Geräten. Spezialanbieter wie Bootcamper.ch setzen Trends. Mehr als eine Million Menschen treiben in der Schweiz Sport in Studios – das entspricht 12,9 Prozent der Bevölkerung. Ermittelt hat diese Zahl das Prüfungs- und Beratungsunternehmen Deloitte in einer kürzlich veröffentlichten Studie gemeinsam mit der European Health & Fitness Association.

Konkurrenz verschärft sich

Kernzielgruppe sind bislang die 30- bis 50-Jährigen. Doch hier entsteht Bewegung, denn die Konkurrenz verschärft sich: Das Erschliessen neuer Kundenschichten gilt deshalb als wichtiger Wachstumspfad. «In Zukunft haben Fragen einer ganzheitlichen Lebensführung eine wachsende Bedeutung», sagt Claude Ammann, Präsident des schweizerischen Branchenverbands SFGV – dies belege auch eine Umfrage unter den Mitgliedern. «Sie beraten zunehmend bei Ernährung oder dem Stressmanagement.»

Zudem sollen verstärkt Menschen über 50 Jahren in die Studios gelockt werden. «Die Zahl der Älteren wächst, das ist ein interessanter Markt», sagt Ammann. «Sie können auch nicht mehr auf der Parkbank Liegestütze machen.» 30 Prozent der Bevölkerung mit einer Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio – das sei langfristig durchaus denkbar. Noch sind die Margen gut – 10 bis 15 Prozent nennt Ammann für sein Unternehmen. «Aber wir müssen uns fragen, wie wir den Herausforderungen der Zukunft begegnen können», sagt er. Ammann betreibt ein Unternehmen mit nur einem Standort, eine Expansion plant er nicht. Die Rundumfürsorge für seine Kunden sollen ein Arzt, ein Physiotherapeut und ein Ernährungsberater sicherstellen, die Ammann allesamt beschäftigt.

Neue Ideen oder kurzfristige Trends? In der Branche ist umstritten, ob sich das Training im Kern gross verändern wird. Zumba heisst eine der jüngeren Errungenschaften – zu lateinamerikanischen Rhythmen wird der Körper schweisstreibend bewegt. Schon wieder auf dem Rückzug, urteilen Experten. Gerade bei Einzelanbietern aber steigt der Druck, sich mit besonderen Angeboten zu positionieren. Denn die Fitnessketten sichern sich dank geballter Marketingmacht und Kostenvorteilen einen wachsenden Anteil am Geschäft. Inzwischen liegt dieser bei rund einem Drittel – Tendenz steigend.

Platzhirsch ist die Migros mit einem Umsatzanteil von fast 17 Prozent am Gesamtmarkt. Binnen zehn Jahren hat der Detailhändler die Zahl der eigenen Anlagen auf heute 62 gut verdreifacht. 166 Millionen Franken Umsatz erzielte der Genossenschafts-Bund im Vorjahr mit seinen Angeboten, zu denen auch 16 Fitnessparks zählen. Stark gewachsen ist zuletzt vor allem die Migros-Kette Activ Fitness, die inzwischen 26 Standorte unterhält.

Migros zieht nach

Auch als Exportartikel funktioniert Fitness Swiss made. Werner Kieser macht das seit gut zwei Jahrzehnten vor. Von Zürich ausgehend Ende der 1960er-Jahre gestartet, ist der Krafttraining-Pionier heute in Deutschland nach Mitgliedern die Nummer drei. Fitness-Marktführer Migros zieht nun nach in den Massenmarkt jenseits der Alpen. Auch Bootcamper.ch-Mitgründer Baucamp kündigt an: «Wir wollen in der deutschsprachigen Schweiz gross werden und dann in den gesamten deutschsprachigen Raum expandieren.»

Die Genossenschaft Migros Zürich prescht vor und beteiligt sich seit Anfang des Jahres mit 30 Prozent an der deutschen Inline, die Beratungsleistungen bietet und die Franchisekette Injoy betreibt, den viertgrössten deutschen Anbieter. Parallel baut diese Genossenschaft in deutschen Grossstädten unter dem Namen «Elements» ein eigenes Premium-Angebot auf. «Die Expansion ins Ausland bietet grösseren Anbietern Chancen für weiteres Wachstum», sagt Niels Gronau, Fitnessexperte bei Deloitte. «Denn auf dem Heimatmarkt verschärft sich die Konkurrenz.»

Trotz den jüngsten Vorstössen über die Grenzen hinaus: «Fokus wird der Schweizer Markt bleiben», stellt Marcus Schwedhelm klar, Leiter Freizeitanlagen des Migros-Genossenschafts-Bunds. Selbstbewusst tritt das Unternehmen in der Heimat auf. Discountanbieter fürchte man nicht – weil sie andere Zielgruppen ansprechen. «Sie dürften wohl einen Teil des Kuchens erhalten, liegen aber bezüglich Preis/Leistung doch deutlich unter Activ Fitness. Wir spüren diese Konkurrenz nicht.»

Potenzial bieten Regionen fernab der grossen Wirtschaftszentren. «Es gibt in der Schweiz noch ein paar weisse Stellen», sagt Sandra Thoma, Chefin der Jost Thoma Holding, der die Kette Exersuisse gehört. «Wir sind dabei, eine Expansion zu prüfen.» Behutsam will man dabei vorgehen. Ziel sei nicht, «einen Standort nach dem nächsten aufzuziehen»: «Wir wollen an guten Lagen ein gutes Angebot platzieren.» Mit 18 Studios ist Exersuisse die Nummer vier in der Schweiz. Seit 2011 werden die bis dahin als Kieser-Franchise geführten Anlagen unter dem neuen Namen in Eigenregie von Thoma gesteuert. Der Gang ins Ausland sei für Exersuisse «interessant und denkbar» – es gebe derzeit jedoch keine konkreten Pläne.

Kein Ausruhen, mehr Effekt

Auch nach dem Abschied von Kieser blieb Exersuisse dem gesundheitsorientierten Krafttraining verschrieben. «Wir bekennen uns zum Nischenprodukt», sagt Thoma. Doch sollen Innovationen im Maschinenpark dazu beitragen, Kunden zu halten oder neu zu gewinnen. So bietet Exersuisse neuerdings sogenannte exzentrische Geräte. «Sie sorgen dafür, dass sich die Muskeln in der Bremsphase nicht entspannen können», erläutert Thoma, die vor ihrem Einstieg in den Familienbetrieb als Ärztin arbeitete. Kein Ausruhen – mehr Effekt, so das Rezept.

Andere Studiobetreiber arbeiten ebenfalls daran, Alleinstellungsmerkmale zu entwickeln. Der von Ex-Tennisstar Steffi Graf mitgegründete Franchiseanbieter Mrs. Sporty setzt darauf, dass Frauen beim Training unter sich sind – Männer müssen draussen bleiben. Das gilt auch bei der US-Kette Curves, die in der Schweiz an elf Standorten vertreten ist. Andere Betreiber bieten Zusatzangebote zum Kraft- und Ausdauertraining – von der Sauna über das Solarium bis hin zu Vibrationsplatten, auf denen die Kunden in Form geschüttelt werden. Angriffslustig zeigen sich zudem Billiganbieter wie Discountfit und Fitmade – statt für 700 bis 1200 Franken im Jahr offerieren sie schon ab gut 350 Franken eine Mitgliedschaft.

Ausländische Ketten wie Curves und Mrs. Sporty sind bislang die Ausnahme in der Schweiz. Mit Easyfitness, das hier unter dem Namen Basefit agiert, ist ein Anbieter aus Hannover mit sieben Standorten im Land die Nummer zehn. Die von London aus gesteuerte Kette Holmes Place findet sich mit ihren vier Standorten nicht in der Top-Ten-Liste wieder. «Die Schweiz ist ein komplexer Markt», sagt Deloitte-Experte Gronau. «Er ist vergleichsweise klein, zudem gibt es drei unterschiedliche Sprachregionen, das erschwert den Eintritt.» Verlockend jedoch ist das relativ hohe Pro-Kopf-Einkommen. «Das ermöglicht überdurchschnittlich hohe Erlöse.»

Auf jeden Fall in die Schweiz expandieren

So gibt es weitere Anbieter, die den Schritt planen. «Wir sondieren bereits den Markt und werden auf jeden Fall in die Schweiz expandieren», sagt eine Sprecherin der Berliner Jopp AG. Diese hat gerade ein Studio der von Popstar Madonna mitgegründeten Kette Hard Candy Fitness in der deutschen Hauptstadt eröffnet – auch für Österreich und die Schweiz hat Jopp sich die Lizenzrechte gesichert. Bootcamper.ch-Mitinhaber Baucamp berichtet von «zwei, drei internationalen Ketten, die in die Schweiz kommen wollen». Namen will er nicht nennen. Gerade in den grösseren Städten ist der Markt schon jetzt eng. «Zürich ist die Stadt mit der weltweit höchsten Dichte an Fitnessstudios», sagt Baucamp, der auch Präsident des Schweizer Personal Trainer Verbands war.

Eine engere Kooperation mit der Wirtschaft könnte da noch Chancen bieten. «Betriebliche Gesundheitsförderung ist ein Wachstumsmarkt», sagt Gronau. «Es gibt eine starke Nachfrage von Unternehmen, die erkannt haben, dass sie in die Fitness ihrer Mitarbeiter investieren sollten.» Noch ist dies für die Fitnessbranche jedoch ein Nebenschauplatz. Die Migros Basel unterhält für den Agrarchemie-Konzern Syngenta bereits seit Jahren ein Firmen-Fitnessstudio. «Ansonsten betreiben wir keine weiteren Firmenstudios und es ist zurzeit auch nichts geplant», sagt Schwedhelm. Jedoch würden mit dem medizinischen Dienstleister Medbase, den die Migros 2010 übernommen hat, derzeit Dienstleistungen für die betriebliche Gesundheitsförderung aufgebaut.

Spezielles Angebot für Firmen

Exersuisse betreibt zwar keine Studios für Unternehmen. «Doch wir bieten Beratung an und bilden Fachkräfte aus, wenn eigene Fitnessangebote aufgebaut werden sollen», sagt Sandra Thoma. Anfang des Jahres wurde ein spezielles Angebot für Firmen lanciert. Wenn sie sich am Fitnessabo für ihre Mitarbeiter beteiligten, gebe Exersuisse noch einmal Rabatt in gleicher Höhe. «Es machen schon 14 Firmen mit, darunter auch drei Grossunternehmen», sagt Thoma. Dass Fitness-Know-how in der Wirtschaft gefragt ist, zeigt das Beispiel des britischen Anbieters Nuffield. Das Unternehmen setzt stark auf Corporate Fitness. 300 000 Kunden zählt die Kette – nur zwei Drittel von ihnen kommen in die 65 Center von Nuffield. Der Rest ist in 200 Anlagen aktiv, die exklusiv für Unternehmen betrieben werden. Ein neues Geschäftsmodell, das auch Schweizer Anbieter genau beobachten dürften, so Gronau. «Wer sich früh positioniert, kann dem Wettbewerbsdruck ein Stück weit entkommen.»