Das gerahmte Foto lässt sich fast nicht übersehen, auch wenn Besucher die Räume und die darin Arbeitenden nur durch Glasscheiben betrachten können. Es zeigt Philippe Dufour aus dem Vallée de Joux. An sich ist das in einer Uhrenfabrik nicht ungewöhnlich. Aber diese befindet sich einige Stunden westlich Tokios, in der japanischen Stadt Shiojiri.

Alles in allem stehen hier 708 Mitarbeitende in den Diensten von Seiko Epson, einem Unternehmen, das für Seiko Watches produziert. Zusammen mit der Seiko Instruments Inc. befindet sich das Trio unter dem Dach des Globalplayers Seiko, welcher 2006 mit insgesamt 110000 Angestellten einen Jahresumsatz von 13 Mrd Euro erwirtschaftet hatte. Uhren sind dabei nur ein, wenn auch wichtiges Standbein, denn Kintaro Hattori startete 1881 mit einem Uhrenhandel. 1892 eröffnete er die Seikosha, was nichts anderes als Präzisionsfabrik bedeutet. Dort entstanden erst Gross-, später auch Taschenuhren.

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Schweizer Know-how kopiert

Damit ist die Frage, was das Bild von Philippe Dufour in Shiojiri zu suchen hat, freilich noch nicht beantwortet. Der Meisteruhrmacher war leibhaftig hier in Japan, um den acht Uhrmachern und Ingenieuren im Micro-Artistic-Studio Detailkünste seines Handwerks beizubringen. Das ist ihm ganz offensichtlich gelungen, denn die Fertigung der Credor Sonnerie mit komplexem Selbstschlag vollzieht sich in einer Tradition, die man in der Schweiz vielerorts inzwischen vergebens sucht. Handarbeit dominiert das Geschehen bei der Fertigstellung von jährlich gerade einmal fünf Exemplaren.

Die ökologischste Quarzuhr

Um grössere, aber keineswegs grosse Stückzahlen drehen sich die Dinge in den benachbarten Mastery Studios. In klinisch sauberem Ambiente gehen ebenfalls voll ausgebildete Uhrmacherinnen und Uhrmacher ihrer Arbeit nach. Sie umfasst von A bis Z die komplette Montage, Fertigstellung und Regulierung eines anderen Seiko-Prestigeobjekts, das mit Fug und Recht als die weltweit ökologischste Quarzuhr bezeichnet werden kann. Gemeint sind die Spring-Drive-Kaliber in mittlerweile mehreren Versionen. Auch hier geht Qualität unbedingt vor Quantität, denn am Ende bürgt jede der gegenwärtig 22 Personen für ihre Arbeit.

Das Uhrwerk der klassischen Spring-Drive-Automatik mit Datums- und Gangreserveanzeige besteht aus insgesamt 276 Komponenten, von denen lediglich zehn elektronische Aufgaben erfüllen. Der Rest ist Mechanik in Reinkultur, finissiert nach anerkannten Regeln der Uhrmacherkunst. Zum Erreichen der hohen Gangautonomie von mittlerweile 72 Stunden müssen die Zahnflanken jedes einzelnen Rads und Triebs mit Hilfe rotierender Buchsbaumscheiben manuell poliert werden.

Der Spring-Drive-Chronograph kann als uhrmacherische Komplikation im wahrsten Wortsinn gelten. Das Automatikwerk mit integriertem Stopper und praktischem Zeitzonen-Dispositiv muss aus 416 Komponenten einschliesslich 50 funktionalen Steinen zusammengefügt werden. Die innovative Steuerelektronik beansprucht gerade einmal zehn Bauteile. Selbstverständlichkeiten sind klassische Schaltradsteuerung und die vertikale Reibungskupplung, welche Seiko schon beim ersten Selbstaufzugs-Chronographen von 1969 verwendete, aber niemals herausgehoben kommunizierte.

Ein langer Weg zum Erfolg

Die Idee war von Anfang an bestechend: Eine Quarzuhr ohne irgendein chemisches Speichermedium für die elektrische Energie. 1977 skizzierte im Haus Seiko Epson der Ingenieur Yoshikazu Akahane als Synthese aus der Präzision elektronischer Zeitmessung und der Langlebigkeit mechanischer Antriebe seine Gedanken zu einer Armbanduhr. Der Erfinder sprach damals von einem Velofahrer, der mit konstanter Geschwindigkeit auf abschüssiger Strasse fährt und ein voraushoppelndes Kaninchen als Schrittmacher fokussiert.

Mit der technischen Realisation verknüpften sich indes ungemeine Probleme. Nach mehreren Anläufen funktionierten 1982 erste Prototypen auf der Basis eines klassischen Seiko-Handaufzugswerks. Obwohl sie nur vier Stunden am Stück liefen, bekam das Projekt 1983 einen offiziellen Anstrich. Ziel waren zwei Tage Gangautonomie. Das bedingte externe Hilfe durch die Universität Tokio. In Ermangelung namhafter Fortschritte wanderte die Angelegenheit 1984 einstweilen zu den Akten.

Unter Einbeziehung von Erfahrungen aus dem 1988 eingeführten AGS, einem autogenerierenden Systems mit Rotor, Kondensator und konventionellem Quarzwerk, entstand bis 1993 ein zweiter Prototyp, Gangautonomie zehn Stunden. Eine noch höhere Leistung hätte ungemein aufwendige Spulen bedingt, welche sich nicht zu akzeptablen Kosten industrialisieren liessen. Damit kam 1994 das zweite Aus.

Doch Akahane glaubte an seine Idee. Als er 1997 zum CEO der Seiko-Uhrendivision befördert wurde, fiel der Startschuss zum erfolgreichen Abschluss. Fortan kooperierten mehrere Abteilungen. Auf diese Weise entstand ein neuer, erstmals in Uhren verwendeter Mikrochip mit niedriger Spannung und extrem geringem Energieverbrauch von 25 nW. Will heissen: 3 Mrd Spring-Drive-Uhren würden nicht mehr Strom konsumieren als ein Laptop-Computer.

Im Rahmen der Basler Uhrenmesse 1998 präsentierte Seiko den dritten, beinahe serienreifen Prototyp. 1999 standen erste Serienexemplare mit dem Handaufzugskaliber 7R68 und einer Gangautonomie von 48 Stunden zur Verfügung.

Danach war die komfortablere Automatikvariante nur noch eine Frage der Zeit. 2004 konnte Seiko die Aufnahme der Kleinserienproduktion verkünden, denn der hohe Fertigungsaufwand limitiert die Jahresproduktion auf weniger als 10000 Exemplare. Der Spring-Drive-Chronograph von 2007 kann neben der Sonnerie als vorläufige Krönung gelten.

Publikumspreise ab 8000 Fr. für den stählernen Spring-Drive-Chronographen bescheren den Controllern sicher etliche Sorgenfalten. Angesichts immenser Entwicklungs- und Fertigungskosten und vergleichsweise geringen Stückzahlen dürfte die Kalkulation kaufmännischen Gesichtspunkten keineswegs genügen. Gerade das macht die visionäre Mecatronic interessant für kostenbewusste Zeitgenossen, die das nicht Alltägliche schätzen.