Wissen Sie noch, wie Sie den 9. Oktober 2015 verbracht haben?
Gustavo Möller-Hergt*: An diesem Samstag war ich zuhause und habe die Zeit mit meinem zweijährigen Sohn genossen.
Damals wurde in der Schweiz das neue iPhone 6s lanciert, für dessen Distribution Also verantwortlich war. Hat dies vom Spielen mit Ihrem Sohn abgelenkt?
Ich war natürlich sehr neugierig, ob alles klappt. In der Schweiz ist aber nicht Apple unser Auftraggeber, sondern die Telekomanbieter Swisscom, Sunrise und Salt. Wir packen die Ware um, stellen Pakete mit den Karten der Anbieter zusammen und übernehmen die Feinlogistik. Anders sieht es beispielsweise in Finnland aus. Dort kaufen wir die Telefone, nehmen sie ins Lager und suchen dann die Kunden.
Weshalb machen Sie die Unterscheidung?
Es hängt vom Entwicklungsgrad des Telekom-Marktes ab. In Finnland verfügen die Provider über eine deutlich geringere Vertragszahl als in der Schweiz.
Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen in der Distribution der bekannten Smartphone-Marken?
Entscheidend ist, dass die Ware rechtzeitig und in der richtigen Form in den Verkaufsstellen ankommt, egal ob wir die Distribution für einen Dritten übernehmen oder für uns selber. Wenn wir die Produkte selber besitzen, sind wir für den Weiterverkauf über die Reseller und manchmal sogar für die Verkaufsförderung zuständig. Damit übernehmen wir den kompletten Supply-Chain-Service.
Was sorgt für die grösste Nervosität?
Die Lancierung ist bestimmt die schwierigste Phase, da dann die Nachfrage sehr hoch ist. Wir brauchen höhere Lager- und Verpackungskapazitäten; die Karten müssen vor Ort sein, damit wir die Pakete schnüren können. Wir müssen die Rückverfolgbarkeit herstellen, falls sich irgendwo ein Problem ergibt. Wenn wir direkt an die Kunden verkaufen, geht unsere Dienstleistung noch weiter. Wir sind dann für die Feinlogistik der kleineren Weiterverkäufer verantwortlich, nehmen die Kundenreaktionen entgegen und verwalten sogar die Kredite der Weiterverkäufer. In der Schweiz bieten wir diesen Service beispielsweise für HP an.
Anfang Jahr sagten Sie, dass das Geschäft mit Smartphones gut läuft, jenes von Tablets aber eher harzt. Wie sieht es heute aus?
Die Nachfrage nach Smartphones im Consumer-Bereich ist unverändert hoch, während der Boom bei Tablets nachgelassen hat. Das erstaunt nicht, schliesslich ist heute ein Smartphone kein Telefon mehr, sondern ein Computer mit der zusätzlichen Möglichkeit zu telefonieren. Die Smartphones ersetzen den Computer, aber auch die Tablets. Wobei das Geschäft mit diesen Geräten nach wie vor gut läuft. Bildlich gesprochen sind wir nicht mehr mit 200, sondern nur noch mit 100 Kilometern pro Stunde unterwegs. Aber auch das ist noch schnell. Die IT-Industrie lebt stark von Innovationen, was zu grossen Veränderungen zwischen den Produktkategorien führt.
Und wie läuft der Verkauf von Software?
Sicherheits-, Migrations- und Applikationssoftware sind sehr gefragt. Diese braucht man beispielsweise, um eine IT-Infrastruktur in die Cloud zu migrieren. Daher wird dieses Geschäft noch weiter zulegen. Die Frage ist, ob die einzelnen Produkte oder der gesamte Service verkauft wird.
Gleichwohl mussten Sie mit Also Logistics Services in Deutschland Konkurs anmelden. Was lief dort schief?
Wir haben das ehemalige Weltbild-Logistikzentrum gekauft, um in den kommenden Jahren zusätzliche Kapazitäten aufzubauen. Voraussetzung hierfür war eine wettbewerbsfähige Kostenstruktur. Die war bei der Übernahme nicht gegeben. Deshalb hatten wir bereits im Kaufvertrag Personalreduktionen vereinbart. Die Arbeitnehmervertreter haben sich an diese Vereinbarungen nicht gehalten. Wir haben über ein Jahr versucht, eine vernünftige Lösung herbeizuführen. Dies ist am Widerstand der Gewerkschaft und des Betriebsrats gescheitert. Bis zum Schluss haben wir Angebote vorgelegt, die dazu beigetragen hätten, Arbeitsplätze zu retten. Das war offensichtlich nicht das Ziel der Gewerkschaft. Wir bedauern das sehr.
In der Schweiz haben Sie den Service My-Delivery lanciert. Damit kann der Kunde nach der Online-Bestellung die Zeit und den Ort der Auslieferung selber bestimmen. Wodurch unterscheidet sich das Angebot von den bestehenden Lösungen?
Wenn man heute eine Lieferung bestellt, dann erfolgt diese normalerweise durch einen Anbieter. Er bietet bestimmte Abgabezeiten und Lieferdestinationen und -zeiten. Das schränkt den Kunden ein. Wir haben eine Plattform entwickelt, über die der Kunde nach der Bestellung jenen Transporteur auswählen kann, der die Lieferung zum gewünschten Zeitpunkt an den gewünschten Ort bringt. Es ist eine Multi-Transporteur-Plattform. Das Angebot ist nicht auf die IT-Industrie beschränkt, auch ein Online-Shop kann es nutzen. Im Vordergrund steht die Frage, wann ein Kunde die Ware an welchem Ort haben will.
Neben der physischen Auslieferung hat Also den Also Cloud Marketplace lanciert. Wie funktioniert dieses Geschäft?
Früher gab es das Warenlager. Dort haben die Verkäufer ihre Ware abgeholt und an die Kunden verteilt. Heute bieten wir dasselbe für Service-Provider auf einer digitalen Plattform an. Von dort können die Wiederverkäufer die Services für die Endkunden beziehen. Aus den verschiedenen Angeboten bilden wir Pakete, die diese dann ohne Zusatzaufwand an seine Kunden verkaufen können. Wir ermöglichen ein Geschäft und verdienen an den Paketen und der Fakturierung der Services.
Braucht es da den Wiederverkäufer überhaupt noch? Ein Endkunde könnte die Services doch direkt bei Ihnen beziehen.
Den Wiederverkäufer braucht es, da er die Vertrauensperson des Endkunden ist. Wenn es sich um einen einfachen Gebrauchsgegenstand handelt, wäre ein Reseller tatsächlich überflüssig. Der Kauf von IT-Komponenten und -Services wird aber sehr schnell komplex und benötigt Beratungsleistungen. Diese können wir nicht selber anbieten, da wir nicht mehrere zehntausend Berater ersetzen können und wollen. Den Wiederverkäufer wird es daher auch in Zukunft brauchen, da die Industrie äusserst innovativ ist. Er muss auf dem neusten Stand der Technologie sein und den Kunden beraten können.
Welche Erfahrungen konnten Sie aus der physischen Logistik für dieses Geschäft übernehmen?
Dass sich unser Geschäft ständig ändert. Wir werden unser Angebot auf dem digitalen Marktplatz um zusätzliche Services ausbauen. Daneben wird die physische Distribution aber nicht verschwinden, da neben den Services auch in Zukunft noch Hardware benötigt wird. Der Marktplatz kann unsere Warenlager nicht ersetzen.
Inwieweit ist ihr Marktplatz ein Bild der digitalen Transformation in der Logistik?
Bereits mit dem Kauf von Also Digital vor drei Jahren, das für die digitale Software-Distribution verantwortlich ist, haben wir eine markante Veränderung erlebt. Software wird schon lange online verkauft. Mit dem digitalen Marktplatz gehen wir aber noch einen Schritt weiter. Der Kunde kauft hier Hardware, Software und Services in einem Paket und wir bieten gleichzeitig die Lieferung und Fakturierung an.
Welche Tipps können Sie anderen Logistik anbietern in Bezug auf die digitale Transformation geben?
Jeder Logistiker hat sein eigenes Geschäftsmodell, eine Empfehlung möchte ich daher nicht abgeben. Wir sind kein ausschliesslicher IT-Logistiker. Allgemein gilt aber, dass die Flexibilisierung stark an Bedeutung gewinnt. Dabei unterstützt die Digitalisierung diese Flexibilisierung. Jeder muss selber herausfinden, was dies für sein Geschäftsmodell bedeutet.
Welcher Trend wird die Logistik in Zukunft prägen?
Der Cloud gehört die Zukunft. Sie ist aber nicht ein Geschäftsmodell, sondern ein wichtiges Werkzeug.
Was sagen Sie zum 3D-Druck?
Der 3D-Druck dürfte im Firmenkundengeschäft wichtig werden und neue Geschäftsopportunitäten eröffnen. Zu denken ist dabei an den Zahnarzt, der seine Prothesen drucken kann, bis hin zum Prototyp von Autoteilen. Es wird ein immenser Markt entstehen.
Was löst dies bei Also aus?
Für den 3D-Druck braucht es neben den Geräten auch den Service. Dort wollen wir dabei sein - in den Consulting-, Materialund Reparaturservices. Und dies wiederum braucht Logistik.
Zum Schluss: Wie läuft das wichtige Weihnachtsgeschäft im Also-Konzern?
Hierzu darf ich aufgrund der Börsenvorschriften keine Angaben machen. In den ersten neun Monaten konnten wir den Gewinn vor Steuern um 2,5 Prozent steigern, auf Ebit-Stufe lag das Ergebnis um 8,6 Prozent über dem Vorjahr. Wir konnten den Umsatz um 9,2 Prozent verbessern, während der Markt um 5 Prozent gewachsen ist. Ich bin sehr zufrieden.
Wie kauffreudig sind denn die Schweizer zurzeit?
Sie sind genauso kauffreudig wie in den vergangenen Jahren. Das Problem ist, dass sie nicht nur im Inland einkaufen. Im Ausland freuen sich viele über die Kauffreude der Schweizer.
* Gustavo Möller-Hergt ist Verwaltungsratspräsident und CEO der Also Holding AG in Emmen. Das Unternehmen bietet für Anbieter und Abnehmer der IT- und Kommunikationsindustrie Logistik-, Finanz-, Distribution und digitale Services an. Also beschäftigt 3400 Mitarbeiter und erzielte 2014 einen Umsatz von 7,2 Milliarden Euro.