Der Jahresbericht des Bundesamtes für Polizei (Fedpol) macht deutlich, wie breit sein Tätigkeitsgebiet ist: Organisierte Kriminalität, Wirtschaftskriminalität, Geldwäscherei, Drogenhandel oder Menschenhandel sind die Schwerpunkte.

Eine konkrete Bedrohung für die Schweiz geht demnach von den italienischen Mafiaclans aus, die auch in der Schweiz aktiv sind. Offen ausgetragene Gewalt ist gemäss dem Bericht zwar eher selten, umso lieber bedienen sich die Gangster des Finanzplatzes, investieren in Handels- und Dienstleistungsgesellschaften, insbesondere im Finanz- und Immobilienbereich, sowie im Gastronomiesektor und nutzen die Schweiz als ruhiges Hinterland.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Ein aufgeführter Fall zeigt exemplarisch, was das Fedpol darunter versteht.

Im November 2012 wurden in Italien rund zwanzig Haftbefehle gegen Personen vollstreckt, die mit dem Bellocco-Clan der kalabrischen Mafia 'Ndrangheta verbandelt waren. Auch in der Schweiz kam es zu Hausdurchsuchungen und Verhaftungen. Die involvierten Personen wurden der Mitgliedschaft in einer mafiösen Vereinigung, des illegalen Waffenbesitzes und bewaffneter Raubüberfälle verdächtigt.

Ein «Botschafter» in der Schweiz

Unter ihnen befanden sich der Anführer des Bellocco-Clans, mehrere seiner Familienmitglieder und der für die Lombardei und das Piemont verantwortliche kalabrische Vertrauensmann des Clans, Carlo Antonio Longo.

Der lebte ab 2008 bis zu seiner Verhaftung mit seiner Familie im Tessin, wo er die Immobiliengesellschaft Helvicorp Realinvest mit Sitz in Cadempino führte. Kaum in der Schweiz angekommen, machte sich Longo sofort ans Investieren. Er kaufte ein Grundstück in Caslano für 400'000 Franken, danach interessierte er sich in Rovio für eine Immobilie, die ihm 130'000 Franken Wert war. Später kaufte er in Capolago ein weiteres Haus für 340'000 Franken. Longo behauptete, selbst nur 5000 Franken Bruttolohn pro Monat zu verdienen und wohnte in Carona, später in Montagnola in einer Wohnung, für die er monatlich 3000 Franken Mietzins zahlte.

Longo stand in direktem Kontakt zum Clan-Oberhaupt Domenico Bellocco, dessen Sohn Giuseppe Bellocco bereits 2007 gefasst wurde und seither im Gefängnis sitzt.

Die italienische Staatsanwaltschaft verdächtigte Longo, für die Bellocco-'Ndrangethisti Geldwäsche zu betreiben. Darauf arbeitete die Fedpol mit den Italienern zusammen und hörte Carlo Antonio Longo ab, was aus dem Verdacht den Justizbehörden Gewissheit gab.

Call-Center im Visier

Die von der Fedpol und der italienischen Polizei gemeinsam geführten Ermittlungen ergaben weitere Hinweise auf kriminelle Geschäfte. So fanden die Justizbehörden heraus, dass sich der Bellocco-Clan das Callcenter Blue Call Srl unter den Nagel riss, das in Kalabrien und Piemont bis zu 1000 Mitarbeiter beschäftigte und später in Future Srl und Alveberg Srl aufgeteilt wurde. Ursprünglich wollte sich das Unternehmen mit der Verbindung zum Bellocco-Clan gegen eine andere Mafiagruppierung schützen, die das Unternehmen infiltriert hatte. Für den Schutz erhielt der Bellocco-Clan im Gegenzug Unternehmensanteile, die vom im Tessin lebenden Vertrauensmann Longo vermittelt wurden.

Später gelang es dem Clan, das ganze Unternehmen an sich zu reissen. Die Inhaber wurden mit Drohungen, Einschüchterung und Gewalt dazu gebracht, alle ihre Anteile an Blue Call einer Firma zu überschreiben, die im Auftrag des Bellocco-Clans extra zu diesem Zweck gegründet wurde.

Auch aufgrund zahlreicher Ermittlungen im Umfeld italienischer Mafiaclans, die in der Schweiz Stützpunkte errichten, intensivieren die Schweizer Polizeibehörden die Zusammenarbeit mit ihren italienischen Kollegen. Heute informierte das Bundesamt für Polizei über ein entsprechend ausgeweitetes Abkommen mit Italien.