Die Praxis von Claude Andreoni in Zürich setzt jährlich 1000 künstliche Zähne ein. Dies dürfte Schweizer Rekord sein. Im Durchschnitt appliziert ein Zahnarzt pro Jahr nämlich nur 20 bis 100 Implantate.
Andreoni verdient viel Geld. Ein künstlicher Zahn kostet den Patienten gegen 5000 Fr. (siehe Tabelle unten). Auf den «Schrauben» von Nobel Biocare oder Straumann, Implantate genannt, kassiert er die übliche Provision im zweistelligen Prozentbereich. Pro Jahr werden in der Schweiz 100000 Implantate gesetzt, was einer halben Mrd Fr. Umsatz entspricht. Am Freitag ist der Zürcher Zahnarzt auf dem Golfplatz anzutreffen. Das hat er redlich verdient. Denn er hat einen Knochenjob - im wahrsten Sinn des Wortes.
Andreoni ist auch Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Implantologie. Er testet immer wieder Produkte von allen möglichen Herstellern und spricht von einem «unheimlichen Kampf der Systeme». Zu Billigprodukten hat er ein zwiespältiges Verhältnis. Den hochpreisigen Marktführern hält er zugute, dass sie viel in Forschung und Entwicklung investieren. «Andere profitieren davon.»
Unterschiede sind minim
Etwas Gutes haben die billigen Anbieter: Sie zwingen die andern zum Nachdenken, hofft Andreoni. Denn die Produkte haben sich angenähert. «Die Unterschiede sind minim, seit zehn Jahren gab es keine bahnbrechenden Neuerungen mehr», sagt der Fachmann. Trotzdem: Im Zweifelsfall verlässt er sich auf das Bewährte. Er sei zwar kein Gegner von Billigprodukten, «aber ich bin verunsichert, weil ich mich frage, ob die Qualität denn auch wirklich stimmt».
Genau so denken viele Zahnärzte, auch Irène Hitz, Oralchirurgin an der Universitätsklinik Basel. «Qualität hat ihren Preis», sagt sie. Natürlich bedeute billig nicht immer schlecht, und teuer nicht immer gut. «Aber die Herstellung eines qualitativ hoch stehenden Produktes braucht Zeit und die besten Materialien.» Deshalb setzt sie Straumann-«Schrauben» ein. Und eine Krone bestellt sie lieber bei einem lokalen Zahntechniker, den sie persönlich kennt und mit dem sie Details wie Farbnuancen und Durchsichtigkeit besprechen kann. «Zudem ist er an einer guten Zusammenarbeit interessiert und wird sich deshalb bemühen.»Einen völlig anderen Ansatz hat der Billiganbieter Dentrade gewählt. Die Firma ist in der Schweiz seit einem Jahr aktiv und verkauft Kronen für 300 bis 500 Fr., also für die Hälfte der üblichen Preise.
Billigkronen aus Hongkong
Hinter der Firma steht das Ehepaar Jens Rathsack und Andrea Graef. Sie ist Geschäftsführerin, er Zahntechnikermeister. Produziert werden die künstlichen Zähne in Hongkong, und zwar seit 20 Jahren im gleichen Labor, wie die Chefin betont. Von minderer Qualität will sie nichts wissen: «Wir arbeiten mit den gleichen Materialien und technischen Standards wie in Europa.» Ein Zahntechniker in der Schweiz kontrolliere die Ware und nehme nötigenfalls kleine Korrekturen vor. Die Rechnung scheint aufzugehen: «Das Geschäft ist exzellent angelaufen», sagt Graef. «Wir haben eine Marktlücke gefunden - zur richtigen Zeit. Im ersten Jahr konnten wir schon mehr als 100 Zahnärzte beliefern.»Für Zahnärzte ist das Implantieren nicht nur ein lukratives, sondern auch ein denkbar einfaches Geschäft. Rein mechanisch ist es ein Kinderspiel: In der Chirurgiekassette des Lieferanten findet der Arzt alles, was er braucht. Bohrer, Messlehre und Gewindeschneider sind narrensicher in der Reihenfolge des Einsatzes platziert und mit Farbcodes für Länge und Durchmesser versehen. Schraubendreher und Rätsche liegen auch bereit. In zehn Minuten ist die Schraube drin und die Kappe drauf. «Es gibt Zahnärzte, die das Implantieren als Milchkuh betrachten», sagt Markus Peier, Ausbildungschef bei Straumann.
Straumann setzt auf hohe Preise
Das gefällt dem Basler Unternehmen ganz und gar nicht. Ebenso wichtig wie saubere Mechanik sei der klinische Teil, von den Vorabklärungen bis zur Schlusskontrolle. Pfusch könnte die Branche in Verruf bringen. Das gilt es zu verhindern. Daher hält Straumann an hohen Preisen fest und baut - mit Akquisitionen - das Produkteportfolio aus. «Alles aus einer Hand», heisst die Strategie.
Daneben behält man aber auch die Billiganbieter im Auge. Mehr kann das Unternehmen nicht tun, denn Kopien sind legal. Peier schätzt, dass allein in Italien 200 Firmen Produkte kopieren. Preisbrecher ist China, das Implantate für 20 Fr. auf den Markt wirft.
Straumann ist dennoch zuversichtlich: «Da beisst sich die Konkurrenz die Zähne aus», ist Peier überzeugt. Und die grösste Konkurrenz sieht er sowieso nicht in den Billiganbietern, sondern in Brücken und Gebissen oder in der herkömmlichen Zahnrestauration, also im Flicken. «Ersetzen statt flicken», lautet deshalb die Devise. Das bringt die perfekte Lösung - und natürlich Umsatz.