Der 1826 geborene Hauptgründer der heutigen «Handelszeitung» – eine der ältesten Zeitungen der Schweiz – war ein deutscher Adliger, der in der Schweiz eine neue Heimat fand. Es war der zur Gründungszeit der «Schweizerischen Eisenbahn- und Handelszeitung» etwa 35-jährige Friedrich von Taur, der eigentlich Freiherr Friedrich von Rothkirch hiess.

Aus damaliger Sicht war er ein ziemlicher Hitzkopf: Im königlichen Kadettenhaus zu Berlin erwarb er zwar jung das Offiziersbrevet, aber er erlebte die Revolution von 1848 hautnah mit und schloss sich ihr an.

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Neuanfang in der Schweiz

Die Revolution scheiterte, von Taur musste ins Gefängnis. 1853 wurde er, inzwischen 27, entlassen und sah in den deutschen Bundesstaaten keine erfolgreiche Zukunft für sich. Über Dresden und weitere Stationen kam er deshalb in die Schweiz, die er intensiv bereiste.

Zuerst lebte er in Lausanne, später in Chur und dann in Zürich. Er erwarb das Bürgerrecht von Riesbach, kaufte 1870 ein kleines Haus in Unterstrass und wohnte dort zusammen mit seiner zwei Jahre älteren Frau, Isabella Elisabeth Olof, und den gemeinsamen fünf Töchtern, die alle vor ihm verstarben.

Friedrich von Taur starb, völlig erschöpft, am 11. November 1886 mit etwa sechzig Jahren. Begraben wurde er auf einem kleinen Friedhof in Zürich-Stadelhofen, der später dem erweiterten Bahnhof zum Opfer fiel. Seine Frau zog sich nach seinem Tod in ein Kloster in Galizien zurück.

Ein investigativer Journalist

Friedrich von Taur tat sich bald nach seiner Einreise in die Schweiz mit seinem – ebenfalls deutschen – Freund Hermann von Marschall zusammen, der Professor an der Universität Zürich war. Beide waren die ersten Chefredaktoren und auch Herausgeber.

Sie vereinten ihre bereits bestehenden Publikationen: Marschall war Gründer der 1851 gegründeten «Schweizerischen Handels- und Gewerbe-Zeitung»; von Taur hatte 1860 das «Archiv für Schweizerische Statistik» gegründet. Die Eidgenossenschaft erhob damals nur sehr rudimentäre statistische Daten zum Land, weshalb man von Taur auch als einen der ersten Analytiker des eidgenössischen Staatshaushalts bezeichnen könnte.

Die ersten Ausgaben kamen zwei-, dann ab 1873 sechsmal wöchentlich (darunter am Sonntag) heraus und bestanden aus vier Seiten. Im Wesentlichen waren es Zahlentabellen; im Laufe der Zeit nahmen die textlichen Beiträge zu. Das Jahresabo kostete 12 Franken.

Von Taur ging mit den damals aufstrebenden Bahngesellschaften meist hart ins Gericht und vertrat seine Meinung kompromisslos. Befeuert durch den Sezessionskrieg in den USA kam die industrielle Revolution voll in Gang, es wurde auch in der Schweiz eifrig in die Bahninfrastruktur investiert, es wurde fusioniert, es wurde aber auch kreative Buchhaltung betrieben und viele Investorinnen und Investoren verloren ihr Geld.

Friedrich von Taur rief nach Regulatorien für die eher zügellos und profitgierigen Eisenbahnmagnaten und deckte einige Finanzskandale auf, weshalb er in der Branche als unverbesserlicher Störenfried galt. Schon in der ersten Ausgabe hiess es, man werde scharf «jedem Schwindel, jeder beabsichtigten Täuschung des Publicums entgegentreten».

Er sprach sich gegen Zölle aus («ein Überbleibsel mittelalterlicher Finanzwirtschaft»), er wollte die Lebensbedingungen der unteren Schichten und die Rechte der Einzelnen verbessern, förderte den Gewerkschaftsgedanken im Sinne einer «Verflachung im Machtgefüge zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer» und war selten gut auf den Staat zu sprechen.

Finanzielle Unabhängigkeit

Die beiden Herausgeber schrieben, ebenfalls bereits in der ersten Ausgabe, worum es ihnen ging: «Die öffentliche Moral ist so tief gesunken, dass eine Zeitschrift ernster Betheuerung bedarf, um sich vor dem Verdacht der Abhängigkeit zu schützen, dass ein Publizist kaum noch eine Zeile für oder gegen ein finanzielles Unternehmen schreiben kann, ohne dass die Leute fragen, wem er seine Seele verkauft habe (…) Das Grundprinzip zur Lösung aller theoretischen Fragen ist uns die Freiheit (…).»

Neoliberaler und Sozialist in einem

Von Taur war auch ein Gegner von Schulden wie etwa Hypothekarkrediten; Erbschaftssteuern erschienen ihm nur als sinnvoll, «wenn der Staat sie offen als eine Strafe dafür erklärt, dass der Verstorbene ein Narr gewesen ist, sein Geld zu sparen, anstatt es zu vertrinken und zu verspielen». Von Taurs Gedankengut enthielt allerdings auch Elemente des Sozialismus, denn er vertrat hartnäckig die Idee der Verstaatlichung von Grundeigentum. Streiks allerdings waren ihm ein Gräuel.

Den Zusatz «Eisenbahn» strichen die beiden bereits nach wenigen Jahren; später hiess das Blatt vollständig «Schweizerische Handels-Zeitung – Allgemeines Industrie- und Wirtschaftsblatt – Revue commerciale et financière suisse». Die ersten Beilagen erschienen 1922, die Zeitung deckte ab dann vor allem die Bereiche Unternehmen, Finanz und Management ab und war grundsätzlich neoliberal ausgerichtet.

1926 verfasste Ernst Blessing eine Dissertation über Freiherr Friedrich von Rothkirch.

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