HANS-PETER KELLER Seit einem Jahr ist er der leitende Experte für Schweizer Kunst beim Auktionshaus Christie's in Zürich, das seit Jahren Marktleader auf diesem Gebiet ist. Hans-Peter Kellers zweite Auktion am 28. November 2002 verspricht spannende Entdeckungen auf hohem Niveau.

Nach Ihrem Studium der Kunstgeschichte haben Sie in den Kunsthandel gewechselt. Wie, respektive wieso sind Sie Auktionator geworden?

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Hans-Peter Keller: Der Kunsthandel hat mich schon während des Studiums fasziniert. Bereits damals habe ich viele Auktionen besucht und für Leute, die anonym bleiben wollten, Werke gekauft oder verkauft. Erste berufliche Erfahrungen sammelte ich in der Galerie Wühre in Zürich; später habe ich mich dann als Geschäftsleiter des Auktionshauses Schuler in Zollikon meinem Fachgebiet Gemälde gewidmet und die Auktionen durchgeführt. Das Arbeiten im Auktionshaus begeisterte mich immer schon: Die Akquisition der Bilder, das Pflegen der Kundenkontakte, das Erstellen des Kataloges und am Schluss quasi als Kür das Auktionieren.

Über welche speziellen Fähigkeiten muss ein guter Auktionator verfügen? Er bestimmt ja den Verlauf, das Timing und ist massgeblich für die Stimmung im Saal verantwortlich. Haben Sie direkten Einfluss auf die erzielten Ergebnisse?

Keller: Es ist ganz wichtig, dass man als Auktionator stets den Kontakt zum Saal aufrecht hält. Man muss das Publikum faszinieren und anspornen, aktiv dabeizusein, auch die, die nicht kaufen wollen. Wenn sich die Anwesenden bei einer Auktion langweilen, besteht die Gefahr, dass sie nicht bis zum Schluss bleiben, auch wenn sie vielleicht noch Interesse an einem späteren Los gehabt hätten. Man hat als Auktionator insofern Einfluss, als man beispielsweise Bieter, die zögern, weil sie an ihrem festgelegten Limit angelangt sind, mit direktem Augenkontakt anspricht und ihnen so vielleicht nochmals eine Chance gibt, weiterzubieten.

Das setzt eine dauernde Präsenz voraus.

Keller: Als Auktionator muss man vieles beachten: Wichtig ist, dass man die Kurzbeschreibung eines Werkes sowie den Schätzpreis präsent hat, ebenso die verschiedenen schriftlichen Gebote, wie auch das Limit, das der Einlieferer gesetzt hat. Gleichzeitig muss man stets den Überblick über das Saalpublikum und die Telefongebote haben. Natürlich weise ich den Weg durch die Schätzung zu dessen Wert, doch letztlich sind es die Bieter, die den Preis bestimmen.

Wie lange sind Sie mit den Vorbereitungen für eine Auktion beschäftigt?

Keller: Die Phase der Vorbereitung einer Auktion kann eigentlich nie abgeschlossen werden und geht meist schon in jene der nächsten über. Ich habe bereits heute Bilder für die übernächste Auktion, obwohl wir mitten in den Vorbereitungen für unsere November-Auktion stecken. Seriöse Abklärungen, beispielsweise was die Echtheit oder die Provenienz betrifft, benötigen oft viel Zeit.

Wie gehen Sie konkret an einen Auktionstag heran?

Keller: Ein eigentliches Ritual gibt es bei mir nicht. Sicher aber studiere ich die Unterlagen, also den Katalog nochmals gründlich. Manchmal sind seit dem Druck des Kataloges weitere Fakten zu einem Werk bekannt geworden, die ich dann dem Saalpublikum noch weitergeben kann. Ebenso wichtig für mich ist die Liste der schriftlichen Gebote, die ich bei jedem Ausruf präsent haben muss. Während der Auktion gehört bei jedem ausgerufenen Los ein Kontrollblick dazu, ob auch das richtige Werk gezeigt wird.

Sie sind jetzt seit einem Jahr bei Christie's Zürich tätig. Welche Ziele haben Sie sich hier für Ihre Arbeit gesetzt?

Keller: Natürlich ist es mein Ziel, unsere Leaderposition, die wir auf dem Gebiet der Schweizer Kunst seit etlichen Jahren innehaben, auf hohem Niveau zu halten. Ganz sicher wollen wir keine Marktanteile abgeben. Nach meiner sehr erfolgreichen Versteigerung in diesem Frühjahr bin ich für die Herbstauktion sehr zuversichtlich.

In Zürich gibt es drei internationale Auktionshäuser, die alle als Schwerpunktthema Schweizer Kunst anbieten. Ist der Schweizer Markt gross genug für so viel Konkurrenz? Vor allem, wenn die Auktionen zeitlich so gedrängt stattfinden?

Keller: Es ist eine Tatsache, dass es immer schwieriger wird, an marktfrische Bilder heranzukommen. Hier ist Vorsicht geboten, dass man den Markt bildlich gesprochen nicht «überfischt». Langfristig ist es nicht sinnvoll, die Zahl der Auktionen auf dem Gebiet Schweizer Kunst noch zu steigern; es wäre unmöglich, den hohen Standard zu halten und die berechtigten Erwartungen unserer Kunden zu erfüllen. Was die zeitliche Konzentration der Daten betrifft, schätzen es viele internationale Sammler, wenn sie beispielsweise innerhalb kurzer Zeit verschiedene Auktionen besuchen können.

Wer sammelt denn Schweizer Kunst? Sind die Käufer international oder sind es eher Einheimische?

Keller: Die Käufer sind mehrheitlich Schweizer. Doch immer mehr entdeckt auch der internationale Markt die gute Qualität der Schweizer Künstler. Deshalb zählen vermehrt Sammler aus Europa und aus den USA zu unseren Käufern. Im Vergleich, vor allem zur Deutschen Kunst, sind die Bilder auch für den Nachwuchssammler noch erschwinglich. Für die kommende Auktion wurde beispielsweise eines der Hauptwerke von Albert Müller eingeliefert, der den deutschen Expressionisten nahe steht, und somit auf grosses Interesse stösst.

Die anhaltende schwierige wirtschaftliche Lage ist auch im Kunsthandel zu spüren. Sind die Sammler von Schweizer Kunst zurückhaltender geworden?

Keller: Toplose werden immer zu einem guten Preis einen Käufer finden, und ich denke, dass sie ihren Preis halten können. In wirtschaftlich instabilen Zeiten investieren die Leute gerne in gute Kunstwerke, die ihnen zusätzlich zur Geldanlage noch Freude bereiten. Der Markt für Schweizer Kunst ist sehr solide, was sich auch in unserem Publikum widerspiegelt. Ich bin bestrebt, den hohen Erwartungen des Fachpublikums Rechnung zu tragen, was es aber manchmal schwierig macht, weniger oder unbekannte Künstler in unsere Auktion aufzunehmen. Diese Werke finden vielfach ihren Platz in den lokalen Auktionshäusern.

Wie gelingt es Ihnen, Werke von Spitzenqualität, die dazu noch möglichst nicht auf dem Markt waren, aufzuspüren?

Keller: Der hohe Bekanntschaftsgrad unseres Hauses macht es mir möglich, immer wieder an neue Bilder heranzutreten, die entweder aus Sammlungen, aus Familienbesitz oder Erbschaften stammen. Es kommt auch immer wieder vor, dass Bilder, die schon in Vergessenheit geraten waren, durch Zufall wieder auftauchen.

Internet-Auktionen konnten sich bisher auf dem Kunstsektor gegenüber traditionellen Auktionen nicht ernsthaft durchsetzen. Geben Sie dieser Versteigerungsform eine Chance und planen sie, diese Aktivitäten auszubauen?

Keller: Im Internet kann man alles verkaufen, das kein Unikat ist. Doch für mein Fachgebiet ist das zurzeit kein Thema. Hinter jedem Bild stehen Personen, zu denen ich den persönlichen Kontakt suche. Damit steht und fällt eine Auktion. Ebenso möchten die Käufer zum Bild einen Kontakt herstellen, das heisst, das Original genauer betrachten. Dies können wir nur mit unseren Ausstellungen der Werke anbieten, da selbst unser aufwendig und mit viel Sorgfalt gestalteter Katalog diesen Anspruch nicht erfüllen kann. Dieser Katalog ist hingegen im Internet abrufbar.

Haben Sie bei Ihrer zweiten Auktion «Schweizer Kunst» vom 28. November 2002 einen persönlichen Favoriten unter den Losen?

Keller: Die Wahl fällt schwer, es sind viele gute Werke in der Auktion. Mein ganz persönlicher Favorit ist das Bild «Veglione a Mendrisio», Silvesterball in Mendrisio, das Albert Müller 1926 malte. Es ist ein Hauptwerk von Müller und eines seiner letzten, da er kurz darauf, noch im gleichen Sommer, an Typhus starb. In jenem Frühjahr hielt sich Müller zusammen mit Ernst Ludwig Kirchner in Dresden auf, wo dieses Bild ausgestellt wurde. Albert Müller und Hermann Scherer, von welchem wir wunderschöne Holzschnitte in der Auktion anbieten können, waren Mitbegründer der Basler Künstlergruppe «Rot-Blau». Sie stehen stilistisch dem deutschen Expressionisten Ernst Ludwig Kirchner sehr nahe, mit dessen Werken ich mich während meines Kunstgeschichte-Studiums sehr intensiv beschäftigt habe.