Der Markt für gebrauchte Uhren ist hart umkämpft. Welchen Mehrwert bringt Watchfinder den Kunden und Kundinnen?
Matt Bowling: Die Geschichte von Watchfinder begann vor zwanzig Jahren, als das Potenzial des Internets noch in den Kinderschuhen steckte. Die Vorstellung, dass ein Kunde oder eine Kundin eine Uhr mit einem bestimmten Wert online kaufen könnte, war damals praktisch unmöglich. Um diese Wette zu gewinnen, mussten wir unsere Kraft auf die Kundenbeziehungen konzentrieren. Wir hatten keine Boutiquen und wenig Autorität auf dem traditionellen Vertriebsmarkt. Die Art und Weise, wie wir Kundenbeziehungen aufbauten, war daher grundlegend. Und das haben wir trotz den schwierigen Zeiten in den letzten zwanzig Jahren, darunter zwei Finanzkrisen und eine Pandemie, nie geändert. Wäre es nur um den Preis gegangen, hätten wir keine Kontrolle über die Loyalität unserer Kundschaft gehabt. Alles, was wir aufgebaut haben, war schliesslich nur eine Frage des gesunden Menschenverstands. Und das Geschäft hat sich nicht wirklich verändert.
Allerdings sind Sie jetzt längst nicht mehr die Einzigen auf dem Markt ...
Es ist in der Tat sehr wettbewerbsintensiv. Damit habe ich kein Problem. Und wenn die Mitstreitenden ebenfalls einen sehr guten Kundenservice bieten, ist das für die gesamte Branche von Vorteil. Aber trotz dem Wettbewerb ist der Markt für gebrauchte Uhren noch immer nicht so ausgereift wie der Markt für neue Uhren.
Was macht es denn genau aus, dass Sie sich bei den Kundenbeziehungen im Vorteil sehen?
Die einzige Zahl, die ich Ihnen nennen kann, ist die, die Sie auf der Bewertungswebsite Trustpilot finden, welche die Kundenzufriedenheit misst. Bis heute haben wir mehr als 23'000 Kundinnen und Kunden, die ihre Erfahrungen mit Watchfinder mit fünf Sternen bewertet haben. Und wie Sie wissen, entstehen bei einer gebrauchten Uhr zwei Kundenbeziehungen: die mit dem Verkäufer und die mit dem Käufer eben dieser Uhr.
Einige Konkurrenten versprechen, dass der Kauf einer Uhr und der Erhalt der Zahlung in weniger als 24 Stunden erledigt wird. Ist eine solche Geschwindigkeit bei Transaktionen auch ein Mehrwert?
Während der Transaktion ist der Authentifizierungsprozess entscheidend. Und der erfordert Zeit und Aufmerksamkeit. Jede Uhr wird daher vor dem Verkauf in unserem britischen Zentrum mit neun Uhrmachern authentifiziert – und das geschieht nicht mit einem Foto, denn wer weiss schon, ob nicht ein gefälschtes Uhrwerk im Gehäuse steckt? Die Fälschungen sind sehr aufwendig geworden, die falschen Uhren kosten oft mehr als 1000 Franken. Unsere Stärke sind unsere zwanzigjährige Erfahrung und die gesammelten Daten. Wir kennen die Modelle, die potenziell problematisch sein können – und manche lassen sich nicht mit dem Mikroskop authentifizieren. Die Verkaufsabwicklung des Stücks ist jedoch sehr schnell und mit wenigen Klicks erledigt.
Matt Bowlin ist ehemaliger Journalist und Fernsehproduzent für ITN, Sky News und BBC. 2002 gründete der Brite zusammen mit Stuart Hennell und Lloyd Amsdon die Uhren-Plattform Watchfinder. Im Juni 2018 wurde das Unternehmen von der Richemont-Gruppe übernommen.
Rolex nimmt unangefochten den ersten Platz der meistgesuchten Uhren auf dem Sekundärmarkt ein. Kann sich dieser Trend weiterentwickeln?
Der Bestand an Rolex-Uhren, den wir haben, spiegelt den Markt wider. Unser Schlüssel ist natürlich unsere Unabhängigkeit, denn wir drängen unsere Kundinnen und Kunden nicht stärker zu bestimmten Marken als zu anderen. Unsere Arbeit besteht darin, die grösste Auswahl an Uhren vorzustellen, die für jeden Bedarf geeignet sein können. Aber um die Frage zu beantworten: Nein, die Position von Rolex ist nicht ewig. Das hängt von der Arbeit jeder Marke ab und von der Reaktionsfähigkeit der Kundinnen und Kunden, je nachdem, wo sie sich auf der Welt befinden.
Aber ist Ihre Führungsposition nicht stark vom Angebot an Rolex-Modellen abhängig?
Wir können nur Uhren zum Verkauf anbieten, die wir von Privatkunden oder -kundinnen kaufen. Und jede davon war früher eine neue Uhr. Wenn die Leute aufhören, eine neue Rolex zu kaufen, wird das zwangsläufig den Gebrauchtmarkt beeinflussen.
Was ist dann Ihr Geheimnis, um Rolex-Kunden und -Kundinnen anzulocken?
Unsere Langlebigkeit. Unsere Website läuft aus Sicht der Uhrenkäufer sehr gut. Noch einmal: Die Kundenbeziehung ist entscheidend. Und die Gewinnung neuer Kundschaft, die Uhren verkauft, ist eng damit verbunden. Und ich kann Ihnen versichern, dass es ein riesiges Potenzial gibt.
Wie ist Ihre Haltung gegenüber dem Graumarkt?
Er erzeugt potenziell schlechte Kundenerfahrungen. Der Graumarkt ist aber in erster Linie ein Problem für den neuen Uhrenmarkt und nicht für den Zweitmarkt. Ich kann nicht kontrollieren, woher eine gebrauchte Uhr kommt, wenn sie von einem Privatkunden oder einer Privatkundin gekauft wird.
Einige Marken versuchen, ihr eigenes Management für gebrauchte Uhren zu entwickeln. Ihre Gedanken dazu?
In der Tat sind die Margen nicht die, die auf dem Markt für neue Uhren erzielt werden. Auch wenn ich sie nicht kommunizieren kann, ist das nicht der Schwerpunkt. Der wesentliche Punkt ist, zu verstehen, dass der neue Uhrenmarkt ohne einen Gebrauchtmarkt nicht effizient funktionieren kann. Mit anderen Worten: Der Markt für gebrauchte Uhren kann ein Kanal für massive Verkäufe neuer Uhren und ein Katalysator für die Generierung von Liquidität sein. Jede gebrauchte Uhr kann als partielle Tauschwährung verwendet werden, um eine neue Uhr zu kaufen – und ich glaube nicht, dass neue Uhren nur mit frischem Geld gekauft werden. Ich denke, wir müssen zwei Märkte sehen, die Hand in Hand funktionieren, und die Margen als Ganzes betrachten. Der Markt für gebrauchte Uhren ist ein perfektes, erschwingliches Einfallstor für zukünftige Konsumenten und Konsumentinnen neuer Uhren. Wir müssen also weit über eine einfache Margenfrage hinausdenken. Das ist der wahre Wachstumsfaktor im Markt für neue Uhren.
Wird Schmuck, für den es noch keine echte Pre-Owned-Website gibt, bei Watchfinder eine Rolle spielen?
Unsere Kompetenz ist vorerst auf Uhren beschränkt. Aber ich sage nicht, dass das nicht interessant ist. Es gibt eine Chance, aber wir müssen die damit verbundenen Risiken verstehen. Fälschungen in der Uhrmacherei erfordern ein starkes Fachwissen – und wir müssen dasselbe im Schmuckbereich haben.
Warum sollte man heute Boutiquen in Genf oder Paris eröffnen?
Jeder Kunde will einen anderen Service. Es wird immer eine Klientel geben, die gerne Uhren anprobiert. Wir müssen der Kundschaft die Möglichkeit bieten, zu wählen, wie sie ihre Uhr kaufen wollen. Das ist auch eine Möglichkeit, mit ihnen zu interagieren.
Wird dies den Preis der Uhr beeinflussen?
Nein. Der Kunde und die Kundin beeinflussen den Preis. Sie sind diejenigen, die entscheiden, ob der Preis richtig ist. Diese Shops sind in erster Linie eine Möglichkeit für uns, uns abzuheben.
Dieses Interview erschien zuerst auf «luxurytribune.com».