Der innovative Thurgauer Metallbauer Thomas Sonderegger vollzieht in seinen Projekten eine faszinierende Gratwanderung zwischen Poesie und Nutzen: Streng und stark konzentriert auf das Wesentliche, entwickelt er grosse, teilweise tonnenschwere Objekte, ohne dem Material Metall die Seele und Schönheit zu rauben. Handwerkliche Präzision, gestalterisches Flair, gute Materialkenntnisse und eine grosse Portion Experimentierfreude sind das Potenzial des Eisenvirtuosen Thomas Sonderegger aus Arbon.
Als Sohn eines Schreiners hat er in der Kindheit viele Stunden in der Werkstatt verbracht. Noch heute liebt er den Geruch von frisch gehobeltem Holz und Leim. Damals erwachte in ihm die Begeisterung für handwerkliche Arbeit. Er entschied sich für den Beruf des Schlossers, da der schimmernde Glanz des Eisens auf ihn eine faszinierende Wirkung hatte. Sonderegger ist ein begeisterter Tüftler und Entwickler. Für ihn, technisch versiert und künstlerisch ambitioniert, ist sein Beruf eine Berufung.
Erotische Sinnlichkeit
Eisen ist einer der ältesten Werkstoffe. Eine entsprechend reiche Tradition besitzt das Schmieden von Stahl. Die Waffenschmiede hat Glück und Verderben über Länder gebracht. Oft waren die Schmiede Heiler oder Wahrsager, wie es in afrikanischen Ländern heute noch üblich ist. Genauso traditionsreich ist der Beruf des Schlossers: Aus dem Eisen kann man durch die Bearbeitung der Oberfläche beeindruckende Eigenschaften herausholen. Die vielfältigen Farben und Strukturen können so unterschiedlich sein wie bei Textilien. Für Sonderegger ist Eisen kein totes, kaltes Metall. Die Liebe zu dem harten, kühlen Material im Wohnbereich erwachte in ihm beim Bau seines Eigenheimes, das er in enger Zusammenarbeit mit dem bekannten Architekten Beat Consoni entwickelte. Seine Küchen, die er millimetergenau nach den Wünschen der Bauherrn entwirft und baut, strahlen geradezu eine erotische Sinnlichkeit aus. Je nach Lichteinfall, erhält das Material eine grosse Leuchtkraft.
Für Sonderegger ist die Oberflächenbehandlung des Eisens und Chromstahls einer der wichtigsten und auch einer der schwierigsten Prozesse. Der Eisenspezialist frönt der technischen Ästhetik. Die individuellen Akzente seiner Werke – Treppen, Küchenblocks, Cheminées, Raumteiler, Regale, Bars usw. – entstehen durch das Zusammenspiel von Oberflächengestaltung, Farbe, Form und Licht. Wichtig ist für ihn, dass Technik und Funktion in sinnvoller Symbiose verschmelzen. Für ihn ist Fantasie wichtiger als Wissen, Wissen kann sich jeder aneignen. Sein Leitsatz heisst: Die Problematik erkennen und lösen. Er ist der Experte und Ansprechpartner, der auch für die schwierigsten Probleme eine geniale Lösung ausbrütet und selbst bei den hochfliegenden und aussergewöhnlichen Ideen seiner Kunden individuelle Details findet.
Die Objekte entstehen zusammen mit seinen Kunden. Er hinterfragt Wünsche und Vorstellungen, berät, experimentiert und setzt die Ideen um. «Schon bei der Herstellung der Rohteile gibt es Unterschiede in Form, Farbe und Dicke der Bleche», erklärt der Künstler. Durch Bürsten, Schleifen oder Ätzen entstehen Farbvariationen, Strukturen, die aus der Nähe anders wirken als mit einem grösseren Abstand. Sonderegger: «Ich habe Metall gern, da es eine gewisse Härte besitzt. Es hat aber auch eine Weichheit. Und dann dieser Geruch des Eisens: Er ist je nach Bearbeitung verschieden. Es liegt so viel Verborgenes darin, das man herausarbeiten kann. Ich möchte einfach experimentieren und versuchen, den Leuten dieses schöne Material näher zu bringen.»
Die Oberflächen zu bearbeiten, ihnen immer wieder Neues zu entlocken, das fordert ihn heraus. Sehr oft weiss er nicht, was ihn am Ende erwartet, wie sein Probestück aussehen wird. Bis zu 60, 80 Arbeitsstunden sind für eine Küchenkombination nötig. Sonderegger liegt es am Herzen, aus Eisen etwas Vollkommenes, etwas Besonderes zu schaffen. Für ihn ist der Schliff des Eisens quasi die Vollendung. «Nehmen wir zum Beispiel einen Kochblock: Die einzelnen Bleche aus Edelstahl sind zusammengefügt und verschweisst, nun liegt er da, kopfüber aufgebockt und bereit für den Schliff. Bei diesem Arbeitsgang werden die präzis gezogenen Schweissnähte in mehreren Schleifkornstufen verschliffen, eine schweisstreibende Tätigkeit, die höchste, angespannte Konzentration erfordert», erklärt er schmunzelnd.
«Chaotenschliff»
Eine seiner bedeutendsten Kochinseln, die er im Auftrag entwickelte, heisst «Erotika»: Aus einem 7 m langen Blech entstand eine 4,70 m lange, 1,20 m tiefe und 95 cm hohe Kochinsel – ein Gebrauchskunstwerk aus einem Stück. Es bietet Platz für vier verschiedene Kochfelder: Für einen Teppan Yaki-Grill, einen Glaskeramik-Wok, ein Induktionskochfeld sowie für eine versenkte Friteuse. Die edel wirkenden Schubladen mit scharfkantigen, weich schimmernden Fronten aus stabilem Edelstahl öffnen und schliessen sich durch leichtes Antippen. Wie der Rahmen, so schimmern auch die Schubladen in jenem besonderen monolithischen Schliff, den Sonderegger selbst «geordneter Chaotenschliff» nennt und an dem man seine Arbeiten wieder erkennt.