In der wegen der Pandemiesituation elektronisch durchgeführten Wahl erhielt Müller 76 Prozent der Stimmen, wie Raiffeisen am Donnerstag mitteilte. Die Raiffeisen-GV wählte ausserdem Sandra Lathion mit einer Mehrheit von über 94 Prozent zum Mitglied des Verwaltungsrats.
Sofortiger Amtsantritt
Der neue Raiffeisen-Präsident gehört dem Verwaltungsrat der Zentralorganisation Raiffeisen Schweiz bereits seit 2018 an. In der Mitteilung bedankte er sich in das in ihn gesetzte Vertrauen. Mit der Zuwahl von Lathion gewinne der Raiffeisen-Verwaltungsrat weiter an "Branchenexpertise und Führungsstärke", zeigte sich Raiffeisen überzeugt. Die neue Verwaltungsrätin ist Expertin für Finanzmarktrecht und Compliance-Fragen.
Müller und Lathion treten ihre Ämter per sofort an. Pascal Gantenbein, der den Verwaltungsrat von Raiffeisen Schweiz interimistisch führte, wird weiterhin das Amt des Vizepräsidenten besetzen.
Medienberichte über Müller
Dass sich schlussendlich nur rund drei Viertel der Raiffeisen-Vertreter hinter Müller stellten, dürfte mit den zahlreichen Medienberichten der vergangenen Wochen zu tun haben. Im Fokus stand dabei die frühere Tätigkeit des 56-jährigen Müller als Finanzchef bei der Privatbank Sarasin, als diese die umstrittenen "Cum-Ex"-Finanzprodukte an Kunden verkaufte.
Raiffeisen hatte allerdings stets betont, dass Müller "im Rahmen des Rekrutierungsprozesses auf Rechts- und Reputationsrisiken geprüft" worden sei und keinerlei Vorbehalte gegen ihn bestünden. Als ausgewiesener Finanzexperte mit grosser Erfahrung im Banking erfülle er das Anforderungsprofil.
Rücktritt nach Strafanzeige
Müllers Vorgänger Guy Lachappelle war im Juli 2021 überraschend von seinem Amt als Raiffeisen-Präsident zurückgetreten, das er während rund zweieinhalb Jahren inne hatte. Auslöser dafür war eine Strafanzeige wegen angeblicher Wirtschafts- und Börsendelikte in Lachappelles früherer Tätigkeit als CEO der Basler Kantonalbank (BKB).
Eingereicht worden war die Anzeige von einer Frau, mit der der damalige BKB-CEO vorübergehend eine Liebesbeziehung gehabt hatte. Dabei ging es um interne Mails der BKB, die Lachappelle der Frau 2017 überlassen hatte. Das Verfahren ist allerdings inzwischen von der Basler Staatsanwaltschaft eingestellt worden.
Vincenz-Prozess steht an
Die Genossenschaftsgruppe war bereits unter der Führung von Lachappelle bemüht gewesen, nach den Turbulenzen der Ära des umstrittenen CEO Pierin Vincenz in ruhigere Fahrwasser zu gelangen. Mit der juristischen Aufarbeitung der Vincenz-Ära wird die Bankengruppe allerdings Anfang des kommenden Jahres bereits wieder in den Fokus der Öffentlichkeit rücken.
Der Prozess gegen den früheren CEO vor dem Zürcher Bezirksgericht ist für Ende Januar 2022 angesetzt. Vincenz sowie fünf weiteren Beschuldigten werden dabei von der Zürcher Staatsanwaltschaft gewerbsmässiger Betrug, Veruntreuung, Urkundenfälschung und passive Bestechung zum Nachteil der Kreditkartengesellschaft Aduno und der Raiffeisenbank vorgeworfen.
(awp/tdr)