Als sich Andy Rihs (67) vor wenigen Tagen aufs Karbon-Rad schwang, um mit seinem Bruder Hans-Ueli (66) und ein paar Kollegen zu seinem Weingut in der Provence zu radeln, war die Welt wieder in Ordnung. Halbwegs.

Im Sattel, da lässt sich der Ärger der letzten Tage schnell vergessen. Rihs, Besitzer des Stade de Suisse und des Fussballclubs BSC Young Boys, hatte in Bern für Aufruhr gesorgt. Der Anlass: seine unzimperliche Absetzung von Stefan Niedermaier, CEO des Stade de Suisse, sowie die Einsetzung von Ilja Kaenzig, ehemals Fussballmanager und «Blick»-Sportchef, der nun in Bern für neuen Schwung sorgen soll.

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Rihs’ Personalentscheid löste ein Erdbeben in der Berner Fussballwelt aus. «Eine Art Verbrechen am Verein» sei die Absetzung von Niedermaier, musste der Patron vor der Abfahrt in die Provence in der Lokalzeitung lesen. Aus Protest gegen die Absetzung trat Kuno Lauener, Sänger von Züri West und Berner Kulturikone, per sofort aus dem Beirat der Young Boys zurück. In Blogs und Leserbriefen wurde über Rihs gelästert.

Rückzugs-Gelüste. Dieser verstand die Berner Welt nicht mehr und plädierte im Freundeskreis für die Abschaffung der Sportberichterstattung in den Zeitungen. Vom Young-Boys-Slogan «Ich YB dich» bekam Club-Besitzer Rihs jedenfalls wenig bis nichts zu spüren.

Dabei würde der temperamentvolle Unternehmer lieber heute als morgen zum finanziellen Rückzug aus dem Fussballgeschäft der Hauptstadt blasen. Rihs’ Herz schlägt für den Radsport, er bezeichnet sich selber als «Velo-Maniac». Bereits zweimal habe er den YB-Exit ins Auge gefasst, erzählen Insider. Zuerst verhandelte er mit dem Energieunternehmen BKW und der Versicherungsgesellschaft Mobiliar; diese waren aber nur am Stadion interessiert, nicht am Fussballclub. Rihs jedoch wollte nur im Doppelpack verkaufen – und zu einem viel höheren Preis, als die Due Diligence von BKW/Mobiliar ergab. Die Folge: Verhandlungsabbruch.

Vor zwei Jahren bot Rihs in einer turbulenten Verwaltungsratssitzung der Sport und Event Holding – sie ist Besitzerin von Stadion und Fussballclub – sein 20-Prozent-Paket zum Verkauf an. Der Unternehmer, der bei all seinen Investments stets grösste Ellbogenfreiheit gewohnt ist, nervte sich zunehmend über das Geplapper im überdimensionierten Gremium. Sein Vorschlag an die verdutzten Mitinvestoren: «Liebe Kollegen, entweder kauft ihr jetzt mein 20-Prozent-Paket ab, oder ich kaufe eure Aktien.»

Alleinherrscher. Weil keiner der Aktionäre seinen Anteil aufstocken konnte oder wollte, zahlte Rihs mit seinem Bruder die andern Aktionäre aus. Nun war Andy Rihs mit seinem jüngeren Bruder plötzlich der Alleinherrscher in Bern. Für den Zukauf des 60-Prozent-Pakets soll er rund 30 Millionen auf den Tisch gelegt haben, wie mehrere Quellen berichten. Minderheitsaktionär blieb nur Benno Oertig, VR-Präsident der Sport und Event Holding.

Weder Oertig noch die Rihs-Brüder wollten sich zu ihrem finanziellen Engagement in Bern äussern. Man solle sich Anfang 2011 wieder melden, falls dann noch Interesse an YB und am Stade de Suisse bestehe, liessen sie über ihren Sprecher Sacha Wigdorovits ausrichten.

Auch heute sind die dominierenden Rihs-Brüder am Ausstieg interessiert. Mehrmals bekräftigten sie, dass «Bern» bloss ein Finanzinvestment sei und man insgeheim hoffe, die Young Boys und das Nationalstadion in lokalen Besitz überzuführen. Nur sind weit und breit keine Berner Investoren auszumachen, die einsteigen wollen. Schon gar nicht zum geforderten Preis.

Das Risikoprofil des Investments ist ohnehin nichts für schwache Nerven: Ein schlechtes Spiel wie gegen Tottenham Hotspur in London, und schon lösten sich erhoffte Champions-League-Einnahmen von über 25 Millionen Franken in Luft auf. Ein Blick in die Bücher zeigt die Tücken des Geschäfts: 2009 habe die Sport und Event Holding eigentlich einen operativen Verlust von gegen fünf Millionen Franken eingefahren, heisst es. Nur dank Spielerverkäufen blieb der Jahresabschluss im Lot. Dieses Jahr wird ein Rekord angepeilt: 50 Millionen Umsatz und ein Gewinn von sechs bis sieben Millionen Franken sind budgetiert. Doch von einem nachhaltigen Geschäftsmodell kann keine Rede sein. Einen Grossteil des Profits – rund fünf Millionen – hat man dem Verkauf von Stürmerstar Seydou Doumbia an ZSKA Moskau zu verdanken. Das brachte zwar Geld in die Kasse, dafür verliert der Club jetzt gegen die AC Bellinzona.

Bern ist speziell. Sentimentalität prägt den Geist des Publikums, ein zweiter Schlussrang das Abschneiden auf dem Platz. Nur zum Gewinnen reichte es nicht. Besonders sind auch die Besitzverhältnisse. In der Regel sind Stadion und Fussballclub getrennt, wobei der Club eine Stadionmiete von drei bis fünf Millionen Franken abliefert. Zudem stützt nicht selten die öffentliche Hand mit Millionen die Sportvereine.

Anders in Bern.Hier tragen Andy und Hans-Ueli Rihs das volle Risiko. Als Besitzer des Stadions und der Young Boys sind sie einem permanenten Klumpenrisiko ausgesetzt, weil der Fussball für 70 bis 80 Prozent des Umsatzes verantwortlich ist. Ihr Cashflow und der Wert ihres Investments hängen also unmittelbar vom Gekicke ihrer Angestellten auf dem Kunstrasen ab.

Ohnehin mussten die Investoren vom Zürichsee mittlerweile einsehen, dass mit Schweizer Fussball nicht der grosse Reibach zu machen ist. Letztes Jahr liess Andy Rihs seine Berner Assets auf ihren Wert hin überprüfen. Die Immobilienexperten von Livit und die Corporate-Finance-Leute von Sal. Oppenheim lieferten ihm ernüchternde Zahlen. Den Ertragswert von Stadion und Club taxierten die Spezialisten auf 55 Millionen Franken, heisst es.

55 Millionen? Eine beträchtliche Differenz zu den 100 Millionen, die in den Gängen des Stade de Suisse als angestrebter Verkaufspreis gerne genannt werden. Mit anderen Worte: Das Investment ist längst nicht dort, wo es in den Augen der ambitionierten Aktionäre sein sollte. Neue Ertragsquellen erschliessen und optimieren ist also angesagt.

Grabenkämpfe statt Siege. Vor diesem Hintergrund ist der Rauswurf von CEO Stefan Niedermaier nachvollziehbar: Er und VR-Präsident Oertig lieferten sich monatelang einen beherzten Infight, statt die gelb-schwarze Elf endlich auf Siegerkurs zu trimmen. Bis Andy Rihs ein Machtwort sprach und Niedermaier vors Stadiontor stellte.

Intrige, Profilierungssucht – ein Graus für den erfolgsverwöhnten Rihs, der seine bunten Investments (siehe «Family Office» unter 'Weitere Artikel') am liebsten an der langen Leine führt. Schliesslich wünscht sich der 67-Jährige Firmen, die von ihren Chefs möglichst autonom geführt werden, damit ihm mehr Zeit für das geliebte Velofahren bleibt.

Nach Niedermaiers Abgang soll Kaenzig die Meisterpokale von Basel nach Bern umdirigieren und so Fantasie, sprich: Mehrwert, in Rihs’ Investment fächeln. Die Ambitionen sind hoch: Rihs’ Statthalter Oertig träumt bereits von einer Young-Boys-Blütezeit von 20 bis 30 Jahren, «wie bei Bayern München». Ein gewagter Vergleich. Bayerns Budget ist 25-mal grösser als jenes von YB.

Bis die Träumereien des VR-Präsidenten Realität sind, können sich die kapitalkräftigen Rihs-Brüder durchaus noch gedulden. Ihr Aktienpaket beim Hörgerätehersteller Sonova ist aktuell 1,5 Milliarden Franken wert.