Mit mehr als 3000 Sonnenstunden sei «das höchste Kirchendorf Europas» im Val d’Anniviers «ein Paradies». So buhlen Ferienwohnungsbesitzer in Chandolin VS im Internet um Kunden. Weniger heil präsentiert sich die Welt für die 86 Einwohner. Chandolin ist die Schuldenhölle der Schweiz: 1998 wies das Walliser Bergdorf die höchste Nettoverschuldung pro Kopf aller Gemeinden aus.
Mit 51 585 Franken ist der kritische Wert gleich um mehr als das Zehnfache übertroffen: Eine Nettoverschuldung von 5000 Franken pro Einwohner gilt gemäss der Konferenz der kantonalen Aufsichtsstellen über die Gemeindefinanzierung bereits als «sehr hoch». 106 von 154 Walliser Kommunen hatten 1998 einen höheren Wert. 46 kamen gar auf über 10 000 Franken. Insgesamt wies das Wallis 1998 mit 6318 Franken auch den höchsten Netto-Durchschnittswert aller Gemeinden pro Kanton aus.
Trotzdem ist der Zustand der Gemeindehaushalte im Kanton Wallis nicht am alarmierendsten, wenn man alle wichtigen Finanzkennzahlen vergleicht: Noch schlechter schneiden der Jura mit der vernichtenden Note von 1,5 sowie Neuenburg mit einer 2 auf einer Skala von 1 bis 6 ab. Dies ergibt ein exklusives BILANZ-Rating der 23 Kantone, die Finanzdaten ihrer Kommunen publizieren. Zudem hat BILANZ die vier Gemeinden mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung je Kanton aufgelistet (siehe «In der Kreide» auf Seite 81). Beweisen lässt sich mit diesen Daten, dass Gemeinden in wirtschaftsschwachen Rand- oder Bergregionen nicht a priori überschuldet sein müssen: Keine einzige Urner Gemeinde überschreitet die kritische Grenze von 5000 Franken.
Auch im Tessin weisen 43 von 245 Gemeinden eine Nettoverschuldung von über 10 000 Franken je Einwohner aus (an der Spitze: das 59-Steuerzahler-Dorf Fusio TI mit 46 229 Franken). Im Bündnerland sind die Behörden von Scuol kantonale Meister im Schuldenmachen: Der Kurort brachte es auf netto 22 489 Franken pro Einwohner. Die Verschuldung resultiert hauptsächlich aus den über 50 Millionen Franken, die ins gemeindeeigene Bad investiert worden sind. Überraschenderweise erreicht die bankrotte und unter Beiratschaft stehende Munizipalgemeinde Leukerbad mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von 41 625 Franken nur den dritten Platz. Die Kennziffer hat eben ihre Tücken: Den 170 Millionen Franken Fremdkapital standen damals überbewertete Aktiven gegenüber. Heute zeigt sich, dass dieser Wert effektiv 103 795 Franken betragen haben dürfte.
Ermittelt wird die Nettoschuld, indem das Finanzvermögen einer Gemeinde von den Schulden abgezogen wird. Zum Finanzvermögen zählen Werte wie Bergbahnen oder Bäder, die zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben nicht erforderlich sind. Die Aussagekraft der Nettoverschuldung differiert daher je nach den Bewertungskriterien, die kantonal recht unterschiedlich sind. So werden im Wallis Wertschriften im Finanzvermögen nicht berücksichtigt.
Leukerbad ist die erste Gemeinde, die Finanzinstituten Verluste beschert. Der Schock hat zu einem tief greifenden Wandel beim Kreditgeschäft mit Gemeinden geführt: Einerseits kollabierte mit der Emissionszentrale der Schweizer Gemeinden (ESG) ein gewichtiger Geldgeber, weil er den Schuldenjongleuren von Leukerbad und der Zermatter Burgergemeinde zu leichtfertig Kredit gewährt hatte. Die operative Leitung dieser auf Solidarität beruhenden Selbsthilfeorganisation der Kommunen war nicht in der Lage, die eingegangenen Risiken richtig einzuschätzen. Das belegt auch die mit teilweise hanebüchenen Hoffnungsszenarien angereicherte Analyse der desaströsen Finanzlage Leukerbads im Jahre 1997.
Es ist kaum anzunehmen, dass das Schönwetterkonstrukt dieser Genossenschaft den zweijährigen Unterbruch der Emissionstätigkeit überlebt. Zwar klärt der Direktor des Instituts für Finanzwirtschaft und Finanzrecht an der Universität St. Gallen (IFF), Terenzio Angelini, für die Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren ab, ob es ein Instrument à la ESG überhaupt noch braucht. Credit-Suisse-Direktionsmitglied Peter Sami hält sie für sinnvoll: «Ich hoffe, dass die ESG nicht stirbt.»
Bis auf weiteres sind die ESG-Gewaltigen reine Emissionsabwickler. Das zwang Dutzende von Gemeinden, neue Geldgeber zu suchen. Und das in einem happigen Umfang: Die ESG löste bisher Anleihen im Wert von gegen einer Milliarde Franken auf, was das seit 1992 enorm ausgeweitete Kreditvolumen auf weniger als drei Milliarden schmelzen liess. Überraschenderweise kamen ausser Leukerbad und der Zermatter Burgergemeinde sämtliche Gemeinden ihren Verpflichtungen nach.
Nicht wenige Gemeinden finanzierten die Rückzahlungen mit Überschüssen. Der Finanzberater Matthias Lehmann, Verwaltungsratspräsident der ComRating, die Gemeinderatings erstellt, hat festgestellt: «Seit den Achtzigerjahren gab es nie so viele Gemeinden, die Einnahmenüberschüsse ausweisen, wie heute. Das gilt selbst für finanzschwächere Gemeinden.» Das ist gut so, denn die Gemeinden kommen heute nicht mehr so schnell zu Darlehen, selbst wenn der Markt nach einer Phase der Verunsicherung wieder weit gehend spielt. Es gibt aber Marktteilnehmer, die Finanzierungsgesuche ablehnen. Das gelte auch für die Walliser Kantonalbank, bestätigt Präsident Odilo Guntern.
«Ein grosser Teil der Schweizer Gemeinden hat allerdings kein Problem, Geld zu beschaffen», sagt Lehmann. Das bestätigt auch der Generalsekretär des Schweizerischen Gemeindeverbands, Sigisbert Lutz: «Wir hören wenig Klagen. Kleinere und finanziell schwächere Gemeinden haben mehr Schwierigkeiten, Kredite zu erhalten.» Das dürfte weniger als zehn Prozent aller 2915 Gemeinden betreffen, sagt Terenzio Angelini, auch Finanzverwalter des Kantons St. Gallen. Solche Kommunen müssen weit gehend auf Investitionen verzichten und, falls möglich, den Fremdkapitalanteil herunterfahren. Das ist dann problematisch, wenn die Schulden hoch sind und trotzdem ein Nachholbedarf bei der Infrastruktur vorhanden ist.
Erhöht hat sich der Aufwand für die Geldbeschaffung. Denn heute wird die Bonität genau abgecheckt. «Jede Gemeinde wird heute geratet, auch wenn sie nur 100 000 Franken aufnimmt», sagt UBS-Generaldirektor Urs Haltiner: «Das individualisierte Rating hat zur Folge, dass höher bewertete Gemeinden von einem tieferen Zins profitieren.»
Nach den Firmen müssen nun auch Gemeinden risikoadjustierte Zinsen in Kauf nehmen. «Es ist obsolet, dass alle Gemeinden zu gleichen Konditionen Geld erhalten», sagt Angelini. Am IFF hat er ein Ratingsystem entwickelt, das neben Finanzkennzahlen die kantonalen Bestimmungen über Aufsicht und Kontrolle der Gemeinden einbezieht.
Als es für Zermatt im letzten Dezember galt, ein ESG-Darlehen abzulösen, musste die Munizipalgemeinde einen solchen Risikozuschlag akzeptieren. Die von der ComRating mit einem «B» oder «Investment-Grade» bewertete Kommune hatte eine Nettoverschuldung von 10 944 Franken pro Einwohner angehäuft. Der Zins lag deshalb für ein kurzfristiges Darlehen 1 Prozent, für ein langfristiges 1,3 Prozent über dem Liborsatz, zu dem sich die Banken refinanzieren. Der Aufschlag deckt das Risiko, die betriebswirtschaftlichen Kosten und die Marge ab.
Zurzeit liegen die Risikozuschläge aber weit unter den 1998 verbreiteten Angstmacher-Prognosen. Ein risikoadjustiertes Pricing lasse sich selbst für Gemeinden, welche die Credit Suisse in der fünften von acht Ratingklassen einreihe, «nicht im gewünschten Ausmass von zwei Prozent» durchsetzen, sagt Direktionsmitglied Sami. Das bestätigt auch Pius Schwegler von der RBA Holding, meint aber: «Grundsätzlich ist man auf dem Weg dazu.»
Höhere Risikozuschläge könnten ab 2003 eingeführt werden, wenn die Banken Kredite an Schuldner ohne Rating 100-prozentig mit Eigenkapital unterlegen müssen. Selbst dann werde der Zuschlag für Gemeinden mit einem «BB», was bei der CS der fünften Risikoklasse entspricht, 1,5 Prozent «kaum übersteigen», schätzt Sami. Heute lässt das kompetitive Umfeld keine überrissenen Aufschläge zu. Dazu tragen auch Auslandbanken bei.
Mittlerweile hat allein die Bank Austria Kredite in der Höhe von einer Milliarde Franken in öffentlich-rechtlichen Körperschaften platziert. Gemessen an der Gesamtverschuldung von Bund, Kantonen und Gemeinden in Höhe von 203 Milliarden ist das wenig. Ressortleiterin Renate Szilagyi glaubt deshalb nicht, dass ihre Bank Preisbrecher spiele: «Das Verhältnis zwischen unseren Angeboten und Abschlüssen ist acht zu eins. Anhand dieser Ausfallquote kann man ersehen, dass die Konkurrenz von der Bank Austria her nicht so stark sein kann.» Das bekommen laut Felice De Grandi, Leiter Risikomanagement, auch die Raiffeisenbanken zu spüren: «Da das Ausfallrisiko bei Gemeinden gering ist, gehen alle Finanzinstitute ans Limit. Wir stellen oft fest, dass wir mit unseren Preisen nicht konkurrenzfähig sind. Wir sind wohl zu konservativ.»
Sie haben es schwer, sich gegen die Grossbanken durchzusetzen. Der Walliser Staatsrat Wilhelm Schnyder sagt: «Einen Moment lang hat es so ausgesehen, als ob sich die Grossbanken zurückzögen. Das ist nicht mehr der Fall. Sie führen einen kompetitiven Kampf um Darlehen. Auch bei Berggemeinden.» Kredite an öffentlich-rechtliche Körperschaften ermöglichten eine wertvolle Diversifikation des Kreditportefeuilles, sagt Urs Haltiner von der UBS: «Gemeinden sind ein gutes Risiko.»
Selbst eine völlig überschuldete Kleingemeinde wie Fusio mit Geld zu versorgen, führt kaum zum Totalausfall. Die Schulden in der Höhe von ein paar Millionen übernimmt im schlimmsten Fall der Kanton, der über den Finanzausgleich auch das Defizit abdeckt. Auch in anderen Kantonen wie beispielsweise in Graubünden oder Zürich sind die Schulden indirekt über den Finanzausgleich garantiert, solange die Gemeindebehörden die gesetzlichen Vorschriften einhalten. Selbst wenn das keine eigentliche Staatsgarantie des Kantons darstellt: Funktioniert die Kontrolle, kommt es nicht zum Kollaps wie im Wallis.
Was allerdings verbessert werden muss, ist die Ausbildung der kommunalen Finanzpolitiker, fordert Unternehmensberater Peter Furger, der in Leukerbad und Zermatt als Restrukturierer eingesetzt worden ist. «Bis ein Exekutivmitglied alle Gesetze kennt, die es einzuhalten hat, vergehen vier Jahre», klagt Furger. Das kann zu einem bösen Erwachen führen: In Leukerbad verstanden die Gemeinderäte die Mechanik der komplizierten Unternehmensstruktur nicht, der sie via Gemeinde Geld beschafften. Jetzt steht ihnen möglicherweise eine Verantwortlichkeitsklage ins Haus. Zumindest ist dafür gesorgt, dass die Verjährungsfrist unterbrochen ist. Blauäugigkeit ist halt kein Freibrief – auch nicht für Gemeindeväter.
Mit 51 585 Franken ist der kritische Wert gleich um mehr als das Zehnfache übertroffen: Eine Nettoverschuldung von 5000 Franken pro Einwohner gilt gemäss der Konferenz der kantonalen Aufsichtsstellen über die Gemeindefinanzierung bereits als «sehr hoch». 106 von 154 Walliser Kommunen hatten 1998 einen höheren Wert. 46 kamen gar auf über 10 000 Franken. Insgesamt wies das Wallis 1998 mit 6318 Franken auch den höchsten Netto-Durchschnittswert aller Gemeinden pro Kanton aus.
Trotzdem ist der Zustand der Gemeindehaushalte im Kanton Wallis nicht am alarmierendsten, wenn man alle wichtigen Finanzkennzahlen vergleicht: Noch schlechter schneiden der Jura mit der vernichtenden Note von 1,5 sowie Neuenburg mit einer 2 auf einer Skala von 1 bis 6 ab. Dies ergibt ein exklusives BILANZ-Rating der 23 Kantone, die Finanzdaten ihrer Kommunen publizieren. Zudem hat BILANZ die vier Gemeinden mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung je Kanton aufgelistet (siehe «In der Kreide» auf Seite 81). Beweisen lässt sich mit diesen Daten, dass Gemeinden in wirtschaftsschwachen Rand- oder Bergregionen nicht a priori überschuldet sein müssen: Keine einzige Urner Gemeinde überschreitet die kritische Grenze von 5000 Franken.
Auch im Tessin weisen 43 von 245 Gemeinden eine Nettoverschuldung von über 10 000 Franken je Einwohner aus (an der Spitze: das 59-Steuerzahler-Dorf Fusio TI mit 46 229 Franken). Im Bündnerland sind die Behörden von Scuol kantonale Meister im Schuldenmachen: Der Kurort brachte es auf netto 22 489 Franken pro Einwohner. Die Verschuldung resultiert hauptsächlich aus den über 50 Millionen Franken, die ins gemeindeeigene Bad investiert worden sind. Überraschenderweise erreicht die bankrotte und unter Beiratschaft stehende Munizipalgemeinde Leukerbad mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von 41 625 Franken nur den dritten Platz. Die Kennziffer hat eben ihre Tücken: Den 170 Millionen Franken Fremdkapital standen damals überbewertete Aktiven gegenüber. Heute zeigt sich, dass dieser Wert effektiv 103 795 Franken betragen haben dürfte.
Ermittelt wird die Nettoschuld, indem das Finanzvermögen einer Gemeinde von den Schulden abgezogen wird. Zum Finanzvermögen zählen Werte wie Bergbahnen oder Bäder, die zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben nicht erforderlich sind. Die Aussagekraft der Nettoverschuldung differiert daher je nach den Bewertungskriterien, die kantonal recht unterschiedlich sind. So werden im Wallis Wertschriften im Finanzvermögen nicht berücksichtigt.
Leukerbad ist die erste Gemeinde, die Finanzinstituten Verluste beschert. Der Schock hat zu einem tief greifenden Wandel beim Kreditgeschäft mit Gemeinden geführt: Einerseits kollabierte mit der Emissionszentrale der Schweizer Gemeinden (ESG) ein gewichtiger Geldgeber, weil er den Schuldenjongleuren von Leukerbad und der Zermatter Burgergemeinde zu leichtfertig Kredit gewährt hatte. Die operative Leitung dieser auf Solidarität beruhenden Selbsthilfeorganisation der Kommunen war nicht in der Lage, die eingegangenen Risiken richtig einzuschätzen. Das belegt auch die mit teilweise hanebüchenen Hoffnungsszenarien angereicherte Analyse der desaströsen Finanzlage Leukerbads im Jahre 1997.
Es ist kaum anzunehmen, dass das Schönwetterkonstrukt dieser Genossenschaft den zweijährigen Unterbruch der Emissionstätigkeit überlebt. Zwar klärt der Direktor des Instituts für Finanzwirtschaft und Finanzrecht an der Universität St. Gallen (IFF), Terenzio Angelini, für die Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren ab, ob es ein Instrument à la ESG überhaupt noch braucht. Credit-Suisse-Direktionsmitglied Peter Sami hält sie für sinnvoll: «Ich hoffe, dass die ESG nicht stirbt.»
Bis auf weiteres sind die ESG-Gewaltigen reine Emissionsabwickler. Das zwang Dutzende von Gemeinden, neue Geldgeber zu suchen. Und das in einem happigen Umfang: Die ESG löste bisher Anleihen im Wert von gegen einer Milliarde Franken auf, was das seit 1992 enorm ausgeweitete Kreditvolumen auf weniger als drei Milliarden schmelzen liess. Überraschenderweise kamen ausser Leukerbad und der Zermatter Burgergemeinde sämtliche Gemeinden ihren Verpflichtungen nach.
Nicht wenige Gemeinden finanzierten die Rückzahlungen mit Überschüssen. Der Finanzberater Matthias Lehmann, Verwaltungsratspräsident der ComRating, die Gemeinderatings erstellt, hat festgestellt: «Seit den Achtzigerjahren gab es nie so viele Gemeinden, die Einnahmenüberschüsse ausweisen, wie heute. Das gilt selbst für finanzschwächere Gemeinden.» Das ist gut so, denn die Gemeinden kommen heute nicht mehr so schnell zu Darlehen, selbst wenn der Markt nach einer Phase der Verunsicherung wieder weit gehend spielt. Es gibt aber Marktteilnehmer, die Finanzierungsgesuche ablehnen. Das gelte auch für die Walliser Kantonalbank, bestätigt Präsident Odilo Guntern.
«Ein grosser Teil der Schweizer Gemeinden hat allerdings kein Problem, Geld zu beschaffen», sagt Lehmann. Das bestätigt auch der Generalsekretär des Schweizerischen Gemeindeverbands, Sigisbert Lutz: «Wir hören wenig Klagen. Kleinere und finanziell schwächere Gemeinden haben mehr Schwierigkeiten, Kredite zu erhalten.» Das dürfte weniger als zehn Prozent aller 2915 Gemeinden betreffen, sagt Terenzio Angelini, auch Finanzverwalter des Kantons St. Gallen. Solche Kommunen müssen weit gehend auf Investitionen verzichten und, falls möglich, den Fremdkapitalanteil herunterfahren. Das ist dann problematisch, wenn die Schulden hoch sind und trotzdem ein Nachholbedarf bei der Infrastruktur vorhanden ist.
Erhöht hat sich der Aufwand für die Geldbeschaffung. Denn heute wird die Bonität genau abgecheckt. «Jede Gemeinde wird heute geratet, auch wenn sie nur 100 000 Franken aufnimmt», sagt UBS-Generaldirektor Urs Haltiner: «Das individualisierte Rating hat zur Folge, dass höher bewertete Gemeinden von einem tieferen Zins profitieren.»
Nach den Firmen müssen nun auch Gemeinden risikoadjustierte Zinsen in Kauf nehmen. «Es ist obsolet, dass alle Gemeinden zu gleichen Konditionen Geld erhalten», sagt Angelini. Am IFF hat er ein Ratingsystem entwickelt, das neben Finanzkennzahlen die kantonalen Bestimmungen über Aufsicht und Kontrolle der Gemeinden einbezieht.
Als es für Zermatt im letzten Dezember galt, ein ESG-Darlehen abzulösen, musste die Munizipalgemeinde einen solchen Risikozuschlag akzeptieren. Die von der ComRating mit einem «B» oder «Investment-Grade» bewertete Kommune hatte eine Nettoverschuldung von 10 944 Franken pro Einwohner angehäuft. Der Zins lag deshalb für ein kurzfristiges Darlehen 1 Prozent, für ein langfristiges 1,3 Prozent über dem Liborsatz, zu dem sich die Banken refinanzieren. Der Aufschlag deckt das Risiko, die betriebswirtschaftlichen Kosten und die Marge ab.
Zurzeit liegen die Risikozuschläge aber weit unter den 1998 verbreiteten Angstmacher-Prognosen. Ein risikoadjustiertes Pricing lasse sich selbst für Gemeinden, welche die Credit Suisse in der fünften von acht Ratingklassen einreihe, «nicht im gewünschten Ausmass von zwei Prozent» durchsetzen, sagt Direktionsmitglied Sami. Das bestätigt auch Pius Schwegler von der RBA Holding, meint aber: «Grundsätzlich ist man auf dem Weg dazu.»
Höhere Risikozuschläge könnten ab 2003 eingeführt werden, wenn die Banken Kredite an Schuldner ohne Rating 100-prozentig mit Eigenkapital unterlegen müssen. Selbst dann werde der Zuschlag für Gemeinden mit einem «BB», was bei der CS der fünften Risikoklasse entspricht, 1,5 Prozent «kaum übersteigen», schätzt Sami. Heute lässt das kompetitive Umfeld keine überrissenen Aufschläge zu. Dazu tragen auch Auslandbanken bei.
Mittlerweile hat allein die Bank Austria Kredite in der Höhe von einer Milliarde Franken in öffentlich-rechtlichen Körperschaften platziert. Gemessen an der Gesamtverschuldung von Bund, Kantonen und Gemeinden in Höhe von 203 Milliarden ist das wenig. Ressortleiterin Renate Szilagyi glaubt deshalb nicht, dass ihre Bank Preisbrecher spiele: «Das Verhältnis zwischen unseren Angeboten und Abschlüssen ist acht zu eins. Anhand dieser Ausfallquote kann man ersehen, dass die Konkurrenz von der Bank Austria her nicht so stark sein kann.» Das bekommen laut Felice De Grandi, Leiter Risikomanagement, auch die Raiffeisenbanken zu spüren: «Da das Ausfallrisiko bei Gemeinden gering ist, gehen alle Finanzinstitute ans Limit. Wir stellen oft fest, dass wir mit unseren Preisen nicht konkurrenzfähig sind. Wir sind wohl zu konservativ.»
Sie haben es schwer, sich gegen die Grossbanken durchzusetzen. Der Walliser Staatsrat Wilhelm Schnyder sagt: «Einen Moment lang hat es so ausgesehen, als ob sich die Grossbanken zurückzögen. Das ist nicht mehr der Fall. Sie führen einen kompetitiven Kampf um Darlehen. Auch bei Berggemeinden.» Kredite an öffentlich-rechtliche Körperschaften ermöglichten eine wertvolle Diversifikation des Kreditportefeuilles, sagt Urs Haltiner von der UBS: «Gemeinden sind ein gutes Risiko.»
Selbst eine völlig überschuldete Kleingemeinde wie Fusio mit Geld zu versorgen, führt kaum zum Totalausfall. Die Schulden in der Höhe von ein paar Millionen übernimmt im schlimmsten Fall der Kanton, der über den Finanzausgleich auch das Defizit abdeckt. Auch in anderen Kantonen wie beispielsweise in Graubünden oder Zürich sind die Schulden indirekt über den Finanzausgleich garantiert, solange die Gemeindebehörden die gesetzlichen Vorschriften einhalten. Selbst wenn das keine eigentliche Staatsgarantie des Kantons darstellt: Funktioniert die Kontrolle, kommt es nicht zum Kollaps wie im Wallis.
Was allerdings verbessert werden muss, ist die Ausbildung der kommunalen Finanzpolitiker, fordert Unternehmensberater Peter Furger, der in Leukerbad und Zermatt als Restrukturierer eingesetzt worden ist. «Bis ein Exekutivmitglied alle Gesetze kennt, die es einzuhalten hat, vergehen vier Jahre», klagt Furger. Das kann zu einem bösen Erwachen führen: In Leukerbad verstanden die Gemeinderäte die Mechanik der komplizierten Unternehmensstruktur nicht, der sie via Gemeinde Geld beschafften. Jetzt steht ihnen möglicherweise eine Verantwortlichkeitsklage ins Haus. Zumindest ist dafür gesorgt, dass die Verjährungsfrist unterbrochen ist. Blauäugigkeit ist halt kein Freibrief – auch nicht für Gemeindeväter.
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