Hinter den Einzelhandelsketten Aldi und Lidl verbergen sich drei der reichsten Unternehmer Deutschlands. Das Vermögen der Aldi-Brüder Karl und Theo Albrecht wird vom US-Wirtschaftsmagazin «Forbes» auf satte 37,5 Mrd Dollar geschätzt, Lidl-Chef und Herausforderer Dieter Schwarz dürfte auf 10,5 Mrd Dollar kommen - und alle drei sind praktisch unbekannt. Das liegt daran, dass sie die Öffentlichkeit scheuen, keine Interviews geben und sich nicht einmal auf Photos ablichten lassen. Viele Informationen über die Aldi-Brüder und Dieter Schwarz stammen aus zweiter oder dritter Hand. Lidl hat erst seit 2006 einen eigenen Pressesprecher. Die Albrechts und Schwarz leben bescheiden, Skandale sind ihnen fremd.
Fest steht, dass die Brüder Albrecht aus einem Bergarbeiterviertel in Essen im Ruhrgebiet stammen und ihr Imperium aus einem kleinen Tante-Emma-Laden entstand, der schon 1913 in Essen gegründet wurde. Die Geschäftsidee war, den Kunden nicht wie bei Konsumläden über Rabattmarken billigere Preise einzuräumen, sondern von vornherein 3% Rabatt zu gewähren, indem man das Warensortiment strikt begrenzte und auf aufwendige Dekoration, Ausstattung und Werbung verzichtete. Karl Albrecht brachte das Konzept 1953 auf die Formel: «Unsere ganze Werbung liegt im billigen Preis.» In den 1960er Jahren trennten sich die Wege, weil Theo angeblich die Einzelführung beanspruchte.
*In Österreich heisst Aldi Hofer*
Das Unternehmen wurde in Aldi Nord (Theo) und Aldi Süd (Karl) aufgeteilt, die Brüder gehen fortan getrennte Wege. Karl erwirtschaftet mit weniger Filialen eine höhere Vorsteuerrendite als sein Bruder im Norden. Weltweit hat Aldi mehr als 6600 Filialen.
In Österreich tritt Aldi mit demselben Logo und Konzept unter dem Namen Hofer auf und hat
sich dort zum drittgrössten Reiseveranstalter des Landes gemausert. Hier wurden zuerst EC-Zahlung und Mobiltelefonangebote getestet, ehe man dies in Deutschland einführte. Während der 87-jährige Patriarch Theo noch alle wichtigen Entscheidungen selber fällt, hat sich Karl schon vor vielen Jahren aus der Spitze zurückgezogen und Manager angeheuert. Der Konzern ist über GmbH & Co KGs weit verzweigt und kaum zu überblicken, ihr Vermögen und Anteile haben die Brüder in diversen Familienstiftungen angelegt. Beide spielen Golf, Orchideenzüchter Karl liess sich 1976 in Donaueschingen den bis dahin grössten privaten Golfplatz Deutschlands bauen, Bruder Theo sammelt alte Schreibmaschinen.
Lidl-Boss Dieter Schwarz lebt zurückgezogen in Heilbronn in Süddeutschland und gilt als «Aldi- Jäger», der die Konkurrenten überflügeln will. Lidl expandiert noch aggressiver als Aldi im In- und Ausland. Schwarz gilt als bescheiden, korrekt und zurückhaltend, kontrolliert aber immer noch die eigenen Läden, indem er spontane Stippvisiten einlegt. In 30 Jahren hat der Sohn eines Grossfrüchtehändlers ein Imperium mit 80000 Mitarbeitern und 7200 Läden aufgebaut - und täglich werden es mehr. 2004 wurde bekannt, dass der Drogeriekönig Anton Schlecker und die Düsseldorfer Landesbank West LB die grössten externen Geldgeber von Lidl sind.
*Nicht das Geld treibt Schwarz an*
Schwarz gilt als sparsamer Schwabe, der sich wie die Aldi-Brüder im Hintergrund hält. Als er vor Jahren die Redaktion einer Lokalzeitung besuchte und dabei fotografiert wurde, drehte er noch auf dem Heimweg um und kassierte die Bilder, der Text musste ohne Foto erscheinen. Es ist nicht das Geld, das den Vater von drei Kindern antreibt, sondern der Spass am Organisieren. Wenn ein Kirchendach repariert werden muss, zückt Schwarz schon mal den Geldbeutel. Den Namen Lidl hat er einem pensionierten Berufsschullehrer für 1000 DM abgekauft.
Das Duell der Giganten ist beeindruckend, sie liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Anfang des Jahres berichtete die Unternehmensberatung Deloitte, dass die Schwarz-Gruppe Aldi beim Umsatz überholt hat. Die Neckarsulmer brachten es auf geschätzte 38,8 Mrd Euro, Aldi auf 38,1 Mrd Lidl ist mit 2000 Produkten breiter aufgestellt als Aldi. Wie hart der Konkurrenzkampf ist, beweist das neue Handyangebot von Lidl seit dieser Woche, das mit 9,9 Cent pro Minute die Konkurrenten Aldi, Schlecker und Penny herausfordert (siehe auch Artikel rechts).
*Niedriger Preis allein reicht nicht*
Die spektakulären Erfolge von Aldi und Lidl wurden einst in einer McKinsey-Studie analysiert. Ergebnis: Niedrige Preise sichern noch keinen Erfolg. Erst die Kombination aus Einfachheit, Geschwindigkeit und Effizienz zahlt sich aus. Während Edeka oder Rewe mehr als zwei Dutzend Sorten Toilettenpapier im Regal anbieten, offeriert Lidl zwölf Varianten, Aldi Süd nur fünf und Aldi Nord nur zwei Sorten. Schlankes Sortiment und Fokussierung auf populäre Ware bringen einen Produktivitätsfaktor, weil pro Artikel in einem Geschäftsjahr höhere Erlöse erwirtschaftet werden. Metro und Tengelmann bringen es im Schnitt auf jährlich rund 500 Euro pro Produkt, Aldi Süd schafft einen Spitzenwert von 5500 Euro. Bei Fruchtsäften hat Aldi zwischen 17 und 30 verschiedene Artikel in den Regalen, Rewe und Edeka bis zu 128 Sorten. Dennoch hat es Aldi auf einen Marktanteil von 29% gebracht. Einfaches Einkaufen (leicht zu findende Produkte) ist für die Kunden ebenfalls wichtig, Lidl und Aldi erhalten hier Spitzenwerte.
Zudem ziehen die Billigketten alle Bevölkerungsgruppen an, bei Aldi und Lidl shoppen Beamte, Arbeiter oder Angestellte zu ähnlich hohen Anteilen, die Discounter sind daher echte Volksläden. Hinzu kommen Innovationen wie 1997 der Verkauf von PCs, der dazu führte, dass sich die Kunden um die Produkte prügelten.
2006 erhöhte die Gewerkschaft ver.di den Druck auf Lidl. In einem Schwarzbuch wurden die Arbeitsbedingungen in 20 europäischen Ländern wie gnadenlose Arbeitshetze, chronische Unterbesetzung, geringe Einkommen und schikanöse Kontrollen angeprangert. In Spanien arbeitete Lidl mit einer rechtslastigen Sicherheitsfirma zusammen, und in Frankreich führte die scharfe Videoüberwachung zu vereinzelten Streiks.