Uns geht es wunderbar», jubiliert Marlyse Amstutz vom Secondhand-Shop Fizzen in Zürich. Der Umsatz sei in den letzten vier Jahren kontinuierlich gestiegen, Zahlen nennt sie allerdings keine. Im Fizzen gibts zur Hauptsache «original Secondhand» aus den 70er Jahren. Die Nabholz-Trainerjäggli, Ledermäntel und gestrickten Rollkragenpullover werden bei Sortierwerken in Holland oder Belgien eingekauft und lastwagenweise in die Schweiz gekarrt. Den ersten Fizzen eröffnete die Vintage Textile GmbH in Bern. Heute gibt es drei weitere in Zürich, Luzern und Basel.
Fizzen ist keine Ausnahme: Der Handel mit Gebrauchtwaren floriert generell. Allein im Kanton Zürich gibt es laut dem Secondhand-Guide des WWF Zürich im Internet rund 650 Gebrauchtwaren-Händler aller Art. Gut läuft das Geschäft nicht nur mit Kleidern, sondern auch mit gebrauchten Computern, Möbeln oder Autos, wie eine Umfrage ergab. Auch Hanspeter Hürlimann, Geschäftsführer des Zürcher Brockenhauses, blickt auf ein «sehr gutes Geschäftsjahr» zurück mit einem Umsatz von 2,6 Mio Fr.
Der Grund ist klar: «Die Leute und die Unternehmen sind momentan knapp bei Kasse», bringt es Thomas Rudolph vom Institut für Marketing und Handel an der Uni St. Gallen auf den Punkt. Doch auch die Tatsache, dass die Mittelschicht abnehme, komme dem Handel mit Gebrauchtwaren längerfristig entgegen, meint er.
Käuferschaft achtet auf die Qualität
Die Secondhand-Händler sind indes auch darauf angewiesen, dass sie gute Ware bekommen. «Je besser die Ware, desto besser der Umsatz», weiss etwa Christine Friedmann von den Caritas-Läden Zürich. Die Caritas macht mit fünf Läden in der Stadt gut 1 Mio Fr. Umsatz und schreibt schwarze Zahlen.
Für ihr Umsatzplus von 20% will Manuela Zamuner, Inhaberin des Secondhand-Kleiderladens Déjà vu in Zürich, denn auch weniger die Wirtschaftslage verantwortlich machen, sondern ihr unternehmerisches Know-how. «Früher waren Kleiderbörsen ein Hausfrauen-Business, heute muss man mehr investieren», sagt sie. Sie hat im letzten Jahr auf EDV umgestellt, den Laden renoviert und lässt ihre Angestellten Verkaufskurse besuchen: «Der Service muss stimmen, Beratung wird immer wichtiger.»
Der Boom im Secondhand-Bereich ist also nicht nur auf Krise und preisbewusste Kundschaft, sondern auch auf die Professionalisierung der Branche zurückzuführen. Davon ist auch Claudia Schneider, Chefin des Secondhand-Shops Razzo im Zürcher Niederdorf überzeugt. Seit dem Start 1979 ist der Umsatz konstant gestiegen, eben wurde umgebaut. Wie in der Branche üblich nimmt Razzo getragene Kleider von privaten Lieferantinnen in Kommission. Der Erlös wird meist zur Hälfte geteilt. Schneider sieht sich nicht als Profiteurin der Wirtschaftsflaute. Vielmehr zahle sich die jahrelange, genaue Arbeit aus.
«Das ist kein Business für arme Leute», meint der Zürcher Stephan Nyffenegger vom Secondhand-Möbelgeschäft Individum, der gar steigende Preise konstatiert. In der Tat werden unter den Labels Retro- oder Vintage-Style manche Klassiker seien es Möbel- oder Kleider zu recht lukrativen Preisen verkauft verglichen mit Brockenhaus-Preisen. Secondhand ist eben auch «in».
Secondhand ist Salonfähig geworden
So gehören Popstars wie die Tears-Girls und Kultsänger Marylin Manson zur Kundschaft von Fizzen, während sich Patty Boser im TV als Secondhand-Shopperin outet. Secondhand sei salonfähiger geworden, das bringe eine neue Klientel, sagt Amstutz von Fizzen. Mütter kämen mit Töchtern, «und Girls von der Bahnhofstrasse kaufen heute auch ungeniert einen Teil bei uns».
Doch nicht alle Gebrauchtwaren-Shops laufen gut. So beklagt Maria Ackermann, die seit 30 Jahren in Zürich die «Agnes Kleiderbörse» für Designermode führt, das schlechteste Jahr ihres Ladens. «Wir verkaufen Luxusmode, und die läuft im Moment harzig», sagt sie. Trotzdem gehen in ihrem Laden innerhalb einer Stunde eine Louis-Vuitton-Tasche für 220 Fr. (Neupreis 900 Fr.) weg und eine Mon-Clair-Skijacke für 220 Fr. (neu 600 Fr.).
Auch für manche Unternehmen ist der Kauf von Secondhand-Ware längst kein Tabu mehr. So gibt es einen regelrechten Boom auf Occasions-Rechner, weil sich manche Firmen Neuanschaffungen momentan nicht leisten können. Und Möbelhändler Nyffenegger hat bereits mehrere Zürcher Restaurants und Architekturbüros mit Secondhand-Mobiliar ausgestattet: «Das ist nicht immer eine Frage des Budgets. Gebrauchtes Holz oder Leder hat einfach einen besonderen Charme», sagt er. Die Kundschaft von Gebrauchtwaren-Shops dürfte also weiter wachsen nicht nur wegen und während der aktuellen Wirtschaftsflaute.