Die steigenden Rohstoffpreise beenden jetzt die Ära der Preissenkungen bei Lebensmitteln. «Wir stehen an einer Trendwende», bestätigt Franz Schmid, Co-Geschäftsführer der Föderation der Schweizerischen Nahrungsmittel-Industrien (Fial).
Ursachen dafür gibt es gleich mehrere: Bei der Milch etwa explodiert die Nachfrage aus Ländern wie China, Indien, Russland und Brasilien, während in gewissen Lieferantenländern die Produktion dramatisch eingebrochen ist. «Als Folge einer Dürre sind die Herdenbestände in Australien massiv dezimiert worden, und das global handelbare Milchpulver ist äusserst knapp geworden», erklärt Emmi-Sprecher Stephan Wehrle.
*Konkurrenz durch Ethanol*
Die Rohstoffpreise für Lebensmittel tendieren auf breiter Front aufwärts. Betroffen sind nicht nur Milchprodukte, sondern auch Getreide, Ölsaaten, Kakao und Kaffee. «Der Einstandspreis für importiertes Weichweizenmehl beispielsweise ist exorbitant gestiegen», weiss Schmid.
Die Nahrungsmittelproduktion steht zudem immer stärker in Konkurrenz mit der Bioenergieproduktion. «Vor allem bei Getreide und Ölsaaten wirkt die zunehmende Verarbeitung zu Ethanol preissteigernd», präzisiert Schmid.Er verweist auf die Prognosen der Experten der OECD. Ihnen zufolge müssen wir uns für die nächsten Jahre auf ein signifikant höheres Preisniveau für Agrarrohstoffe einrichten.
Hinzu kommen noch einheimische Faktoren. Die ab Januar 2008 höhere Schwerverkehrsabgabe etwa verteuert den Transport. Auch für Energie, Personal und Lebensmittelsicherheit müssen die Händler künftig mehr ausgeben. «Diese Kosten können nicht immer durch Produktivitätsfortschritte aufgefangen werden», sagt Davide Elia, Pressesprecher des Fleischverarbeiters Bell.
Da die Gewinnspanne im Lebensmittelhandel knapp ist und die Umsatzrendite im Schnitt bei 1 bis 2% liegt, lässt sich ziemlich sicher vorhersagen, dass der Konsument am Ende die Zeche bezahlen wird. «Wir gehen klar davon aus, die Milchpreiserhöhungen am Markt durchsetzen zu können», sagt Emmi-Sprecher Wehrle. Er rechnet damit, dass der Detailhandel die höheren Preise etappiert und nach Produkten differenziert auf den Konsumenten überwälzen wird. Migros und Coop haben bereits klare Signale in diese Richtung ausgesendet (siehe auch «Handelszeitung» Nr. 30 vom 25. Juli 2007).
Noch will keiner der grossen Detailhändler den ersten Schuss abfeuern. Das Thema ist im Moment so heiss, dass Migros-Chef Herbert Bolliger gegenüber der Presse Funkstille verordnet hat. Über Kommunikationschefin Monica Glisenti lässt er ein «no comment» verlauten. Auch Aldi Suisse will, nachdem der Discounter in Deutschland als erster Anbieter die Preise für Milchprodukte und Konserven deutlich angehoben hat, noch keine Details nennen. «Allfällige Preiserhöhungen kommunizieren wir erst zum gegebenen Zeitpunkt», sagt Sprecher Sven Bradke.
Beim Nahrungsmittelmulti Nestlé heisst es: «Die deutlichen Preisanstiege bei den Rohstoffen werden sich mit Sicherheit auf unsere Produktpreise auswirken», sagt Firmensprecher Philippe Oertle.
*Denner: «Veränderung absehbar»*
Von den Preiserhöhungen werden verschiedenste Endprodukte betroffen sein: Frischmilch, Joghurt, Käse und Brot. Allein wegen des teureren Milchpulvers geraten auch Biscuits, Kindernährmittel und Schokoladen unter Druck. So liess Lindt & Sprüngli-CEO Ernst Tanner Mitte September gegenüber der «Bilanz» verlauten, dass die Preise ab 2008 um 6 bis 10% angehoben werden.
Bei der italienischen Pasta etwa, die aus ausländischem Hartweizen hergestellt wird, ist ein besonders deutlicher Preisschub zu erwarten. Doch Preisrunden dürfte es auch bei Kaffee, Bier und Nüssen geben. «Es ist absehbar, dass es bei einer grösseren Zahl von Produkten zu Veränderungen kommen wird», bestätigt Denner-Sprecherin Anita Däppen.
Nachgefragt
«Auch andere kommen nicht darum herum»
Wie können Sie die Preise bei Coop erhöhen und gleichzeitig verhindern, dass Ihre Kunden zu Harddiscountern wie Aldi überlaufen?
Jürg Peritz: Am Beispiel der Milchpreiserhöhungen von Aldi in Deutschland zeigt sich, dass auch andere nicht darum herumkommen. Wir werden alle Forderungen akribisch untersuchen und nicht zulassen, dass Lieferanten die Gunst der Stunde nutzen wollen, um ihre Renditen zu steigern. Wir werden nur dort die Verkaufspreise anheben, wo es wirklich unvermeidlich ist.
Wann erhöhen Sie die Preise?
Peritz: Wir haben eine Wahl: Durch Steigerung unserer Effizienz ist es uns möglich, Verkaufspreiserhöhungen zu verhindern. Dasselbe erwarten wir auch von den grossen international tätigen Lieferanten.
Wie geht es weiter?
Peritz: Mir fehlt die Kristallkugel. Aber wir setzen uns dafür ein, dass unsere Verkaufspreise so günstig wie möglich bleiben.