Es ist ein Lehrstück darüber, wie Bausparkassen, Kreditvermittler, Investmentbanker und Investoren die Welt sehenden Auges in eine Finanzkrise stürzten. Auf 71 Seiten zeichnet das US-Justizministerium nach, wie die Deutsche Bank von 2005 bis 2007 am zunehmend überhitzten US-Immobilienmarkt agierte. Justizministerin Loretta Lynch sieht das Geldhaus als einer der Hauptschuldigen am Zusammenbruch der Finanzmärkte: «Die Deutsche Bank hat nicht nur Anleger in die Irre geführt: sie trug auch direkt zu einer internationalen Finanzkrise bei», begründete sie die 7,2 Milliarden Dollar schwere Strafe für das grösste deutsche Finanzinstitut. Es ist der grösste Betrag, den eine einzelne Bank wegen der Tricksereien mit hochkomplexen Immobilien-Papieren (RMBS) stemmen muss.
Hausbesitzer leiden noch immer unter «Gier der Wall Street»
«Mit dem (...) Vergleich ist klar, dass Institutionen wie die Deutsche Bank sich ihrer Verantwortung für die hohen Kosten nicht entziehen können, der durch ihr Verhalten entstanden ist», erklärte Lynch. An die Staatskasse gehen 3,1 Milliarden Dollar. 4,1 Milliarden Dollar sollen nach dem Willen des Ministeriums an Hausbesitzer fliessen, die ihre Hypotheken nicht mehr zahlen oder bedienen können und damit «immer noch unter der Gier der Wall Street leiden», wie der stellvertretende Generalstaatsanwalt Bill Baer es ausdrückte.
Auch betroffenen Gemeinden soll die Deutsche Bank unter die Arme greifen und Hauskäufern neue Kredite geben. Wie das Geld verteilt wird, soll ein neutraler Aufseher überwachen. Die Deutsche Bank hat sich allerdings aus dem US-Immobilienmarkt bereits weitgehend zurückgezogen, wie Vorstandschef John Cryan betonte.
400'000 Kredite innert zwei Jahren
Immobilienbanken und Kreditvermittler hatten kurz vor der Finanzkrise massenhaft Hypotheken an Hausbesitzer vergeben, die sich diese mit ihrem Einkommen nicht hätten leisten können oder kaum kreditwürdig waren. Innerhalb von zwei Jahren kaufte die Deutsche Bank mehr als 400'000 dieser Kredite auf, bündelte und verpackte sie in Wertpapiere - sogenannte «Residential Mortgage Backed Securities (RMBS)» - und verkaufte sie an grosse Anleger weiter: von Wohltätigkeits-Organisationen über Pensionskassen bis hin zu den staatlichen Hypothekenbanken Freddie Mac und Fannie Mae.
Damit stieg die Deutsche Bank binnen zwei Jahren vom neunt- zum drittgrössten Emittenten von RMBS weltweit auf, wie es in einem «Tatsachenbericht» des US-Justizministeriums heisst. Mit dem Vergleich hat die Bank dessen Richtigkeit anerkannt.
Am Ende verloren alle
Am Ende verloren - bis auf die Deutsche Bank selbst - alle: Investoren ihr Geld, weil die Hypotheken reihenweise ausfielen, und Hausbesitzer, denen die Kreditaufnahme allzu leicht gemacht wurde, ihr Dach über dem Kopf. Dabei sei den Investmentbankern damals längst klar gewesen, dass sich das Rad am Immobilienmarkt immer schneller drehte. Die Banken hielten sich bei der Vergabe von immer mehr Krediten immer weniger an die üblichen Standards. «Die Deutsche Bank pumpte zig Milliarden Dollar in den Häusermarkt, obwohl sie wusste, dass er am Rand des Zusammenbruchs stand», stellten die US-Behörden fest.
Doch gegenüber den Investoren tat sie so, als wäre alles in Ordnung. Sie pochte darauf, dass sie die in die RMBS verpackten Kredite genau überprüft habe - wusste aber aus ihren eigenen Stichproben, dass viele der Kreditnehmer das geliehene Geld nie würden zurückzahlen können. Mehr noch: Sie verheimlichte den Investoren oft, dass auf den Häusern nicht nur eine Hypothek lastete, sondern gleich mehrere. Das verringerte nicht nur die Wahrscheinlichkeit einer Rückzahlung der Kredite deutlich, auch die vermeintlichen Sicherheiten, auf die die RMBS-Investoren sich verliessen, waren nichts wert. «In vielen Fällen waren die Objekte schon überschuldet, als das Wertpapier begeben wurde.»
Immer waghalsiger
Der «Tatsachenbericht» des Ministeriums zeichnet nach, wie die Deutsche Bank am Immobilienmarkt immer waghalsiger wurde. Sie habe gewusst, dass die Banken Kredite viel zu leichtfertig vergaben - «an jeden, der gerade noch ein Lebenszeichen von sich gab», wie ihre eigenen Leute es einmal formulierten. Und ihr sei klar gewesen, dass «unabhängige» Immobilien-Bewerter im Auftrag der Banken Mondpreise festsetzten, die bei einem Verkauf nie zu erzielen sein würden.
«Erst wenn die Ausfallraten anfangen, die Gewinne zu schmälern oder die Investoren zu schädigen, die die Papiere kaufen, wird die Wall Street etwas merken», zitiert das Ministerium einen Deutsche-Bank-Mitarbeiter. «Aber erst einmal kaufen wir weiter.» Denn, so der Bericht, je riskanter die Kredite tatsächlich waren, desto günstiger konnte die Bank sie aufkaufen. Die Investoren erfuhren davon natürlich - nichts.
(reuters/ccr)