Die Deutsche Bank zeigt Interesse an Teilen des pleitegegangenen Zahlungsanbieters Wirecard. «Wir sind eine der grössten Banken im Zahlungsverkehr weltweit. Das ist eine unserer Stärken, ein echtes Kerngeschäftsfeld», sagte Deutsche-Bank-Vorstand Fabrizio Campelli dem «Handelsblatt» in einem am Freitag veröffentlichten Interview. «Wenn sich hier also Gelegenheiten ergeben, uns zu verstärken, werden wir uns diese ansehen.»
Bereits am Donnerstag hatte die Deutsche Bank mitgeteilt, dass sie mögliche Hilfen für die Wirecard Bank prüft. Insidern zufolge bringt sich Deutschlands grösstes Geldhaus damit in eine gute Ausgangsposition für eine mögliche Übernahme des Instituts, das etwa so gross wie eine mittelgrosse Sparkasse ist. Tief in die Taschen müsste sie dafür wohl nicht greifen. Eine mit Wirecard vertraute Person sagte, der Buchwert der Bank liege bei rund 160 Millionen Euro. Dieser sei aber wohl nicht zu erzielen, sie werde voraussichtlich mit einem Abschlag verkauft.
Wirecard Bank verliert Partner
Die Wirecard Bank darf mit ihrer Vollbanklizenz alle Bankdienstleistungen anbieten. Sie ist im Gegensatz zu ihrer Mutter bisher nicht insolvent. Doch laufen ihr wichtige Partner davon – etwa Aldi Süd, die die Kreditkartenzahlungen ihrer Kunden seit einigen Tagen über den Konkurrenten Payone abwickelt. So ist die mögliche Hilfe der Deutschen Bank auch ein Signal an die Kunden, bei der Wirecard Bank an Bord zu bleiben.
Der Dax-Konzern war erst vor kurzem in das Geschäft von Wirecard mit Händlern vorgedrungen, indem er gemeinsam mit dem Zahlungsabwickler First Data («TeleCash») Kassenterminals für kleine Händler wie Bäcker oder Kioske anbietet.
Umsatz und Gewinn aufgebläht
Der Wirecard-Konzern musste vor gut einer Woche Insolvenz anmelden, nachdem ein milliardenschwerer Bilanzskandal aufgeflogen war. Die Behörden gehen davon aus, dass die Bilanzen spätestens seit 2016 falsch sind und Wirecard Umsatz und Gewinn durch vorgetäuschte Einnahmen aufgebläht hat. Es gibt jedoch Anzeichen, dass der Betrug schon Jahre zuvor begann.
Der Fall des Konzerns erinnert an frühere Skandale: Erneut waren Hunderte Finanzprofis nicht in der Lage, die trüben Seiten zu erkennen. Den Kommentar von «Handelszeitung»-Chefökonom Ralph Pöhner lesen Sie hier.
Kritiker werfen insbesondere der Finanzaufsicht Bafin vor, zu lange weggeschaut zu haben. Das Bundesfinanzministerium arbeitet eigenen Angaben zufolge mit Hochdruck an einem Konzept zur Überarbeitung der Finanzaufsicht. Es werde vorgestellt, sobald es fertig sei, sagte eine Sprecherin. Dies solle in den nächsten Tagen der Fall sein.
Finanzminister Olaf Scholz hat bereits betont, die Bafin müsse künftig in der Lage sein, kurzfristig und effizient Sonderprüfungen durchführen zu können. Experten erwarten, dass das Aufgabenfeld der Bonner Behörde ausgeweitet werden dürfte und Scholz in Europa ähnliche Strukturen anstreben wird. Auch die Kontrolle der Wirtschaftsprüfer steht in der Kritik.
Gläubiger dürften nur Bruchteil zurückbekommen
Wirecard hatte jahrelang ein rasantes Wachstum und sprudelnde Gewinne vorgegaukelt. 2018 schaffte der Zahlungsanbieter aus Aschheim bei München den Sprung in den Leitindex Dax. Zu Hochzeiten wurde der gesamte Konzern an der Börse mit fast 25 Milliarden Euro bewertet, die Aktie handelte bei knapp 200 Euro. Anleger und Investoren haben nun durch den Zusammenbruch des Unternehmens massive Verluste erlitten.
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Die gesamten Vermögenswerte des Konzerns könnten bei einem Verkauf mit 400 bis 500 Millionen Euro bewertet werden, sagte die mit Wirecard vertraute Person. Dem stehen Verbindlichkeiten von 4 Milliarden Euro gegenüber, die Gläubiger dürften also nur einen Bruchteil ihres Geldes zurückbekommen.
Herbe Verluste mit Wandelanleihe
Viele Investoren einer 900 Millionen Euro schweren Wirecard-Wandelanleihe wollen ihre Papiere nur noch losschlagen. Die bisherigen Halter der Wandelanleihen müssen sich bei einer für den kommenden Mittwoch anberaumten Auktion, die von der Credit Suisse gemanagt wird, auf herbe Verluste einstellen.
Im Strudel der Wirecard-Insolvenz stürzte das 2024 auslaufenden Papier um etwa 85 Prozent ab. Die Wandelanleihe war Teil eines komplexen Geschäfts des japanischen Technologieinvestors Softbank. Statt direkt eine Beteiligung an Wirecard zu erwerben, hatte Softbank Anleihen gekauft, die in Wirecard-Aktien gewandelt werden konnten. Die Wandelanleihe verkaufte Softbank dann mit Gewinn an andere Investoren weiter.
(awp/gku)