Dieser Willy Bogner. Er stürzte sich als junger Olympiateilnehmer noch die steilsten Skipisten hinunter. Er machte mit seinen Filmen den Extremsport populär. Er schaffte es, den elterlichen Bekleidungsbetrieb als Ausstatter des Jetsets auf den Hängen von Aspen, Davos und St. Moritz zu etablieren.
Der Mann hat viel erreicht. Und deswegen bewahrt er Ruhe, wenn in diesem Jahr wieder einmal über seine Olympiamode gelästert wird. «Wir haben etwas modisches Risiko gewählt», sagt Bogner zu den papageienbunten Jacken und Hosen, mit denen die deutschen Olympiateilnehmer in das Stadion von Sotschi einmarschierten. Wichtig sei es, sich optisch durchzusetzen. Und «das», so Bogner, «ist uns gelungen».
Bogner gehört zu den Olympischen Winterspielen wie der Schnee auf der Skipiste. Seit dem Jahr 1936 liefert der Münchener Bekleidungshersteller den Look, in dem die deutschen Olympiastarter sich im Stadion präsentieren. Nicht immer schrill und bunt ging es dabei zu. Aber oft.
Willy Bogner wusste die Chance zu nutzen, um aufzufallen. «Es ist die grösste Modenschau der Welt», pflegt der 72-Jährige zu sagen. Geschätzte zwei Milliarden Menschen sahen die Eröffnungsshow, mehr als jeder vierte Erdenbürger.
Eine Modenschau zum Spottpreis
Bogner hatte bei der Eröffnungsfeier der Spiele von Sotschi einen grossen Auftritt. Und er braucht ihn noch nicht einmal in Gänze aus eigener Tasche zu bezahlen. Im Gegensatz zu Adidas und Sioux, die ebenfalls Ausrüster des Olympiateams sind, stellt Bogner seine Ausrüstung nicht kostenfrei zur Verfügung.
Nach Informationen der «Welt» bekommt er vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) sogar ein Drittel der Kosten erstattet, die unter anderem für Jacken, Hosen und Mützen Bogners anfallen. Die grösste Modenschau der Welt? Bogner bekommt sie zum Spottpreis.
Das überrascht. Unternehmen ist es sonst hohe Summen wert, sich bei den Olympischen Spielen in Szene setzen zu dürfen. Zwei bis dreistellige Millionenbeträge sollen es sein, die offizielle Sponsoren des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) entrichten. Und die Summen, mit denen die Sportartikelkonzerne Adidas, Nike und Pumaum führende Fussballmannschaften konkurrieren, sind in der Regel stolz.
Warum also muss Bogner für die Ausstattung eines bedeutenden olympischen Teams, das in der ersten Olympiawoche eine Goldmedaille nach der anderen gewann und das auch sonst stets zu den weltbesten gehört, nicht einmal die Kleidung bezahlen?
Bogners Netzwerke sind hervorragend
In der Branche staunt man über die Konditionen. «Wer das deutsche Olympiateam ausstattet, der bekommt viel Aufmerksamkeit. Dafür würden viele Marken sehr viel Geld bezahlen», sagt Sebastian Uhrich vom Institut für Sportökonomie und Sportmanagement der Deutschen Sporthochschule Köln. «Der Deutsche Olympische Sportbund muss sich fragen, ob er denn gut verhandelt, wenn er teilweise Geld für die Bekleidung der Sportler zahlen muss.»
Wer der Frage nachspürt, wie Bogner sich so lange als Ausrüster des Olympiateams halten konnte, der kommt nicht umhin, sich seine Netzwerke anzuschauen. Sie sind hervorragend. Der Mann, der mit seinen Filmen wie «Feuer und Eis» in den 80er-Jahren den Extremsport populär machte, verkehrt zwischen München und St. Moritz im Jetset. Seine Frau Sônia und er sind gern gesehene Gäste in einflussreichen Kreisen.
Besonders tief reichen Bogners Netze in die Sportwelt. Schon als junger Mann pflegte er enge Kontakte mit dem Nationalen Olympischen Komitee und dem Deutschen Skiverband. Bei zwei Gelegenheiten nahm er als junger Mann an Olympischen Winterspielen teil – damals noch mit Pudelmütze und Norwegerpullover statt im hautengen Skianzug. Anfang der 60er-Jahre hatte er einen Ruf, wie ihn später Boris Becker in den 80er-Jahren erhalten sollte: Er galt als Wunderkind des deutschen Sports.
Bis heute sind die Kontakte intakt geblieben. Voriges Jahr wurde dem Unternehmer mit viel Pomp im Berliner Hotel «Adlon» die «Goldene Sportpyramide» verliehen. Sternekoch Kolja Kleeberg versorgte die Gäste, darunter Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, kulinarisch mit einer Live-Kochshow. Bogner ist fortan ein festes Mitglied in der Ruhmeshalle der deutschen Sportgrössen, die derzeit nur 76 Namen beinhaltet.
Erstverhandlungsrecht für bestehende Partner
Der Unternehmer stand seit je im Ruf, nicht nur seine künstlerischen, sondern auch seine sportlichen Ambitionen geschickt mit seinem Unternehmen zu vereinen. Er leitete zeitweise das Komitee, das die erfolglose Münchener Bewerbung für die Olympischen Winterspiele 2018 vorantrieb.
Schon da war ihm vorgeworfen worden, an den Olympischen Spielen im eigenen Land am Ende auch selbst verdienen zu wollen. «Der Bogner ist bestens mit den Funktionären verdrahtet», heisst es in der Sportbranche.
Netzwerke und persönliche Kontakte – das ist die wichtigste Währung im Sport-Business. Wenn Funktionäre und Manager der Sportartikelindustrie über Ausrüsterverträge verhandeln, dann geht es nicht immer nur ums Geld. Langjährige Beziehungen helfen auch weiter.
Von einem «moralischen Erstverhandlungsrecht für bestehende Partner» ist beim Deutschen Skiverband die Rede, mit dem Bogner auch im Geschäft steht. «Es hilft immer, wenn man zum Telefon greifen und die verantwortlichen Personen selbst anrufen kann», sagt ein Branchenmanager, der nicht namentlich genannt werden möchte, über diese Verhandlungen.
Auch Adidas setzt sich beharrlich gegen Nike durch
Bogner hat die Telefonnummern. Etwa die von Alfons Hörmann. Der war bis Dezember vergangenen Jahres Chef des Deutschen Skiverbands und stieg dann zum Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbunds auf. Mit dem Deutschen Skiverband ist Bogner schon seit Jahrzehnten aufs Engste verbunden. Bogner stattet die deutschen Alpin-Skifahrer mit Rennanzügen aus. Insider verorten den Ausrüstervertrag im Millionen-Euro-Bereich.
Bogner ist als Ausrüster der deutschen Alpin-Ski-Mannschaft gesetzt. Der Verband sondierte zwar in den vergangenen Jahren, ob es weitere Interessenten im Markt gibt. Doch in der Branche wird geklagt, ein wirklicher Wille, den Ausrüster zu wechseln, sei nicht zu erkennen gewesen.
So ist es nicht überraschend, dass sich der Verband vor einigen Wochen mit Bogner auf eine Fortsetzung der Partnerschaft bis 2018 verständigte. «Entscheidende Kriterien sind die Qualität der Ausrüstung, Ausrüstungsumfang, Passform und Produktionsgenauigkeit, Betreuung und ein dem Werbewert entsprechender Sponsoringbeitrag», erklärt Walter Vogel, Geschäftsführer der DSV Marketing GmbH, die für den DSV die Verhandlungen führt, gegenüber der «Welt».
Die Transparenz von Entscheidungen darüber, wer Ausrüster eines Sportverbands werden darf, ist nicht nur im Wintersport gering. So kann sich Adidas auch als offizieller Ausrüster des Deutschen Fussball-Bundes (DFB) beharrlich gegen den US-Rivalen Nike durchsetzen – auch wenn dieser dem Vernehmen nach höhere Summen für das Engagement bietet. Der DFB sagt: Nicht allein das Geld, sondern auch die Qualität der Produkte sowie das Unternehmensimage seien entscheidende Kriterien bei der Auswahl von Ausrüstern.
Es gebe keine Abonnement, sagt Bogner
Der Deutsche Olympische Sportbund ist gesetzlich verpflichtet, Aufträge auszuschreiben. Einen Text der Ausschreibung kann er aber auf Anfrage der «Welt» nicht zur Verfügung stellen. Der DOSB erklärt, er führe «immer wieder» Gespräche mit anderen Ausrüstern, diese hätten aber nie zu einem «akzeptablen Angebot» geführt.
Den Prozess überwache ein Anwalt. Willy Bogner selbst sagt gegenüber der «Welt»: «Es gibt kein Abonnement.» Alle vier Jahre sei er erneut im Ausschreibungsprozess dem Wettbewerb ausgesetzt.
Der Deutsche Olympische Sportbund wehrt sich gegen den Verdacht, er bevorzuge Bogner. «Die Einkleidung der Olympiamannschaft ist ein schwieriges Spezialgeschäft», erklärt der Verband. Nicht ohne Grund: Welche Sportler tatsächlich zu den Olympischen Spielen fahren dürfen, steht oft erst kurz vor Beginn der Einkleidung fest.
Wer die Aufgabe übernimmt, Jacken und Hosen zu schneidern – davon viele in Sondergrössen –, muss schnell reagieren. Bogner schafft das. Er lässt die 400 Garderoben in seiner Musterwerkstatt anpassen, um rechtzeitig liefern zu können.
Bogner stattete auch die Sommerspiele 2012 aus
Der DOSB kann darauf verweisen, dass sich für ihn bislang wenige Optionen hervorgetan haben. Für die Olympischen Sommerspiele 2012 in London suchte der Verband zuletzt Partner, die die bisherigen Ausstatter Bäumler und Betty Barclay ersetzen konnten.
Die Ausschreibung habe ergeben, «dass kein Unternehmen in der Lage und willens war, ein Angebot für das schwierige Geschäft der Ausstattung der Olympiamannschaft abzugeben», teilt der DOSB mit. Am Ende erhielt Bogner den Zuschlag für seine erste Olympia-Sommerkollektion.
Das mangelnde Interesse dürfte auch damit zusammenhängen, dass der DOSB nur wenigen Unternehmen ein attraktives Angebot machen kann. Wer die Einmarschkleidung der Olympiateilnehmer stellt, muss sich die Rolle mit dem Sportartikelhersteller Adidas teilen.
Die Herzogenauracher stellen mit den Trainingsjacken und Hosen den überwiegenden Teil der Kollektion, die Sportler unter anderem im olympischen Dorf tragen müssen. Direkte Wettbewerber von Adidas bemühen sich also erst gar nicht um den Ausrüstervertrag.
Die Branche lästert über eine kastrierte Kollektion
Viele mögliche Interessenten schrecken zudem die restriktiven Regeln ab. So darf das Firmenlogo auf den Jacken beim Einmarsch allenfalls nur klein zu sehen sein. Über eine «kastrierte Kollektion» wird in der Branche gelästert.
Doch der DOSB muss sich die Frage gefallen lassen, ob er denn die Rechte energisch genug vermarktet. Immerhin sind ja auch öffentliche Gelder mit im Spiel. Die deutsche Olympiamission in Sotschi etwa kostet unter dem Strich 6,4 Millionen Euro. Mehr als die Hälfte dieses Betrags kommt aus dem Topf der Bundesregierung.
Die Bundesregierung drängt die Wirtschaft dazu, ihr Engagement zu verstärken. Die öffentlichen Zuwendungen will man nämlich nicht erhöhen. «Es wäre wünschenswert, dass die Wirtschaft ihre bisherige Unterstützung für den Sport weiterverfolgt und sogar ausbaut», erklärt das Bundesinnenministerium auf Anfrage der «Welt». Und «allein aus Steuergeldern kann der ständig wachsende Bedarf des Spitzensports in der Breite nicht finanziert werden.»
Allein der Bogner-Schal kostet 79,90 Euro
Sollte der Druck auf Bogner steigen, eine höhere Selbstbeteiligung zu leisten, er könnte ihm nachgeben. Immerhin haben die Olympischen Spiele für den Unternehmer einen enormen Wert. Es reicht ein Besuch in einem seiner Ladengeschäfte, um das zu sehen.
In München etwa ist Bogner direkt gegenüber der Staatsoper vertreten, allerbeste Lage. Schaufensterpuppen tragen die Jacken und Hosen des deutschen Olympiateams. Für Jacke und Hose sind in Summe 2198 Euro fällig. Allein der Schal kostet 79,90 Euro. Doch es finden sich viele Käufer. «Der Verkauf der Olympia-Kollektionsteile verlief sehr erfolgreich», erklärt das Unternehmen Bogner.
Auch mit dem grundsätzlichen Geschäft ist man zufrieden. Im vergangenen Jahr konnte er den Umsatz von 180 auf 188 Millionen Euro steigern – und das, obwohl der vergangene Winter zwar lange anhielt, dafür aber auch erst sehr spät einsetzte.
Dass Bogner seine zentrale Rolle als Ausrüster des Einmarschs der Olympiasportler verlieren könnte, darauf deutet bislang wenig hin. Die «Welt» befragte zahlreiche Unternehmen der Branche. Keines gab an, aktiv über eine Ablösung Bogners zu verhandeln oder auch darüber nachzudenken. Warum auch?, fragt ein Branchenvertreter rhetorisch: «Gegen ihn hat man ohnehin keine Chance.»
Dieser Artikel ist ursprünglich in unserer Schwester-Publikation «Die Welt» erschienen.