Der Markteintritt von Mister Spex war typisch für den Online-Brillenhändler: Ohne grosses Werbetamtam schaltete die Gruppe um Firmengründer Dirk Graber (siehe Bild unten) Anfang April die lokalisierte Webseite Misterspex.ch auf. Ab sofort bietet sie Markenbrillen mit Gläsern zu Kampfpreisen ab 60 Franken an.
Das Sortiment von Markenbrillen und Kontaktlinsen ist riesig – 7000 Artikel umfasst es. Seit 2008 fährt Mister Spex einen aggressiven Wachstumskurs, expandierte nach Deutschland früh auch in Österreich, Frankreich, Grossbritannien und Spanien. Nun ist der laut Graber «sehr attraktive» aber auch «anspruchsvolle» Schweizer Markt an der Reihe.
Per Webcam «anprobieren»
Die Brillen kann man auch per Webcam «anprobieren» und wer seine Augenwerte kennt (die jeder Optiker seinen Kunden aushändigen muss), kann schnell online zugreifen, verschickt werden die Bestellungen mit der Schweizer Post.
Letztes Jahr erzielte Mister Spex nach eigenen Angaben einen Umsatz von 65 Millionen Euro, zählt europaweit über 1,5 Millionen Kunden und beschäftigt rund 300 Mitarbeitende. Durch die konsequente Ausrichtung aufs Internet und Grossmengen ist der Konzern in der Lage, mit seinen Preisen für gehörig Wettbewerb bei der Konkurrenz zu sorgen. Anders als etwa Hard-Discounter McOptik setzt Mister Spex ausschliesslich aufs Web als Verkaufskanal.
Zerstrittene Branche
Dass Mister Spex in die Schweiz kommt, war für Insider der Schweizer Optikerbranche nur eine Frage der Zeit. Die Szene ist in Aufruhr, nicht nur wegen der neuen Konkurrenz im Web. Jahrelang nahm der Schweizer Optikerverband SOV für sich in Anspruch, die gesamte Branche zu repräsentieren. Bis es Anfang diesen Jahres zum öffentlichen Bruch kam: Die fünf grössten Anbieter im Schweizer Markt, darunter Fielmann, Kochoptik, McOptik und Visilab, gründeten einen Konkurrenzverband, den Augenoptik Verband Schweiz AOVS.
Durch den Zusammenschluss hoben die Schwergewichte mit dem AOVS eine Truppe aus der Taufe, die zwei Drittel aller Beschäftigten der Branche repräsentiert. Entsprechend selbstsicher preist man sich in Bundesbern als «Ansprechpartner für nationale wie auch kantonale Gesundheits- und Berufsbildungsbehörden» an, da man «massgeblich von Entscheidungen auf politischer Ebene betroffen» sei.
Bruch wegen des «Diplomstreits»
Der Bruch zwischen den grossen und kleinen der Branche wurde auch im März offensichtlich, als das Bundesverwaltungsgericht im so genannten «Diplomstreit» mit einem Urteil ein Machtwort sprach (Urteil siehe Downloads).
Was ist geschehen? Bis zur Einführung der Optometristen-Ausbildung an der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW auf Bachelor-Stufe war es auch Augenoptikern mit einem in Deutschland erworbenen Meistertitel ohne weitere fachliche Prüfung möglich, hier in der Schweiz selbstständig als Augenoptiker zu arbeiten. Dazu hatten sich die beiden Staaten in einem alten Staatsvertrag von 1937 verpflichtet.
Absage an Marktabschottung
Nachdem die Schweiz das Bachelor-Studium einführte, glaubte das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) von Bundesrat Johann Schneider-Ammann unter gütiger Unterstützung der hiesigen Optikerbranche, nicht mehr an den Staatsvertrag gebunden zu sein und erlaubte die Berufsausübung nur noch unter erheblichen Schikanen. Und dies, obwohl in der Schweizer Optikerbranche ein Fachkräftemangel herrscht, der vor allem die Grossen trifft.
Kochoptik, Fielmann, Visilab und Co. zogen mehr als zehn solcher SBFI-Entscheide vor Gericht und bekamen im März vom Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen recht. Die SBFI-Beamten, so die Richter in der Ostschweiz, begingen eine Vertragsverletzung, indem sie meinten, man könne einfach einen Staatsvertrag mit neuen Ausbildungsformen aushebeln. Das Urteil wird vom SBFI nicht angefochten, ist damit rechtskräftig und eine empfindliche Niederlage für das Amt. Das Urteil ist eine klare Absage an Marktabschottung und Gartenhag-Denken.
Margen erodieren weiter
Die Optikerbranche steht in der Schweiz seit längerer Zeit im Umbruch. Wird Mister Spex von den Kunden hier so akzeptiert wie im Ausland, dürfte der Eintritt der Deutschen für zusätzlichen harten Wettbewerb mit entsprechend erodierenden Margen sorgen. Bereits der Eintritt von Discountern wie Fielmann setzte sie gehörig unter Druck.