Heino von Prondzynski ist Chef einer der grössten Schweizer Firmen. Mit 7,8 Mrd Fr. Umsatz und einem Betriebsgewinn von fast 1,7 Mrd Fr. wäre er selbst im Blue-Chip-Börsenindex SMI eine grosse Nummer. Zumal «sein» Unternehmen mindestens 35 Mrd Fr. wert ist, wenn man die börsenkotierte Konkurrenz zum Vergleich heranzieht. Nur, wer ist Prondzynski?

Der CEO von Roche Diagnostics ist einem breiteren Publikum unbekannt, weil er «bloss» eine Division von Roche leitet. Aber was für eine Division: «Wir haben einen Marktanteil von 21%», sagte der 56-jährige Deutsche an der Bilanzmedienkonferenz von Roche. Die Nummer zwei der Branche, Abbott, komme auf 12%.

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Und den Abstand will man halten: «Wir geben doppelt so viel für Forschung und Entwicklung aus wie die Nummer zwei.» Auch punkto Profitabilität kann sich sein Vorgesetzter, Roche-Chef Franz Humer, nicht beklagen: «Bei der Ebitda-Marge sind wir 13 Prozentpunkte besser als der nächst beste Wettbewerber. Beim Betriebsgewinn sind es ungefähr 9 Prozentpunkte», so Prondzynski.

Er betont zudem, dass Roche Diagnostics «auf sehr gutem Weg» sei, das Ziel einer Betriebsgewinnmarge von rund 23% im Jahre 2006 zu erreichen. Letztes Jahr blieben von 100 Fr. Umsatz noch 21.40 Fr als Betriebsgewinn zurück. Und natürlich wolle man 2005 auch «das siebte Jahr in Folge über dem Markt wachsen».

Mit grosser Kelle angerührt

Um zum weltgrössten Diagnostik-Unternehmen zu werden, hat Roche in der Vergangenheit mit der grossen Kelle angerührt: Letztes Jahr wurde etwa der Kauf der US-Biotechnologiefirma Igen abgeschlossen. Durch die 1,9 Mrd Fr. teure Übernahme beendete Roche einen Patentstreit mit Igen und sicherte sich den Zugang zum Wachstumsmarkt Immundiagnostik. Ein Jahr zuvor erwarben die Basler die Insulinpumpenfirma Disetronic für 1,2 Mrd. Fr. Roche, die bereits stark in der Blutzuckermessung war, wollte sich in einen ganzheitlichen Diabetes-Anbieter mausern, um dem Endziel einer künstlichen Bauchspeicheldrüse näher zu kommen. Darunter versteht man eine Pumpe, die konstant Blutzuckerwerte misst und bei Bedarf automatisch Insulin in den Blutkreislauf abgibt.

Den Grundstein für die Marktdominanz hatte Roche aber bereits 1997 mit der Milliarden-Akquisition des Diagnstostik- und Pharmaunternehmens Boehringer Mannheim gelegt. Doch was hat Roche veranlasst, den Ausbau der Diagnostikdivision so stark zu forcieren? Die Basler bezeichnen sich nach dem Verkauf der Vitaminsparte und des Selbstmedikationsgeschäfts oft und gerne als «eines der am klarsten fokussierten Healthcare-Unternehmens». Dabei hat die Diagnostik nichts mit dem klassischen Pharmageschäft gemein. Doch Roche argumentiert, dass das Unternehmen das ganze Gesundheitsspektrum abdecken will: Von der Identifikation von Krankheitsveranlagungen über Tests für Patientengruppen mit erhöhten Krankheitsrisiken, der Prävention und Diagnose bis zur Therapie und Therapieüberwachung. Das tönt gut, zumindest auf dem Papier. Die tatsächlichen Synergien lassen sich von aussen aber kaum beurteilen, weil sie auch Prondzynski selbst vor allem in der Frühphase der Forschung sieht etwa im Krebsbereich. Allerdings sind Forschung und Entwicklung der beiden Divisionen nur im deutschen Penzberg auch wirklich unter einem Dach.

Wie gross sind die Synergien?

Auch offensichtliche Vorteile der Kombination Diagnostik Pharma fehlen bisher. Zum Beispiel im wichtigsten Geschäftsbereich Diabetes Care: Roche stellt zwar Blutzuckermessgeräte und Insulinpumpen her. Aber Insulin bieten die Basler nicht an und können damit kein umfassendes Produktepaket für Diabetiker schnüren.

Doch Roche strebt nach höherem und will dank seiner zwei Divisionen zum Führer in der so genannten «Personalized Healthcare» werden. So hat die Einführung des DNS-Chips AmpliChip CYP450 im vergangenen Jahr aufhorchen lassen. Er ist ein erster Schritt in Richtung einer massgeschneiderten Therapie. Der Chip kann jene 10 bis 15% der Menschen diagnostizieren, deren Stoffwechsel gewisse Medikamente zu schnell oder zu langsam aufnimmt. Wenn die Dosis nicht angepasst wird, ist die Therapie wirkungslos oder sogar gefährlich. Roche Diagnostics hat bereits weitere DNS-Chip angekündet, dank denen die medikamentöse Therapie besser auf das Individuum anpasst werden kann etwa im Bereich Leukämie.

«Die Synergien werden stark unterschätzt», sagt Nicholas Draeger von Adamant Biomedical Investments, der zuvor längere Zeit bei Roche gearbeitet hatte. Roche werde dank seiner Diagnostikdivision Patientengruppen bilden, bei denen Medikamente besonders gut wirkten und die Nebenwirkungen besonders klein seien. «Dank dieser Zielgruppen kann Roche nicht nur höhere Medikamentenpreise verlangen. Auch die Entwicklungskosten und -risiken sinken, weil Tests mit viel kleineren Patientengruppen durchgeführt werden können», sagt Draeger.

Selbst wenn die Kombination Diagnostik Pharma weniger Synergien bringen würde als erhofft: So rasch wird Roche niemand strategische Fehler vorwerfen: Denn wenn das Margenziel von 23% bis 2006 erreicht werden kann, wäre Roche Diagnostics fast ebenso profitabel wie das Pharmageschäft (25,7%). Dort sind starke Margenverbesserungen in nächster Zeit unwahrscheinlich.

Roche Letzter Kurs: Fr. 122

(in Mio Fr.)* 2004 2003 %

Umsatz 29522 27190 9

Ebit 6179 5520 12

Ebitmarge (in %) 20.9 20.3

Reingewinn 4339 3074 41

*Basis: weitergeführte Geschäfte

Roche Diagnostics

Die Nummer eins

Roche ist Marktführer in der In-vitro-Diagnostik. In vitro heisst wörtlich im Glas, also ausserhalb des Körpers. Mit 2,9 Mrd Fr. Umsatz ist Diabetes Care das wichtigste Geschäftsfeld. Hauptprodukte sind Insulinpumpen und Blutzuckermessgeräte. Als zweitgrösster Umsatzträger folgt der Bereich Centralized Diagnostics mit Verkäufen von 2,7 Mrd Fr. Angeboten werden Gesamtlösungen für klinische Labors. Die Molekulardiagnostik (1,1 Mrd Fr.) ist zwar kleiner, wächst aber am stärksten. Produkte sind zum Beispiel die neuartigen Genchips oder Tests für den Nachweis von Viren in Blutkonserven.