Das The Jaffa in Tel Aviv ist nicht unbedingt das beste Hotel, das unter den vielen Hunderten Hotels weltweit in den letzten zwölf Monaten eröffnet hat. Bündelt man aber die aktuellen Trends und Attribute der stilprägenden Stadtherbergen – das schnörkellose Design von Kopenhagen, das entspannte Wohlfühl-Ambiente von Sydney, die schräge Kunst von London, der gepflegt lässige Service von Los Angeles, die tätowierten Barkeeper und starken Drinks von Berlin, die schönen Menschen von Paris, die lokale Verwurzelung von Helsinki und der globale kulinarische Mix von New York –, dann ist das Jaffa so ziemlich das Hotel der Stunde. Und deshalb der Aufhänger.

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Was der amerikanische Immobilien-Tycoon Aby Rosen (Initiator unter anderen des Gramercy Park Hotel in New York und des W South Beach in Miami) zusammen mit dem britischen Innenarchitekten John Pawson aus dem ehemaligen Spital und Klosterkomplex geschaffen hat, begeistert Stadtnomaden aus aller Welt. Bevor das Jaffa allerdings im Frühherbst 2018 an den Start gehen konnte, waren zehn Jahre Geduld erforderlich: Während der Bauarbeiten stellte sich heraus, dass die 140-jährigen Gebäude auf archäologisch wertvollen Strukturen aus der Zeit der Kreuzzüge im 13. Jahrhundert stehen.

Die freigelegten Mauern wurden kunstvoll in die Architektur integriert. In den beiden Restaurants und in der zum Nachtclub umfunktionierten Klosterkapelle entsteht das Gefühl pulsierenden Lebens, während der von Maulbeerbäumen beschattete Innenhof und das Spa wunderbare Rückzugsoasen sind.

Wohin man blickt, kommt den Details grosse Aufmerksamkeit zu. So ist der drehbare, vom Boden bis zur Decke reichende Zimmerspiegel gleichzeitig der Fernseher. In der Kapelle wurden die christlichen Heiligenbilder durch Schwarz-Weiss-Fotos berühmter Filmstars in Priesterrollen ersetzt. Und die Bardamen tragen Kleider mit Kragen, die an Nonnengewänder erinnern. Die Röcke hingegen enden oberhalb des Knies.

Wo Prinz Charles und Lady Diana die Flitterwochen feierten

Weitere ausgediente Gebäude in Weltmetropolen haben jüngst Metamorphosen zum Hotel erlebt. Der Verride Palácio Santa Catarina in Lissabon entstand aus einem heruntergekommenen Stadtschlösschen mit 360-Grad-Blick über die Dächer der Stadt und den Tejo. Das soeben eröffnete Lifestyle-Hotel Amerikalinjen in Oslo war der Hauptsitz einer norwegischen Schifffahrtsgesellschaft und orientiert sich deshalb heute vom Jazzclub bis zu den 122 Zimmern an nautischen Themen.

Das Six Senses Duxton, welches mit dem nahegelegenen Six Senses Maxwell eine Hoteleinheit im Singapurer Stadtteil Tanjong Pagar bildet, diente einst als chinesisches Handelshaus und wurde unter strengen Auflagen des Denkmalschutzes von der britischen Innenarchitektin Anouska Hempel gestaltet – während im Maxwell der französische Designer Jacques Garcia wirkte.

Drei Schweizer Entdeckungen

Zu den von der «Handelszeitung» ausgezeichneten Neuentdeckungen in der globalen Hotellandschaft zählen drei Schweizer Betriebe (Bildstrecke siehe unten):

  • Flims: Wie das The Hide Hotel in Graubünden zu seinem Namen kam, ist eher rätselhaft. Es ist das Gegenteil eines Verstecks und liegt inmitten des neuen Stenna-Komplexes mit Geschäften, Kinos und Riesenparkhaus direkt neben der Talstation der Bergbahnen, was Wintersportlern Ski-in/Ski-out ermöglicht. Preis pro Nacht: ab 180 Franken im Einzelzimmer.
     
  • Fürstenau: Fast schon suchen muss man hingegen die 26 Kilometer südöstlich gelegene Casa Caminada im Domleschg. Die im besten Sinne bodenständige Dépendance des Gourmet-Schlosses Schauenstein hat Hausherr Andreas Caminada als Ode an die Einfachheit und Ort der Ruhe erschaffen. Man kommt gerne wieder. Preis pro Nacht: ab 200 Franken im Doppelzimmer.
     
  • Cully/Bourg-en-Lavaux: Auch das frisch renovierte Le Major Davel am Genferseeufer ist wie das Casa Caminada in Graubünden ein Ort der Ruhe, der den durchfahrenden Reisenden verborgen bleibt. Preis pro Nacht: Ab 180 Franken im Einzelzimmer.

Ein neues Leben als permanent im Hafen verankertes Hotel haben der Transatlantik-Liner Queen Elizabeth 2 Hotel im alten Cruise-Terminal von Dubai und The Royal Yacht Britannia im Port of Leith bei Edinburgh gefunden. Prinz Charles und Lady Diana verbrachten 1981 ihre Flitterwochen auf der ehemals königlichen Yacht, die heute 23 Kabinen und Duplex-Suiten im Stil der 1920er Jahre beherbergt.

Streit um Soho House in Amsterdam

Das sogenannte Bungehuis in Amsterdam, ein spektakulärer Bau aus den frühen 1930er Jahren, diente zuletzt als Kunstfakultät der hiesigen Universität. Als bekannt wurde, dass die globale Hotelmarke Soho House Einzug halten sollte, regte sich massiver Widerstand unter den Anwohnern. Dramatische Auseinandersetzungen vor Gericht waren die Folge. Dabei wurde die Hotellizenz für das Soho House Amsterdam zunächst verweigert, in der Berufung dann aber doch vergeben.

Streitpunkt war ein Moratorium der Stadt, welches den grassierenden Overtourism und speziell auch die bereits ausufernde Dauerparty-Stimmung entlang der Spuistraat bekämpfen will und neue Hotels nur dann zulässt, wenn ein wirklich einzigartiges Projekt und eine ausserordentliche Ergänzung zum bestehenden Angebot vorliegen.

Nun lässt sich durchaus argumentieren, dass die Soho-House-Gruppe mit ihrem Members-only-Konzept – das sich für Hotelgäste jedoch mit einem Zimmeraufpreis leicht umgehen lässt – eine tolle Sache ist. Auch wurde alles so qualitätsbewusst wie geschmackvoll arrangiert. Die fabelhafte Dachterrasse mit Pool und üppiger Bepflanzung bietet «ein privates Panorama auf den eigenen Erfolg», wie die englische «Financial Times» mit sarkastischem Unterton in ihrem Artikel bemerkt.

Kalifornisches Hotel-Juwel in West Hollywood

Ein komplett anderes Verständnis von einem urbanen Rückzugsort haben die Besitzer des 850 in West Hollywood und diejenigen des La Divine Comédie in Avignon. Hinter dem kalifornischen Juwel mit 23 Zimmern steht Hotelier Jeff Klein, der auch das glamouröse Sunset Tower Hotel am Sunset Boulevard betreibt und mit dem 850 ein heimelig-schickes Gästehaus mit dem verschwiegenen Charme eines Privatclubs kreierte. Ein Volltreffer, wie sich rasch zeigte, auch weil das Ganze von aussen kaum als Hotel zu erkennen ist und die öffentlichen Räume ausschliesslich für Hotelgäste und nicht für vorbeischauende Selfie-Jäger zugänglich sind.

Das südfranzösische Pendant spiegelt im Divine Comédie ein Geschäftsmodell, das sich in vielen europäischen Städten zu einer erfolgreichen Nische entwickelt: Ein stilvolles, zentral gelegenes Wohnhaus – im Fall des Divine Comédie mit dem grössten Privatgarten vor Ort – mutiert zum superästhetischen Maison d’hôte mit tiefgestapeltem Luxus und sehr viel Privatsphäre für jeden Gast. Man fühlt sich, als wäre man zu Besuch in der eleganten Stadtvilla eines wohlhabenden Freundes, der gerade verreist ist, aber für alles gesorgt hat.

Das Hotel als Statement seiner unabhängigen Besitzer lässt sich auch im The Surfrider in Malibu (20 Zimmer) und im Hotel Pacai in Vilnius (104 Zimmer) lustvoll erfahren. Im einstigen Motel Surfrider taucht man nun in die Surf-Mekka-Ästhetik der aus Byron Bay stammenden Hausherrin Emma Crowther ein, während im herrschaftlichen baltischen Anwesen die barocke Grandeur besonders feinsinnig durch moderne Architektur kontrastiert wird. Mitinitiant und Architekt Saulius Mikštas hielt sich mit dekorativem Bombast sehr zurück: «Wände wurden nicht dazu erfunden, Bilder aufzuhängen.»

Neue Hotels in Helsinki, Hamburg, Rom

Unter den europäischen Hotelneulingen in der Boutique-Kategorie ragen das St. George in Helsinki, das Tortue in Hamburg und das The Rooms of Rome heraus, und auch bei den Luxusabsteigen geht es Schlag auf Schlag: Nach dem The Fontenay von Klaus-Michael Kühne in Hamburg und der komplett renovierten Pariser Hotelikone Lutetia eröffnen nun das Belmond Cadogan Hotel im vornehmen Londoner Knightsbridge-Quartier sowie das zu Rocco Forte gehörende Hotel de la Ville bei der Spanischen Treppe in Rom.

Zu den neuen internationalen Ablegern der Nobelketten zählen das Rosewood Hong Kong im Stadtteil Kowloon und das Amanyangyun in Schanghai. Auf eine jüngere Klientel setzen das W Dubai – The Palm, das Kimpton La Peer Hotel in Los Angeles und das Andaz München Schwabinger Tor. Kurz vor der Eröffnung stehen The Standard, London, das von den Machern der Ace Hotels konzipierte Maison de la Luz in New Orleans und das J.K. Place Rive Gauche beim Musée d’Orsay in Paris.

Lodge-Hopping in Bhutan

Das Prinzip Sehnsucht ist das A und O jedes guten Ferienhotels und eine wachsende Begierde vieler Stadtmenschen ist diejenige nach aussergewöhnlichen Erlebnissen in spektakulärer Natur – wahlweise auf eigene Faust oder in Begleitung von erfahrenen lokalen Guides, welche die Wunder am Wegrand lebendig werden lassen.

Mit dem Vorbild des Amankora und dessen grossartig umgesetztem Circuit von fünf Edel-Lodges quer durch Bhutan hat das Six Senses Bhutan soeben einen ebenfalls auf fünf Etappenziele angelegten Hotel-Reigen eröffnet. Mit Paro, Thimphu und Punakha im Westen sowie Gangtey und Bumthang, im Osten des Himalaya-Königreichs gelegen, sind die einzelnen Lodges sehr unterschiedlich gestaltet, doch immer mit dem der Hotelgruppe eigenen Anspruch an ein gleichermassen sinnlich-genussvolles wie nachhaltig wirkendes Gesamterlebnis.

Six Senses hat auch in Kambodscha einen Treffer gelandet: Das Six Senses Krabey Island vor der Südküste bietet grünen Glamour und einen insgesamt authentischer umgesetzten Tropen-Zauber als das puristisch gestaltete Alila Villas Koh Russey, das in Sichtweite nur fünf Speedboot-Minuten entfernt liegt.

Weltflucht mit Stil

Auf den Malediven eröffnen Jahr für Jahr ein halbes Dutzend verheissungsvolle Inselresorts. 2019 ist The Nautilus Maldives im modernen Bohème-Stil und mit stark individualisiertem Luxusverständnis der Überflieger, doch überzeugen auch das einfachere Lux North Male Atoll und das italienisch geprägte, im Juni startende Baglioni Resort Maldives.

Neue, Instagram-taugliche Fluchtpunkte auf der Landkarte der trendbewussten Weltensammler sind The Retreat at Blue Lagoon in Island, das Bawah Reserve im indonesischen Anambas-Archipel und das One & Only Nyungwe House in Ruanda. Letzteres befindet sich auf einer Teeplantage am Rand eines Regenwalds, der für Schimpansen-Trekking bekannt ist. Auch die Luxus-Lodges Blackberry Mountain in den Great Smoky Mountains von Tennessee und The Lindis auf Neuseelands Südinsel sind Vorzeigebeispiele faszinierender Reiseziele an entlegenen Ecken der Erde.

Für Frankreich-Reisende lohnen das La Folie Douce Hotel in Chamonix und das Hôtel Les Roches Rouges an der Côte d’Azur den Abstecher. Auch sorgen manche französische Weingüter nicht nur mit Wein für Aufsehen, sondern setzen neuerdings mit dazugehörigen Unterkünften Massstäbe – sei es in historischen Mauern wie das Château Lafaurie-Peyraguey im Sauternes-Gebiet bei Bordeaux oder mit stark kunstbezogenem Auftritt wie das Villa La Coste im Luberon.

Aus der Zeit fallen

In der aufstrebenden portugiesischen Alentejo-Region ist das kleine, feine Dá Licença ein neuer Sehnsuchtsort, in Apulien wird ab Mai 2019 die Masseria Torre Maizza von sich reden machen. In England rüstet die Hotelszene auf, es geht Schlag auf Schlag – nach der dorfähnlich angelegten Country-Idylle Thyme in den Cotswolds legen im Sommer Grantley Hall in Yorkshire und das Monkey Island Estate in Berkshire los.

Das im letzten Herbst eröffnete Heckfield Place im südenglischen Hampshire schien während seiner zehnjährigen Entwicklungsphase designmässig zunächst den zwar smarten, aber seelenlosen «Könnte überall auf der Welt sein»-Weg einzuschlagen. Doch als dann per Zufall der junge Innenarchitekt Ben Thompson ins Spiel kam, gelang es, dem von aussen eher streng wirkenden georgianischen Gebäude etwas zauberhaft Behagliches und Natürliches einzuhauchen und ein Gefühl elitärer Intimität entstehen zu lassen. Jedenfalls traf das Hotel auf Anhieb ins Herz kultivierter Londoner – und es löst ein grosses Versprechen mühelos ein: Entschleunigung ist hier keine leere Marketingfloskel, sondern von der ersten Minute an für jeden Gast spürbar. In diesem Hideaway ist plötzlich wieder Zeit da, von der viele behaupten, es gebe sie kaum noch.