In Schottland wächst die Sorge, Grossbritannien könne die Europäische Union verlassen. Die Whisky-Brennereien befürchten, dass durch einen «Brexit» der hart erarbeitete Zugang zu Märkten verloren gehen könnte, zudem würde der Preis für die Spirituose im Ausland steigen und die Exporte sinken. Wie französischer Wein und Cognac kann auch Whisky innerhalb der EU frei verkauft werden. Zudem hat der weltgrösste Wirtschaftsblock lukrative Handelsdeals mit Schwellenländern abgeschlossen.

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«Wir haben eine klare Haltung, wir sind für ein Verbleiben Grossbritanniens in der EU», sagt Ivan Menezes, Chef von Diageo, zu denen Marken wie Johnnie Walker oder die Single-Malt-Anbieter Dalwhinnie und Lagavulin gehören. «Man fährt mit einem Freihandelsabkommen besser, wenn man mehr Einfluss hat, und die EU hat davon jede Menge.»

Für Grossbritannien ein wichtigstes Exportgut

Schottlands Whisky-Herstellung ist alles andere als eine kleine Branche: Die Spirituose ist mit weitem Abstand das wichtigste Exportgut im Bereich Getränke und Lebensmittel Grossbritanniens. Das jährliche Exportvolumen beläuft sich auf mehr als 4 Milliarden Pfund (5,2 Milliarden Euro), 10'000 Mitarbeiter in 115 Destillerien sind in der Branche tätig, wie aus Daten der Branchenvereinigung Scotch Whisky Association in Edinburgh hervorgeht. Der Verband hat sich bereits 2014 gegen einen Austritt Schottlands aus Grossbritannien ausgesprochen und dabei auch darauf verwiesen, dass grösser besser ist.

Premierminister David Cameron könnte bereits im Juni eine Volksbefragung abhalten. Derzeit laufen noch die Verhandlungen über die britischen Forderungen nach EU-Reformen, bei denen es hauptsächlich um eine Einschränkung von Sozialleistungen geht. Noch in diesem Monat könnte eine Einigung erzielt werden. Umfragen zeigen, dass die Abstimmung knapp werden könnte.

Der Diageo-Konkurrent Pernod Ricard unterstützt ebenfalls den gemeinsamen Markt. Der Spirituosenkonzern, der die Whisky- Sorten Glenlivet und Chivas Regal im Sortiment hat, «ist ein pro-europäisches Unternehmen und für die Liberalisierung des Handels überall auf der Welt», erklärte Konzernchef Alexandre Ricard am Donnerstag.

Einfluss Europas

Es ist nicht leicht, die Kosten eines EU-Austritts genau zu berechnen. Die grösste Angst der Whisky-Hersteller besteht jedoch darin, dass die Handelsbeziehungen Grossbritanniens nachhaltig gestört werden könnten. 

Ein Beispiel: Zwei Drittel der Whisky-Exporte von Diageo gehen in Schwellenländer wie Indien. Das Land fordert Einfuhrzölle von 150 Prozent auf ausländische Weine und Spirituosen - mit die höchsten weltweit. Die Scotch Whisky Association hat mit der EU und der indischen Regierung daran gearbeitet, diese Zölle abzubauen, befürchtet nun jedoch, dass alle Anstrengungen durch einen EU-Austritt der Briten scheitern könnten, sagt Verbandschef David Frost.

Auch wegen des Produktschutzes ist Frost besorgt. Die EU verteidigt ihre geschützten Ursprungsbezeichnungen streng - Champagner muss aus der Champagne kommen, Cognac aus dem Ort gleichen Namens, und Scotch muss eben in Schottland hergestellt werden.

Trinkpartner

Sollte Grossbritannien tatsächlich aus der EU austreten, müsste das Land mit dem restlichen Europa neue Handelsverträge aushandeln, was Jahre dauern könnte. Auch bereits existierende Verträge mit dem Ausland müssten von Grund auf neu verhandelt werden, da die EU bei Handelsabkommen als Einheit auftritt und als solche beispielsweise Vereinbarungen mit Ländern wie Südkorea, Mexiko und Kanada getroffen hat und derzeit mit den USA verhandelt.

«Die Faustregel lautet: es ist nicht einfach, den Wert in Geld anzugeben. Auf jeden Fall aber steigen die Kosten in einer Branche, in der der Wettbewerb über die Marge ausgetragen wird», sagt Brad MacKay, Wirtschaftsprofessor an der University of Edinburgh, mit Blick auf den möglichen EU-Austritt der Briten. Die Branche werde «weniger profitabel» sein, fügte er hinzu.

Durchwachsene Beziehung

Das Verhältnis Grossbritanniens zur EU war ist jeher durchwachsen, schon seit das Land dem Binnenmarkt 1973 beitrat. Regierungen in London haben immer wieder die Vorzüge für den Handel betont, sind gleichzeitig aber vor einer stärkeren politischen Verknüpfung zurückgeschreckt. So ist Grossbritannien weder dem Schengen-Abkommen noch der Eurozone beigetreten.

Jetzt auch noch aus der EU auszutreten, ist für die Whisky-Anbieter undenkbar. «Die Branche hat sehr hart daran gearbeitet, dass Barrieren beseitigt wurde. Den Markt zu verlassen würde jede Menge Probleme schaffen», warnt Billy Walker, Mischmeister bei der BenRiach Distillery in der schottischen Region Speyside. Der 35 Jahre alte Single-Malt-Whisky der Brennerei kostet 430 Pfund je Flasche. Mehr als 95 Prozent werden exportiert. «Es erscheint mir völlig klar, dass ein solcher Schritt nicht vernünftig wäre.»

(bloomberg/ccr)