Ärzte, die sich samt Begleitung auf Kosten der Pharmaindustrie ein paar schöne Tage in St. Tropez oder St. Moritz machen oder in Sterne-Restaurants speisen: Wenn es um Zuwendungen der Pharmaindustrie an die Ärzteschaft geht, sind es noch immer diese Bilder, die herumgeistern.

Mit dem Gros der Wirklichkeit aber hat das nichts mehr zu tun. Ärztekongresse sind heute wie Fortbildungsveranstaltungen anderer Berufsgruppen eine ziemlich spartanische Sache.

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Man fliegt an, bezieht ein Hotel der Mittelklasse und sitzt stundenlang in abgedunkelten und klimatisierten Sälen, während draussen womöglich die Sonne scheint.

Luxushotel mit Champagner-Frühstück? Fehlanzeige.

Fortbildung muss «bescheiden» sein

Auch wenn sich vielleicht noch nicht ganz alle daran halten, aber die Regeln im Umgang mit der Industrie sind klar, wie ein Blick in die seit Januar 2020 geltende Verordnung über Integrität und Transparenz im Heilmittelbereich zeigt. Geldwerte Zuwendungen müssen «bescheiden» und «für die medizinische und pharmazeutische Praxis von Belang» sein.

Was das heisst, wird auf der Website der Ärztevereinigung anhand der fiktiven Frage illustriert, ob eine Ärztin einen Gutschein für eine Übernachtung im Hotel Mont Cervin in Zermatt annehmen dürfe, den sie am Kongress eines Pharmaunternehmens gewonnen habe.

Die klare Antwort: «Nein.»

«Die Ärzte und Ärztinnen sind sich der Interessenkonflikte bewusst.»

Das Kinderbilderbuch zum Thema Cholesterin darf ein Arzt hingegen annehmen, unter der Voraussetzung, dass es im Wartezimmer aufliegt.

Im Umgang von Industrie und Ärzteschaft hat sich in den vergangenen Jahren vieles zum Guten verändert. Das zeigen auch die Gespräche mit einigen der grössten Bezüger, die wir von der «Handelszeitung» für die diesjährige Auswertung der Pharmagelder führen konnten.

Die Ärzte und Ärztinnen sind sich der Interessenkonflikte, die in der Zusammenarbeit mit der Industrie entstehen können, bewusst und unternehmen einiges, um diese möglichst gering zu halten.

Das weitverbreitete Bild des Arztes, der vor allem den eigenen Kontostand im Auge hat und sich mit Aufträgen der Pharmaindustrie ohne viel Aufwand ein paar zehntausend Franken dazuverdient, hat sich in diesen Gesprächen nicht bestätigt.

Im Gegenteil: Da ist oft sehr viel Engagement für die Patienten im Spiel. Und auch die Industrie hat ihre Lektion unter dem Eindruck einiger kostspieliger Rechtsfälle in den USA weitgehend gelernt.

Austausch von Industrie und Ärzteschaft

Gut so. Denn die Schnittstelle zwischen Ärzteschaft und Industrie muss funktionieren. Ärzte müssen möglichst fundiert über neue Behandlungsmöglichkeiten informiert werden – und das können nun einmal die Unternehmen am besten, die sie erforscht und entwickelt haben. Doch auch umgekehrt wird ein Schuh draus.

Auch die Industrie kann ihre neuen Medikamente nicht auf dem Reissbrett entwickeln.

«Pharmaunternehmen haben kommerzielle Interessen – und die sind nicht deckungsgleich mit denjenigen der Patienten.»

Sie muss auf das Wissen und die Erfahrung der Praktiker zurückgreifen können, wenn sie Studien für neue Therapien aufsetzt. Nur diese wissen, wie ein Studiendesign aussehen muss, damit es den Bedürfnissen der Patienten am besten Rechnung trägt. 

Es kann also nur darum gehen, diesen Austausch möglichst so zu organisieren, dass es vor allem um eines geht: das Wohl der Patientinnen und Patienten. Das Bekenntnis zur Transparenz, das die Industrie mit dem Pharmakodex vor sechs Jahren abgegeben hat, ist ein wichtiger Schritt dahin.

Das Dilemma aber bleibt: Pharmaunternehmen haben kommerzielle Interessen und die sind nicht deckungsgleich mit denjenigen der Patienten. Drehen wir das Ganze deshalb um und sagen: Fortbildung ist grundsätzlich Aufgabe der Ärzte und nicht der Industrie.

Die Kosten dafür werden im Tarifsystem abgebildet; was auch deshalb gerechtfertigt wäre, weil die Ärzte ja, anders als andere Berufsgruppen, dazu verpflichtet sind, sich stetig fortzubilden.

Schade, dass das Klima zwischen der Ärzteschaft und der Politik so angespannt ist, dass ein solcher Vorschlag nicht einmal diskutiert wird.