Die Affäre um die Datenmanipulation bei der Gentherapie Zolgensma dreht weiter. Das amerikanische Pharma-Nachrichtenportal «Stat News» veröffentlichte am Dienstag einen Inspektionsbericht der Zulassungsbehörde FDA vom Februar 2019.

Demnach wurde man bei der Novartis-Tochter Avexis bereits im Oktober 2018 darauf aufmerksam, dass es bei Mausversuchen für Zolgensma zu Unstimmigkeiten mit Daten gekommen war; darauf sei «eine weitreichende Untersuchung ausgelöst» worden, heisst es in dem Bericht. Die Rede ist von «Fehlern», die im Zusammenhang mit den Mausversuchen passiert seien.

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Avexis ist das Unternehmen, das die 2,1 Millionen teure Gentherapie gegen spinale Muskelatrophie entwickelt hat. Es wurde 2018 von Novartis übernommen. Spinale Muskelatrophie ist ein verheerende genetisch bedingte Krankheit, die in ihrer schwersten Form meist zum frühen Tod der betroffenen Babys in den ersten beiden Lebensjahren führt.  

Avexis wusste bereits im Oktober 2018 von «Fehlern»

Novartis-Chef Vas Narasimhan hatte gegenüber Investoren gesagt, das Unternehmen habe Mitte März erfahren, dass es bei Zolgensma möglicherweise zu Datenmanipulationen gekommen sei. In der Folge sei eine Untersuchung in zwei Stufen durchgeführt worden, entsprechend den Prozessen, die für einen solchen Fall gelten, so der Konzernchef. Dass Avexis bereits im Oktober von Unstimmigkeiten bei den Daten zu Mausversuchen Kenntnis hatte, war bis jetzt nicht bekannt.

Novartis steht unter Beschuss, weil es die Überwacher von der FDA erst Ende Juni über die Manipulationen informiert hatte – also dreieinhalb Monate, nachdem es von einem Whistleblower auf die Unstimmigkeiten aufmerksam gemacht worden war und mehr als einen Monat, nachdem die FDA die 2,1 Millionen Dollar teure Therapie zugelassen hatte.

Die FDA droht Novartis mit Konsequenzen

Die Behörde drohte dem Basler Konzern Anfangs August in einem ungewöhnlich harschen Communiqué mit zivil- und strafrechtlichen Konsequenzen wegen der Datenmanipulation. Die Behörde verlasse sich auf korrekte Daten. Ein FDA-Funktionär sagte, die Zulassung von Zolgensma wäre womöglich nicht erfolgt, hätte man von den Datenmanipulationen gewusst. 

Zudem kommt Novartis wegen der Datenmanipulation rund um die Millionen-Gentherapie politisch in Teufels Küche. Bis vergangenen Freitag hatte das Unternehmen dem Finanzausschuss des US-Senats alle im Zusammenhang mit der Datenaffäre relevanten Unterlagen auszuhändigen. Sie dürften aller Voraussicht nach veröffentlicht werden.

Bereits zuvor waren mehrere demokratischen Senatoren, darunter die beiden Präsidentschaftsanwärter Elizabeth Warren (Massachusetts) und Bernie Sanders (Vermont), auf den Zug aufgesprungen. In einem Brief hatten sie geschrieben: «Dieser Skandal riecht nach Übertretung von Befugnissen und davon haben die Amerikaner die Nase voll».

«Fehler» bei der Aufarbeitung der Daten 

In dem am Dienstag publik gewordenen FDA-Inspektionsbericht heisst es, «die Fehler seien auf den Gebrauch einer nicht validierten Tabelle zurückzuführen, um die Daten zu berechnen». Als «erschwerender Faktor» sei zudem die Schwierigkeit hinzugekommen, «akkurate Daten zu bekommen».

Es seien «angemessene Massnahmen» getroffen worden, «um die Daten neu zu formulieren und die Qualitätssicherung zu verbessern», schreibt das FDA-Inspektionsteam. Das lässt darauf schliessen, dass die FDA davon ausging, dass die Probleme gelöst seien – ein Fakt, der mit erklären könnte, warum die FDA derart auf die Pauke haute, als die Datenmanipulationen bekannt wurden.