Zwölf Jahre nach der Einführung der ersten modernen Smartphones wird keine Branche mehr von den Auswirkungen der mobilen Digitalisierung verschont. Nicht nur die Detailhändler spüren die Online-Konkurrenz. Auch Möbelhersteller verkaufen weniger Bücherregale. Und selbst Türenhersteller spüren den Trend zu grossen, gemischt genutzten Wohnräumen.

Auch auf die Versicherungsgesellschaften kommt einiges zu: Gemäss den Analysten der US-Bank Morgan Stanley werden die Prämien im Hausratsversicherungsbereich durch vernetztes Wohnen bis zum Jahr 2030 zwischen 30 und 70 Prozent fallen, weil die wichtigsten möglichen Schäden wie Feuer, Wasser und Einbruch durch Sensoren viel rascher gemeldet werden können und sich so die Schadenhöhe begrenzen lässt.

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Auch die schweizerischen Versicherer kommen nicht umhin, sich dieser Zukunft zu stellen. Sie unternehmen das schrittweise, wie eine kleine Umfrage ergab.

Axa: Interaktive Beratungs-App

«Unsere Kunden sind zunehmend digital affin», sagt Axa-Sprecherin Nicole Horbelt, «Convenience, also Einfachheit, gewinnt immer mehr an Bedeutung.» Das gelte sowohl für Versicherungsprodukte als auch für die Kundeninteraktion im Schadenfall und neuerdings für den Einkauf in die zweite Säule. «Mit unseren Digitalisierungsvorhaben setzen wir an beiden Punkten an», so Horbelt weiter. «Wir vereinfachen laufend den Kundenzugang, beispielsweise über unser Portal myAxa oder über unsere Website axa.ch mit dem Ziel, ein einheitliches Erlebnis zu schaffen.» Man pilotiere auch neue Kundeninteraktionsformen auf der Basis von Chatbots. «Voice Assistants gehören zu den neuen Technologien, die wir aktiv beobachten und zu denen wir uns auch innerhalb der Gruppe austauschen.»

Seit 2017 sei man erfolgreich im Krankenzusatzversicherungsmarkt aktiv. «Im Mobilitätsumfeld haben wir kürzlich mit UPTO ein neuartiges Mobilitätsprodukt auf den Markt gebracht», so Horbelt. Auch im Flottenmanagement pilotiere man ein neues Produkt für KMU-Kunden. «Wir setzen den Fokus darauf, die 'Friction Points' unserer Kunden auf der Customer Journey besser zu lösen, insbesondere über Services oder neue  Mobilitätsprodukte und einfachere Produkte wie beispielsweise ein modulares Haushaltsprodukt».

Das Privatkundensegment wird von einem zunehmenden Preiswettbewerb in der Motorfahrzeugversicherung geprägt. Horbelt: «Wir sind überzeugt, dass gelebte Kundenorientierung und Einfachheit in der Kundeninteraktion nach wie vor zentrale Erfolgsbausteine für ein gelungenes Kundenerlebnis sind.» Und im Unternehmensgeschäft gebe es eine zunehmende Verhärtung der Preise im Bereich der Krankentaggeld-Versicherung. «Die Schadenbelastung in dieser Branche ist seit mehreren Jahren auf hohem Niveau.» Und auch der Agentur-Kanal wird von Veränderungen erfasst. «Seit Anfang 2018 führen wir schweizweit eine interaktive Beratungs-App im Axa-Aussendienst ein, die eine papierlose Beratung ermöglicht», so Nicole Horbelt.

Baloise: Viele neue einzelne Versicherungen

Die Baloise war in den vergangenen Monaten mit einer langen Liste von neuen Versicherungen aufgefallen: Die Spanne reicht von Bike-Versicherungen über Cyber-, Fiasko-Kasko (mit Möbel Pfister) bis zu Handy-Versicherungen und Cyber-Safe-Data (über bzw. mit der Bank Cler). «Momentan befinden wir uns mit diesen Produkten in einer Skalierungsphase, in der wir die Produkte für unsere Kunden auf den relevanten Vertriebskanälen anbieten», erklärt Philipp Marty, Leiter Produktmanagement Sach/Haft Privatkunden. «Die Baloise hat als erster Versicherer in der Schweiz die Online-Schadenmeldung radikal vereinfacht.» Mittels interaktivem Chat mit Foto- und Spracherkennung können die Kunden einen Schaden innert Minuten eingeben – ohne Ausfüllen von Formularen im Fachjargon. «Auch bauen wir das Baloise-Dienstleistungsangebot 'Digitale Pfadfinder' stetig aus; dieses Jahr insbesondere mit öffentlichen 'Home'-Führungen sowie zahlreichen Veranstaltungen zur Sensibilisierung für Cyber-Risiken», so Marty.

Auch bei Baloise sind die neuen Vertriebskanäle ein Thema. «Momentan gehen wir davon aus, dass erst maximal 0,1 Prozent aller Digitalabschlüsse über Alexa laufen», sagt Jean-Michel Benkert, Innovation Manager bei der Baloise. «Wir verfolgen die Entwicklungen am Markt und sind in der Lage, sehr schnell auf sich ändernde Gegebenheiten zu reagieren.»

Mit Kooperationen rund um das Thema Home (Kauf von «MOVU») und Mobility (Mitbeteiligung an «Carhelper») sei man im Bereich digitale Ökosysteme auch gut vernetzt. «Zudem sind wir im Bereich Bank-Assurance mit Kooperationen mit der Bank Cler sowie Servicehub (BLKB/Anivo) gut aufgestellt», so Marty weiter. In den Ländergesellschaften laufen zudem weitere Projekte rund um das Thema Mobilitätsplattform (Mobly und Drivolution). Der Preisdruck sei weiterhin spürbar, vor allem im Unternehmenskunden-Geschäft (Sach, Haft, Transport, exklusive Unfall / Kranken) sowie im Nichtleben-Privatkundengeschäft (MF, Gebäude, Hausrat).

Helvetia: Sprechende Bots

Helvetia hatte bereits in Pilotversuchen interaktive Chatbots getestet. Diese wurde bei Vertragserneuerungen und für die Abwicklung von Velodiebstählen getestet. «Aufgrund der hohen Akzeptanz plant Helvetia nun die Einführung eines Chatbots für den dauerhaften Betrieb», sagt Sprecher Jonas Grossniklaus. Die Einführung eines textbasierten Konversations-Bots steht im Vordergrund; eine Sprachvariante, die beispielsweise über das Alexa-System von Amazon laufen könnte, wird es vorläufig nicht geben.

Zudem plant man auch den Ausbau des B2B2C-Bereich in der Schweiz und in Europa. «Dies auch mittels dem Insurtech INZMO, an dem Helvetia via Venture Fund beteiligt ist», so Grossniklaus. INZMO ist ein Start-up aus Estland, mit dem einzelne Versicherungsgeschäftsprozesse durchgehend digitalisiert werden können. Helvetia ist laut eigenen Angaben bereits am Aufbau eines Business Eco-System Home. Neben MoneyPark als starkem Anker seien bereits verschiedene andere Unternehmen Teil des Eco-Systems.

In der privaten Vorsorge hat Helvetia laut Grossniklaus als erste Gesellschaft im Markt ein periodisch finanziertes Kapitalisationsprodukt sowie zwei eigene Fonds lanciert. Darüber hinaus werde man in diesen Wochen zwei neue Todesfallrisikoprodukte mit der Online-Versichererung smile.direct sowie dem Bankenpartner Raiffeisen platzieren. «In der Privatvorsorge erwarten wir, dass die Preise zugunsten unserer Kunden leicht unter Druck geraten, dies über die gesamte Palette der Vorsorge- und Anlageprodukte», sagt Grossniklaus weiter. «In der Nicht-Lebenversicherung hält das kompetitive Marktumfeld weiter an.» Der Preiswettbewerb sei sowohl im Privat- als auch Firmenkundengeschäft spürbar. Zusammen mit Agenturen wird man die Pensionsplanung gegen Gebühr im Aussendienstkanal, neue Zusammenarbeitsformen, um Fähigkeiten des Teams für Kunden optimal einzusetzen sowie ein digitales Assistenzsystem zur weiteren Strukturierung und Emotionalisierung des Beratungsprozesses testen.

Mobiliar: Wohnen und KMU-Dienstleistungen

«Unter Digitalisierung verstehen wir nicht nur neue Angebote», sagt Mobiliar-Sprecherin Leilah Ruppen. Die technischen Möglichkeiten und die neuen digitalen Hilfsmittel würden das Verhalten der Kundinnen und Kunden verändern. «Um dem gerecht zu werden, investieren wir in den kommenden fünf Jahren eine Milliarde Franken in die Digitalisierung und die digitale Transformation.» Aus Kundensicht würden die Grenzen zwischen On- und Offline abgebaut.

Das jüngste Produkt aus der Fabrik ist die telematikbasierte Autoversicherung «CleverDrive». Hinsichtlich den digitalen Ökosystemen konzentriere man sich auf die Themen Wohnen und «Dienstleistungen für KMU». «Wir betrachten die Ökosysteme aber nicht als eine rein digitale Angelegenheit. Wir sehen sie als Chance, die On- und Offline-Welten noch stärker miteinander zu verbinden», so Ruppen. Einfache Produkte würden vermehrt per Knopfdruck online abgeschlossen. «CleverDrive war erst der Anfang: Wir wollen neue Technologien vermehrt nutzen, um bestehende Produkte einfacher zu machen und neue Angebote zu kreieren.»

Zu interaktiven Kommunikationsformen, beispielsweise über Alexa von Amazon, mag man sich bei der Mobiliar nicht äussern. «Wir wollen unseren Kundinnen und Kunden auch in einer zunehmend digitaleren Welt den bestmöglichen Service bieten», heisst es zu Strategie für die Agenturen. «Wir investieren sehr viel ins digitale Kundenerlebnis – die lokalen Entscheidungs- und Handlungskompetenzen bleiben aber bei den Generalagenturen.»