Der britische Wirtschaftsjournalist Matthew Lynn vom Brexit-freundlichen «Telegraph» lässt kein gutes Haar am Klimaschutz-Plan von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. «Heuchlerisch» sei er, der Plan, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen, findet Lynn. Insbesondere stört er sich an den vorgesehenen und heiss debattierten Ausnahmen.
Konkret sollen Privatjets und Supersportwagen vom Kampf gegen die Klimaerwärmung ausgenommen werden. Was Lynn dazu verleitete, den sozial gerechten Übergang, welche die EU im Zusammenhang mit dem Green Deal versprach, in Zweifel zu ziehen.
«Wenn wir uns ehrgeizige Ziele setzen, dann müssen wir dafür sorgen, dass die Lasten und Kosten des Übergangs gleichmässig auf alle Teile der Gesellschaft verteilt werden. Das gilt für die EU, aber auch für die Regierungen im Vereinigten Königreich, in den USA und anderswo.»Im Klartext: Beliebte Spielzeuge und Fortbewegungsmittel von Reichen und Superreichen vom Kampf gegen den Klimawandel auszunehmen, geht gar nicht.
Elektroautos werden im nächsten Jahrzehnt unschlagbar sein.
Oliver Blume, Chef Porsche
Doch genau das versucht derzeit der italienische Minister Roberto Cingolani in Gesprächen mit der EU zu erreichen – unter dem Deckmantel der Industriepolitik für italienische Autobauer wie Ferrari und Lamborghini, die beide in Sachen Elektrifizierung der Konkurrenz weit hinterher hinken.
Die Anzahl der Fahrzeuge, die von einer Ausnahmeregelung betroffen wären, würde nur einen Bruchteil eines gesamten Auto-Marktes ausmachen, so Cingolani. Was er sagen will: Wieviel CO2 ein 770 PS starker «Aventador» ausstösst, falle nicht ins Gewicht, weil es nur wenige Menschen gibt, welche sich solche Schlitten für mehr als 300'000 Euro leisten können.
Und tatsächlich: Lamborghini verkaufte 2020 rund 7400 Fahrzeuge, Ferrari rund 9100 Modelle. Zum Vergleich: Der Volkswagen-Konzern verkaufte im gleichen Jahr über 9 Millionen Autos.
Cingolani gibt sich überzeugt, dass sein Ansinnen zum Schutz der italienischen Auto-Ikonen bei den europäischen Partnern auf fruchtbaren Boden stossen wird:
«Es wird kein Problem geben.» Oder doch? Dass Cingolani vor seinem Ministeramt in leitender Position bei Ferrari beschäftigt war, stützt seine Glaubwürdigkeit jedenfalls nicht.
Porsche stellt Ferrari ins Abseits
Ins Abseits gestellt hat Cingolani auch Porsche-Chef Oliver Blume, dessen Fahrzeugflotte derzeit ebenfalls noch nicht zu den grünsten gehört. Denn würde er es für einen Fehler halten, wenn die EU dem Vorstoss der italienischen Regierung nachgeben sollte. Blume argumentiert dabei so, wie es Porsche-Fans mögen.
Der Schritt sei «aus Leistungsgründen» falsch, denn «Elektroautos werden im nächsten Jahrzehnt unschlagbar sein», sagte er gegenüber «Bloomberg Television». Ohnehin müssten auch Ferrari und Co. ihren Teil beitragen. «Die Dekarbonisierung ist eine globale Frage und jeder muss seinen Beitrag leisten.»
An der IAA in München zeigte Porsche derweil ein neues Mission-R-Konzeptauto. Angetrieben von einer 80-Kilowattstunden-Batterie, die sich in der Mitte des Fahrzeugs befindet, ist der Supersportler weder für FIA-Rennen noch für die Strasse zugelassen. Aber er biete einen Blick auf die elektrischen Ambitionen der Marke.
«Der Porsche Mission R gibt einen Ausblick darauf, wie die Zukunft der Markenpokale mit rein-elektrisch angetriebenen Fahrzeugen aussehen könnte», heisst es in einer Mitteilung. Die Spezifikationen des Mission R jedenfalls sind beeindruckend: Allradantrieb, 1100 PS, weniger als 2,5 Sekunden von 0 auf 100 Stundenkilometer, 300 Sachen Höchstgeschwindigkeit. Porsches aktuelles Elektroprogramm sei ein gutes Vorzeichen für zukünftige Produkte, so «Bloomberg».
Der viertürige Elektroauto Taycan übertraf in einigen Märkten die Verkaufszahlen des äusserst profitablen Porsche 911. Zudem schloss Porsche im Juli eine Allianz mit dem kroatischen E-Auto-Pionier Rimac. Porsche hält laut Vereinbarung 45 Prozent an einem neuen Bugatti-Rimac-Unternehmen, Rimac die restlichen 55 Prozent. Porsche ist selber Teil des VW-Konzerns.