Die Hälfte aller Leukämie-Patienten stirbt, verrät die Statistik. Martin Wittig hat überlebt. Der Ex-Roland-Berger-Chef ist nach schwerer Krankheit zurück auf der Bühne der Beraterelite. Seit 1. Mai heuert er als Senior Advisor an – aber pikanterweise nicht mehr bei Roland Berger, sondern beim Konkurrenten Bain & Company.
Der Weg des Uhrenfreaks, Bücherwurms und Porschefahrers dahin war aussergewöhnlich. Innert 15 Jahren mauserte sich der Bergbauwissenschafter und Betriebswirt vom Zürcher Büroleiter zum globalen Chef einer der grössten europäischen Strategieberater.
«Beharrlich, offen und ehrlich»
Vor acht Jahren wurde Wittig von 180 Partnern einstimmig zum obersten Chef von Roland Berger weltweit gewählt. Sein Vorgänger, Burkhard Schwenker, streute dem damals neuen Chefstrategen Rosen vor die Füsse: «ein exzellenter Berater, der einen Blick dafür hat, wo die Probleme liegen und wie man sie anpackt, ein guter Manager, beharrlich, offen und ehrlich» – Schwenker geizte nicht mit Komplimenten für seinen Nachfolger.
Gründer Roland Berger wurde bereits 1995 auf den strebsamen Wittig aufmerksam, als dieser auf einem Flug von Sao Paulo nach Frankfurt neben ihm sass. Berger rekrutierte den promovierten Techniker vom Fleck weg. Dann ging es flott: Wittig wurde 2004 Finanzchef der Gruppe, 2010 nahm er im Chefsessel Platz. Bis ihn nur drei Jahre danach die Diagnose ereilte: Blutkrebs. Wittigs steile Karriere bei Roland Berger war schlagartig zu Ende.
Jetzt, fünf Jahre später, kehrt der Top-Manager mit Fanfaren in die Branche zurück - beim Berger-Konkurrenten Bain & Company – doppelt so viel Umsatz, doppelt so viele Mitarbeiter. Dass er nicht bei Roland Berger anheuert, überrascht Weggefährten nicht: Es hätte in der Vergangenheit den einen oder anderen Konflikt mit dem Gründer und einstigen Verwaltungsratspräsidenten gegeben.
Ein Ass im Ärmel
Bain gelingt mit der Rekrutierung ein kluger Schachzug. Wittig ist bestens verdrahtet und hat attraktive Mandate – etwa im Verwaltungsrat der UBS SE in Frankfurt, beim Logistiker Kühne + Nagel, als Lehrbeauftragter an der Uni St. Gallen oder als Honorarkonsul für Deutschland in Zürich.
«Sie wollen über ihn vor allem mit den Banken ins Geschäft kommen», sagt ein Insider. Ausserdem seien sämtliche Berater im sich konsolidierenden Markt stark unter Druck: EY, PWC, Deloitte, KPMG, sie alle wollen ein Stück vom Kuchen. Wer hier zusätzlich mit erfahrenen, prominenten Köpfen in der Beraterszene auftrumpfen kann, hat schon mal ein Ass im Ärmel.