«Tante Emma auf Speed» nannte Bilanz das Schweizer eFood-Unternehmen Farmy.ch. Mit ihrem nahtlosen und transparenten Bestell- und Lieferservice von überwiegend bio-zertifizierten Frischwaren vom Bauernhof bis zur Haustür ist Farmy innert gerade einmal sechs Jahren zur Nummer 3 des Schweizer Online-Lebensmittelmarktes avanciert. Anteil an der Erfolgsgeschichte hat auch das UBS Growth Advisory Team, das zwei substantielle Finanzierungsrunden mitunterstützte. Wie es dazu kam, lesen Sie im Interview mit Tobias Schubert, Mitgründer und Co-CEO von Farmy, und Lukas Reinhardt, Leiter Growth Advisory bei UBS.
Wann war der Erstkontakt zwischen UBS und Farmy?
Lukas Reinhardt (UBS Growth Advisory): Der Erstkontakt mit Farmy hat bereits im Jahr 2016 stattgefunden. Es ging gleich um das Thema Fundraising und wie UBS Farmy helfen könnte passende Investoren zu finden. Seither haben wir mehrmals erfolgreich mit Farmy in Fundraisingprozessen zusammengearbeitet.
Farmy wurde aber schon 2014 gegründet. Woher kamen die notwendigen Mittel?
Tobias Schubert (Farmy): Das erste Jahr haben wir komplett selbst finanziert und in Eigenregie eine Runde von 660'000 Franken von Business Angels eingesammelt. 2015 gabs noch eine weitere Runde mit ein paar zusätzlichen Investoren.
Erst danach ist UBS eingestiegen?
LR: Richtig, bei early-stage Seed-Finanzierungsrunden ist die UBS typischerweise nicht involviert. Wir werden aktiv, wenn ein Unternehmen bereits bedeutende kommerzielle Kundenumsätze generiert, also im Growth-Stage ist.
Wofür genau braucht Farmy Geld?
TS: Wie viele E-Commerce-Unternehmen mussten auch wir zuerst Infrastruktur, Personal und IT aufbauen. Wir sind ja hauptsächlich ein IT- und Logistik-Unternehmen, wenn wir das Marketing einmal ausblenden. Mittlerweile sind wir im operativen Business zwar profitabel, d.h. rein aufgrund Bestellungen abzüglich Marketing, Logistik, Verpackungen etc. Aber um auch den monatlichen «Burn» wie Head-Office-Kosten stemmen zu können, brauchen wir nach wie vor zusätzliche Funds, so z.B. für Kunden-Akquisition und weiteres strukturelles Wachstum – das ist ein rechter Batzen.
Wie entscheidet UBS, ob die Investorensuche Sinn macht?
LR: Wir haben ein klares Profil, denn bei der Beurteilung eines konkreten Cases sind verschiedene Faktoren wichtig. Neben dem innovativen Charakter und den bereits erwähnten Kundenumsätzen von über 1 Million Franken pro Jahr, spielen z.B. auch die Kompetenzen und Erfahrungen des Teams, das internationale Marktpotential, die Alleinstellungsmerkmale des Unternehmens, das Wettbewerbsumfeld und die Skalierbarkeit des Geschäftsmodells eine grosse Rolle. Zudem sollte der Investment Case einfach und klar kommunizierbar sein, und der Markt nicht zu nischig oder exotisch sein. Auf dieser Basis überlegen wir uns dann, ob und wie ein Case bei den uns bekannten Investoren wohl auf Anklang stossen kann. Selbstverständlich haben es hier innovative und zukunftsträchtige Themen einfacher. Je mehr Boxen wir da im Vorfeld checken können, desto grösser sind die Chancen, dass wir erfolgreich Investoren im Rahmen eines strukturierten Fundraisingprozesses finden können. Last but not least ist für eine enge Zusammenarbeit dann natürlich auch wichtig, dass man sich zwischenmenschlich gut mit den Unternehmensvertretern versteht.
Und Farmy war da ein wunderbarer Match?
LR: Vollkommen. Die einzigartige Positionierung im E-Commerce und E-Food in der Schweiz, das Lebensmittelangebot mit dem Fokus auf Nachhaltigkeit und «locally sourced Food» trifft einen Nerv der Zeit. Konsumenten suchen heute Transparenz bei Produktion und Lieferketten. Auf Farmy.ch sieht man die Weide, das Feld und den Bauernhof, wo das bestellte Produkt wächst. Und dank Farmys B2C-Modell kann jeder und jede einfach bestellen und den Service testen.
TS: Der Trend ist unser Friend. Und der geht in Richtung Online-Einkaufen, mehr Regionalität, Nachhaltigkeit und bewusstes Einkaufserlebnis. Bei den UBS Investoren half auch, dass Farmy einen verständlichen, handfesten Elevator Pitch hatte.
Hatte Farmy Alternativen zu UBS Growth Advisory?
TS: Klar, quer-beet von Business Angels zu Finanzberatern! Aber der Service der UBS war für uns interessant wegen der Reputation ihres Investoren-Netzwerks, des UBS Private Investor Circle. Viele dieser High-Networth-Individuals sind oder waren selber Unternehmer aus der Schweiz. Die wissen, worum es geht. Damit konnten wir uns bei Farmy sehr gut identifizieren - und die Investoren mit uns. Wir wollten eben keinen «aggressiven Finanzhai», der nach zwei Jahren Gewinn abschöpft und wieder aussteigt. Das passte zu unserer Vision eines nachhaltigen Geschäfts dank Investitionen von Leuten, die verstehen und schätzen, was wir machen.
Equity Fundraising und Wachstumskredite sind das A und O für jedes Jungunternehmen, das sich schnellem, intelligenten und nachhaltigem Wachstum verschreibt. Den Zugang zu den richtigen Finanzierungsquellen und Investoren innert sinnvoller Frist und mit bewältigbarem Aufwand zu finden, ist aber nicht immer einfach.
Die Spezialisten des UBS Growth Advisory Teams helfen mit einem ganzheitlichen Ansatz:
- Im Rahmen einer Vorabklärung prüfen wir Ihr Geschäftsmodell und Business-Strategie auf Umsatzstärke, Marktpotential, Alleinstellungsmerkmale, Kompetenzen, Wachstumsaussichten, etc.
- In unserem Netzwerk identifizieren wir dann z.B. High-Networth-Individuals, Family Offices und auch institutionelle Investoren, die an einem Investment interessiert sein könnten.
- Als Vermittler stellen wir im Rahmen eines strukturierten und transparenten Prozesses den vertraulichen Kontakt zwischen aussichtsreichen Scale-ups als Investitionsobjekt und interessierten InvestorInnen her.
- Alternativ bietet UBS auch die Möglichkeit kleinerer Bankkreditlinien zur Wachstumsfinanzierung von Scale-up Firmen.
Ein veritabler Glücksfall...
TS: Nicht nur. Der Schlüsselbegriff ist intrinsische Motivation. Natürlich will jeder Investor langfristig sein Geld vermehren. Aber bei unseren Investoren schwang eine intrinsische Motivation mit: «Ich will mit meiner Investition auch etwas Gutes bewegen.» Da hat UBS offensichtlich die richtigen Leute herausgefiltert und angesprochen. Das hat sehr gut funktioniert.
LR: Es hilft natürlich, dass wir unser Geschäft nun schon seit mehreren Jahren betreiben und unsere Investoren, bzw. deren Präferenzen mittlerweile gut einschätzen können. Wir engagieren uns in der ganzen Schweiz typischerweise ab der Wachstumsphase. Dieser ganz konkrete Fokus ab sogenannten Series-A Finanzierungsrunden, von ca. 3-15 Millionen, ist dabei unser USP und Sweet Spot. Durch unseren Track Record und auch dank Mund-zu-Mund-Propaganda haben wir erfreulicherweise die richtigen Credentials, um auf die passenden Jungunternehmen zuzugehen.
Wo liegt dabei der Mehrwert für Wachstumsunternehmen?
LR: Wir helfen den Firmen dabei, ihren Investment Case ideal bei Investoren zu positionieren. Daneben profitieren sie selbstverständlich vom Zugang zu unserem Investorennetzwerk, dem darin versammelten Wissen und Potential. Hier wirkt die UBS als Vermittlerin zwischen den beiden Seiten mittels eines strukturierten Prozesses. Zudem können wir die Investoren so vorinformieren und vorbereiten, dass der Ressourceneinsatz für Unternehmer wie Tobias beim Investoren-Pitch vertretbar wird und den Prozess für das Unternehmen auch so attraktiv macht. Mit transparenter Information und dem strukturierten Zusammenführen von Unternehmen und Investoren schaffen wir schrittweise das nötige beidseitige Vertrauen, auf dem ein erfolgreiches Fundraising zwischen Investoren und Jungunternehmen aufbaut.
Spurt die Scharnierstelle UBS auch andernorts vor?
TS: Ein weiterer Vorteil ist, dass wir quasi beim Erstkontakt mit UBS eine umfangreiche Vorprüfung durchliefen. Dieser Review-Prozess ist eine gesunde, sinnvolle Hausaufgabe, so detailliert dieser auch sein mag. Denn viele Start-ups haben noch gar keine gute Dokumentation – dabei ist sie absolut zentral. Zudem ist’s ein kleiner Vor-Pitch, bei dem man aber noch nichts wirklich zu verlieren hat. Man hinterlässt keine verbrannte Erde, sondern bekommt im schlimmsten Fall konstruktives Feedback und Kritik. Das fand ich im Fall von Farmy sehr wertvoll.
Was bringt der Review-Prozess der UBS?
LR: Wir bieten in diesem Segment keine Anlageberatung für Investoren oder eine Due Diligence im rechtlichen Sinne an (das obliegt dem Investor). Die Zusammenführung von Investor und «Investitionsobjekt» ist aber doch sehr aufwändig. Denn bis wir eine Farmy finden, schauen wir uns gut und gerne 50 bis 100 Fälle an, sondieren Informationen und destillieren die starken Cases heraus. Unser Ziel ist, die Prozesseffizienz für alle, Jungunternehmen wie gestandene Investoren, zu steigern und als Vermittler in einem optimierten Prozess den Aufwand für alle zu minimieren. Das ist für beide Seiten attraktiv.
TS: Das kann ich nur bestätigen: Hat man erst einmal die Aufnahmeprüfung bestanden, ist der Prozess enorm straight-forward. Denn die Investoren wissen: Was UBS ihnen schickt, ist bereits vorselektiert – und prinzipiell interessant. Und für uns entfallen Cold-Calling und die langwierige Suche nach potentiellen Investoren. Das ist ein gigantischer Vorteil.
Wie äusserte sich der konkret?
TS: Dank der erfolgreichen Vorabklärung und dem Fachwissen von UBS über Farmy war das ein hoch effizienter Prozess, bei jeder Finanzierungsrunde. Die Conversion Rate bei den Investorenkontakten ist gefühlt viel höher, als wenn wir das selber ins Blaue gemacht hätten. Wir hatten Fälle, da war nach einer halben Stunde am Telefon eine halbe Million gesprochen. Oder sogar mehr.
Bleibt das UBS Growth Advisory Team auch bei zukünftigen Fundraising-Projekte Farmys Partner?
TS: Auf jeden Fall. Wir planen für nächstes Jahr eine weitere Finanzierungsrunde. Sobald wir die Dokumentation vorbereitet haben, werden Lukas und ich uns in gewohnter Manier wieder austauschen und überlegen, wer da am besten in Frage kommt. Das ist der Plan.
LR: Das ist auch mein Plan. Im Ernst, für uns ist es natürlich äusserst erfreulich, wenn sich eine Firma so positiv entwickelt wie Farmy. Das bestätigt ja auch die Qualität unserer Ersteinschätzung bei der Selektion und die Arbeit in allen weiteren Schritten. Schliesslich ist eine Erfolgsstory wie Farmy auch für unsere Investorenkunden ein positives Erlebnis. Und parallel zu Farmy`s weiterer Reife und Wachstum erweitert sich auch der Kreis von neuen Investoren und wachstumsstarken Unternehmen als zukünftige Kunden von uns.
Die Umsatzsteigerung von 170% auf 26 Mio. CHF im Covid-Jahr wird sich 2021 nicht ganz wiederholen lassen. «2020 war ein Extremereignis» sagt Mitgründer und Co-CEO Tobias Schubert. Aber die Branche werde dies allgemein nicht wiederholen können. Denn glücklicherweise durften die Menschen in der Schweiz wieder vermehrt am «normalen» Leben teilnehmen.
Gleichwohl stehen die Zeichen für Farmy auch 2021 auf Wachstum: «Farmy wird auch dieses Jahr der am schnellsten wachsende Schweizer Online-Lebensmittelplayer sein», so Schubert. «Zuzüglich zum Core Business in der Schweiz haben wir Farmy Solutions gestartet. Dabei verkaufen wir die zugrundeliegende IT-Lösung auch im Ausland. In Deutschland beispielsweise haben wir gerade einen ersten grossen Vertrag unterschrieben.»
Für den Heimmarkt Schweiz stellt Schubert aggressives Wachstum und Produktausbau in Aussicht. Richten sollen dies eine weitere Steigerung der Liefergeschwindigkeit, die Ausweitung des Einzugsgebiets und einer vertieften Wertschöpfungskette hinsichtlich Lebensmittelverarbeitung und der Gestaltung des Sortiments – alles getreu Farmy`s Mission, einen gesunden und nachhaltigen Lebensstil zu fördern. Denn die Urmotivation bei Farmy sei immer, auch Gutes zu tun.
«Dank Farmy isst man gut und gesund, unterstützt innovatives Kleingewerbe, deren hochwertige, oftmals biologische Produkte klimaneutral und umweltfreundlich produziert und geliefert werden, derweil wir Food Waste mini- oder gar eliminieren», unterstreicht Schubert. «Damit gibt es immer weniger Argumente, um beim Grossverteiler einkaufen zu gehen.»
Auch wenn dies nur eine Kampfansage im Sinne von David gegen Goliath ist – Farmy`s Mitbewerber und Marktführer Coop und Migros werden sich warm anziehen müssen.