Kein Mensch weit und breit. Auf einer Wiese neben dem Minibahnhof grasen ein paar Kühe. In Aathal im Zürcher Oberland gibt es vor allem Wald und ein grosses Industriegebäude, das früher eine Spinnerei war. Von hier aus wollen ein paar Jungunternehmer mit Dunkin’-Donuts-Filialen die Schweiz erobern. Das Büro haben sie eben erst bezogen. Es riecht noch stark nach neuem Spannteppich. Auch im 380 Quadratmeter grossen Finishing Center ist noch alles weiss und proper.

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Im Tiefkühllager stapeln sich Kartons mit vorfrittierten Donuts. Sie stammen aus einer spanischen Grossbäckerei. In Aathal werden sie täglich ab 20 Uhr aufgetaut, in Handarbeit mit Glasur und Topping versehen und später nach Basel gefahren. Dort steht die bisher einzige Filiale. Noch sind es rund 2000 Stück, aber mittelfristig werden hier täglich 30'000 Donuts veredelt. Sofern denn die Strategie der jungen Franchiser aufgeht.

McDonald’s hilft Dunkin’ Donuts

In der Schweiz ist das Potenzial für fettiges Fast Food nach US-Vorbild weitgehend ausgeschöpft. Die schnelle Verpflegung erlebt seit ein paar Jahren einen radikalen Wandel. Für Schüler und Studenten steht zwar weiterhin kalorienreiche Nahrung für wenig Geld im Fokus, doch die kaufen sie inzwischen direkt bei Migros und Coop, die heute fast alle ihre Filialen mit günstigem Take-away-Food ausstatten. Für linienbewusste Schnellesser gibt es unzählige gesunde Alternativen. Sie heissen Gärtnerei, Not Guilty, Dean & David oder Martha’s Salad und eröffnen in den Städten fast im Wochentakt neue Take-away-Standorte. Sie locken mit Proteinen statt Kohlehydraten.

Alina Ghindea kümmert das nicht. Die 33-jährige Deutsche mit rumänischen Wurzeln hat bei Dunkin’ Donuts Schweiz das Sagen. Die Juristin strotzt vor Selbstvertrauen und schöpft aus einem beachtlichen Repertoire von Statements, die auch als Werbeslogans durchgingen: «Wir sind weder Fast Food noch eine Bäckerei, wir sind für Jugendliche»; «Ich kenne keinen, der mit Salat Geld verdient»; «Bei uns geht jeder mit einem Lächeln aus der Filiale: Was gibts Schöneres?».

Skepsis kommt nicht von ungefähr

Ghindea hat in Deutschland einen Fast-Food-Turbostart hingelegt. Während des Studiums jobbte sie bei McDonald’s, drei Jahre später führte sie neun Filialen des Gastroriesen im Raum Hannover. Dass die Schweizer Presse den Markteintritt von Dunkin’ Donuts mit einer gewissen Skepsis aufnahm, kann sie nicht verstehen: «Warum reagiert man so negativ auf uns? Hier investieren junge Menschen ihr gesamtes Vermögen, um unternehmerisch tätig zu sein und Arbeitsplätze zu schaffen.»

Die Skepsis kommt nicht von ungefähr. Die drei Gründer des Franchisers PRS Restaurants sind erst 22- und 23-jährig. Noch während des Wirtschaftsstudiums beschlossen sie, etwas Eigenes aufzubauen. Ihnen fiel auf, dass Dunkin’ Donuts in der Schweiz noch inexistent war. «Also beantragten wir in den USA das Franchising für die Nordwestschweiz», erzählt Mitbegründer Sebastian Homann. Der Konzern wollte aber die Lizenz nur für die ganze Schweiz vergeben. Ein etwas gar grosser Brocken für ein paar motivierte Jungunternehmer. Auf der Suche nach erfahrenen Helfern kamen sie mit Roland Zanotelli und Paul Nagel in Kontakt. Der eine ist Immobilienunternehmer, der andere betreibt ein paar Burger-King-Filialen. Nagel holte schliesslich Ghindea in die Schweiz und setzte sie den jungen Franchisern vor die Nase. Der Konzern gab grünes Licht.

Schlange stehen für Donuts

«Es war zu erwarten, dass die Leute uns gegenüber eher zurückhaltend reagieren würden», interpretiert Homann die öffentliche Skepsis. Der Deutsche lebt seit zehn Jahren in Basel, am Handgelenk funkelt eine weisse Rolex Daytona. Er versprüht Neugier und Aufbruchstimmung. «Die Farben faszinieren die Leute», sagt er mit ernster Miene.

Falsch ist das sicher nicht. Zur Eröffnung am 1. März in Basel standen die Leute für die farbenfrohen Donuts Schlange. Und das nicht nur, weil die ersten 15 Käufer Gutscheine für eine Jahresration Donuts erhielten, wie Homann beteuert: «Auch die nächsten Tage bildeten sich regelmässig Schlangen.» Fans hat die Marke viele. Nach der Ankündigung im September 2015 ging ein Jubel durch die Social-Media-Kanäle.

Fluch und Segen zugleich

Ein Augenschein in Basel zeigt aber: Der Standort an der Greifengasse ist Fluch und Segen zugleich. Das kleine Lokal mit vier Sitzplätzen liegt zwar mitten in der Einkaufspassage, aber eingeklemmt zwischen McDonald’s, wo der Donut zehn Prozent weniger kostet, und einer grossen Migros-Filiale, wo Berliner für 1.30 Franken in der Auslage warten. Zwei weitere Standorte in Bern und im zürcherischen Hinwil sind bereits gesichert. Der Franchisevertrag schreibt vor, dass bis 2022 in der Schweiz 30 Filialen stehen müssen. Angebote gebe es mehr als genug, versichert Ghindea.

Noch nicht ganz so weit wie Dunkin’ Donuts ist Kentucky Fried Chicken (KFC). Ein mittelgrosser Pressehype im Januar kündigte die pouletlastige Fast-Food-Kette an. Nachdem die Mutterfirma Yum Brands den Slogan «It’s finger lickin’ good» für die Schweiz hatte eintragen lassen, fragte der «Blick» beim deutschen Expansions-Chef nach. Die Pläne für den Markteintritt seien «bereits fortgeschritten», antwortete dieser. In den nächsten ein bis zwei Jahren solle es losgehen. Dass die Nachfrage gross sei, spüre er in der Filiale im grenznahen Singen (D), wo am Wochenende «überwiegend Schweizerdeutsch» gesprochen werde.

Hohe Scheiter-Quote

KFC war schon mal da. 1981 eröffnete die erste Filiale am Stauffacher in Zürich. Sie blieb nicht lange. Die letzten zwei in Genf und Lausanne schlossen nach der Jahrtausendwende. Das Comeback wirkt nun wie ein Akt der Verzweiflung. KFC kann im Hauptmarkt USA schon länger nicht mehr wachsen. Analysten sagen der Kette rückläufige Umsätze in den nächsten zehn, zwanzig Jahren voraus. Und da es an Innovation fehlt, bleibt nur die Expansion. Bei Dunkin’ Donuts ist die Situation ähnlich.

«Die sind vollkommen chancenlos», sagt einer, der den Schweizer Fast-Food-Markt wie kein Zweiter kennt: Leo Egloff, Ex-Geschäftsleitungsmitglied von Mövenpick und in den achtziger Jahren für Silberkugel, die erste Schweizer Fast-Food-Kette, verantwortlich. Der Markt für Schnellverpflegung sei total übersättigt. Dass es auch andere Fast-Food-Ketten beim zweiten Versuch geschafft hätten, müsse nichts bedeuten, sagt Egloff.

Gemeint sind Subway und Burger King. Letztere feierte ihr Schweizer Comeback vor 15 Jahren. Heute zählt der Riese aus Florida 45 Schweizer Restaurants. Die Expansion hat sich aber verlangsamt, und die Standorte funktionieren nur an zentralsten Lagen oder stark befahrenen Strassen. Umsatzzahlen für die Schweiz veröffentlicht das Unternehmen nicht. Die US-Sandwichkette Subway startete nach dem Rückzug in den Neunzigern vor neun Jahren erneut und bringt es auf 35 Standorte in 28 Gemeinden. Die Filialen gedeihen erstaunlicherweise auch an weniger frequentierten Lagen. Beim Neustart setzte man auf ein aufgeräumteres Ladenkonzept und nahm gesündere Zutaten ins Angebot.

Gescheiterte Fast-Food-Vorstösse

Die Marke Pizza Hut, die wie KFC und Taco Bell zu Yum Brands zählt, verzichtet auf einen zweiten Versuch. Der erste endete 2004 mit dem Konkurs des Franchisers. Die letzten sechs Restaurants mussten schliessen, 100 Angestellte verloren ihren Job.

Gescheiterte Fast-Food-Vorstösse gab es auch in der Westschweiz. Vor sechs Jahren verspürten Franchiser zweier französischer Fast-Food-Konzepte Aufwind. Aus der Romandie heraus wollten die Pastaketten Francesca und Mezzo di Pasta das ganze Land erobern. Die welsche Cateringfirma DSR plante zwölf Mezzo-Filialen. Das höchste der Gefühle waren 2013 vier Läden in Genf, Neuenburg und Lausanne. Zwei wurden in der Zwischenzeit wieder geschlossen. Der Schweizer Francesca-Lizenznehmer Denis Grobet zielte auf Zürich und Bern und plante fünf Deutschschweizer Läden bis 2011. Zehn sollten es schweizweit sein. Stand heute: vier Filialen in der Romandie.

In den urbanen Gebieten der Westschweiz, wo die Fast-Food-Nachfrage konstanter ist, herrscht heute ein knallharter Wettbewerb. Gegenüber «Bilanz» klagt ein Franchiser, der anonym bleiben möchte, über einen grösseren Konkurrenten, der regelmässig bei Baueingaben Einspruch erhebe.

Hipster-Burgerketten als Konkurrenz

Auch in der Deutschschweiz steigt der Druck. Hier sind es die neuen, teilweise einheimischen Hipster-Burgerketten, die um die besten Standorte an zentralen Lagen kämpfen. Sie heissen The Butcher, Holy Cow, B.good und Jack & Jo. Die Zutaten sind weitgehend heimisch, teilweise bio und meist weniger ungesund als bei den US-Ketten. «Wir nennen es Slow Fast Food», erklärt Daniel Wiesner von Fredy Wiesner Gastronomie. Neben The Butcher betreibt das Zürcher Unternehmen fünf weitere Gastroketten, darunter Nooch und Negishi. Zu den drei erfolgreichen Butcher-Restaurants in Zürich kommt demnächst ein viertes in Zug hinzu. «Das tiefgefrorene Hamburger-Patty essen die Leute nicht mehr», sagt Wiesner. «Das Fleisch muss frisch und aus der Schweiz sein.»

Wiesner räumt KFC nur bedingt Chancen ein: «Für einige Filialen hat es sicher Platz. Dass aber eine flächendeckende Expansion ohne Anpassungen an die Schweizer Bedürfnisse Erfolg hat, denke ich eher nicht.» Die Amerikaner stehen einem heimischen Verpflegungsprofi gegenüber, der gerade ein viel besseres Konzept aufbaut: «Die Migros hat mit ihren stark expandierenden Chickeria-Restaurants, die auf Nachhaltigkeit und heimisches Fleisch setzen, grössere Chancen», glaubt Wiesner.

Strauchelnder Platzhirsch

Derweil gerät Platzhirsch McDonald’s mit seinen 163 Filialen ins Straucheln. «Die laborieren jetzt verzweifelt mit neuen Produkten, um ein Mittel gegen den unaufhaltsamen Rückgang zu finden», glaubt Gastrokenner Leo Egloff. Die Gefahr: Je grösser das Angebot und je individueller die Hamburger, desto weiter entfernt sich der Fast-Food-Anbieter von der Systemgastronomie. Und die ist per Definition auf ein schnelles, einfaches, beschränktes und günstiges Angebot ausgerichtet.

Letztes Jahr schrumpfte der McDonald’s-Umsatz zum ersten Mal seit 2002. Die Einnahmen gingen um 33 Millionen auf 702 Millionen Franken zurück. Schweiz-Chef Harold Hunziker gibt dem Einkaufstourismus die Schuld. «Unsere rund 30 Restaurants an den Grenzen konnten klar weniger Gäste begrüssen», liess er die Presse wissen. Schweizweit kehrten sechs Prozent weniger Menschen bei ihm ein. Im Vergleich zum Vorjahr verlor der Konzern Tag für Tag 90 400 Franken an Einnahmen.

Umsatz dank Frühstück

Der Rückgang war absehbar. Auf der verzweifelten Suche nach neuen Einnahmequellen stiess man zuletzt auf ein altbewährtes Rezept: Kaffee und Kuchen. Inzwischen wurden in 72 Filialen McCafé-Tresen eingebaut. McDonald’s ist nun auch die grösste Kaffeekette im Land. Hunziker hofft, dass er mit Bagels, Gipfeli, Pancakes und Speck-Burgern mehr Leute in die Restaurants bringt. Neu bekommen die ihr Essen sogar an den Platz serviert.

In den USA erlebt das Mutterhaus vor allem dank des Frühstückangebots und rekordhoher Werbeausgaben eine Renaissance. Dazu spannt der Konzern beliebte YouTuber ein. Das Beste, was jemals habe passieren können, sei das All Day Breakfast von McDonald’s, twitterte kürzlich der junge Video-Blogger Coleson (eine Million YouTube-Abonnenten). Das fand sogar in der «Financial Times» Erwähnung.

Die harte Suche nach Standorten

Die Frühstücksoffensive macht Dunkin’ Donuts den Schweizer Markteinstieg nicht einfacher. Die Bezugskanäle für Kaffee, Gipfeli, Süssgebäck und Sandwiches wachsen stärker als die Nachfrage. Dazu kommt, dass die Schweizer bislang wenig Sympathie für den Donut zeigten. Der Zürcher Gastroberater Jürg Landert ist trotzdem optimistisch: «Jeder Trend setzt einen Gegentrend.» Gesündere Ernährung sei zwar in aller Munde, aber letztlich esse die Masse weiterhin ungesund. Dunkin’ Donuts kann er sich hauptsächlich in Form von Minifilialen in Einkaufscentern oder Flughäfen vorstellen. «Die Frage ist nur, ob sie die Betreiber dort auch wollen.»

Das Problem ist allerdings ein ganz anderes: Dunkin’-Donuts-Schweiz-CEO Ghindea will dort gar nicht hin. «Wir bevorzugen grössere Standorte», sagt sie. Gemeint sind sogenannte Counter Stores mit 40 bis 70 Quadratmeter Fläche. «Wir suchen aber auch in jeder grösseren Stadt einen Flagship Store mit rund 120 Quadratmetern.» Die angepeilte Kundschaft, hauptsächlich 15- bis 35-Jährige, soll sich schliesslich wohlfühlen. Ganz wie bei Starbucks. Das sagt Ghindea natürlich nicht. Dafür das: «Gratis-WLAN gibts bei uns selbstverständlich auch.»

Über kostenlosen Internetzugang macht man sich bei KFC noch keine Gedanken. Zuerst müssen mal gute Standorte her. Die Expansionsstrategen in Deutschland sind aber noch nicht fündig geworden. Es bleibt sogar offen, ob die Pouletkette überhaupt in die Schweiz kommt. Die jüngste Comeback-Durchsage ist nicht die erste seit dem Rückzug. Schon 2010 verkündete eine KFC-Sprecherin den baldigen Schweizer Wiedereintritt. Der Expansions-Chef will sich auf Anfrage nicht mehr äussern. Eine PR-Sprecherin schreibt: «Bitte haben Sie Verständnis, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt zu den Expansionsplänen in der Schweiz keine weiteren Auskünfte oder Stellungnahmen geben können.» Aufbruchstimmung klingt anders.