Hans Baumberger hat es geschafft. Über 20 Jahre lang war er Präsident der Merkur Druck in Langenthal BE und einer der grösseren Aktionäre. Nun hat das über 100-jährige Traditionshaus einen neuen Eigentümer. Die Übergabe ging zügig vonstatten. Vor zwei Jahren beschlossen die Hauptaktionäre, dass die Druckerei an einen Unternehmer übergehen sollte. «Der Plan war», sagt Baumberger, «einen Geschäftsführer zu finden, der die Firma kauft und strategisch weiterbringt.»

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Das war im Jahr 2007. Der neue Eigentümer hat die Firma inzwischen mehrheitlich übernommen. Dies war auch deshalb durchführbar, weil die Altaktionäre nicht den höchstmöglichen Preis herausschlagen wollten, sondern das langfristige Überleben der Firma im Zentrum stand. «Für uns standen Kunden und Mitarbeiter an erster Stelle», sagt Baumberger, «und das Entscheidungszentrum sollte in Langenthal bleiben.»

Die Nachfolge innerhalb zweier Jahre zu regeln, war möglich, weil das Unternehmen fit war. Der Verwaltungsrat hatte über Jahre eine Expansionsstrategie verfolgt, den Umsatz von 3 auf 30 Millionen Franken erhöht. Die Erträge wurden weitgehend reinvestiert und die Dividende knapp gehalten. Da und dort kaufte man in der Region etwas zu. Baumberger ist, obwohl mittlerweile 65, noch immer VR-Präsident. Der neue Eigentümer brauchte ihn noch als Sparringpartner.

Wie bei der Merkur Druck steht in der Schweiz bei Tausenden von Firmen eine Stabübergabe an die nächste Generation bevor. Ein Viertel der rund 300  000 meist familieneigenen KMU muss in den kommenden fünf Jahren einen Nachfolger finden. Dies sind rund 77  000 Firmen mit rund einer Million Beschäftigten. Doch meist treten nicht die Nachkommen in die Fussstapfen der Väter. Nur noch 40 Prozent der Firmen werden familienintern weitergegeben, wie eine neue Studie von Credit Suisse und der Universität St.  Gallen (HSG) belegt. Vor vier Jahren waren es noch 60 Prozent.

VIELE OPTIONEN. Die Gründe dafür liegen im gesellschaftlichen Wandel. Die Wertvorstellungen und Rollenmuster haben sich geändert. Familienpflichten haben nicht mehr den gleichen Stellenwert wie einst. «Auch haben die jungen Leute heute viele berufliche Optionen, die früher fehlten», sagt Frank Halter, einer der Autoren der Studie «Erfolgreiche Unternehmensnachfolge». Der HSG-Forscher hat auch ein Umdenken bei den Patrons festgestellt: «Sie überlegen sich mehr, wer der richtige Nachfolger sein könnte.» Und dies sei nicht unbedingt der Filius.

Kommt eine familieninterne Nachfolge in Betracht, ist es freilich doch meist der Sohn, der in die Hosen steigt – auch dies ein Resultat der Studie. 59 Prozent der rund 950 Unternehmer, die sich an der Umfrage beteiligten, bevorzugen den Sohn als Nachfolger, während nur 14 Prozent auf die Tochter setzen. Steht eine externe Lösung zur Diskussion, so setzen 52 Prozent auf die eigenen Mitarbeiter (siehe Grafiken als PDF).

Einigkeit herrscht unter den Patrons über die wichtigsten Ziele bei der Stabübergabe. Prioritär sind der langfristige Fortbestand der Firma und die Sicherung der Arbeitsplätze. Die finanzielle Absicherung der Familie dagegen wird erst an fünfter Stelle genannt. Werden die Unternehmer nach den Problemen bei der Firmennachfolge befragt, so wird die Suche nach einem Nachfolger tendenziell als grosse Belastung erfahren.

FIRMA IM ZENTRUM. Doch zum Scheitern des Nachfolgeprozesses führen diese Schwierigkeiten in den seltensten Fällen. Schwerer wiegt der Umstand, dass viele Unternehmer den Nachfolgeprozess zu spät einleiten. Sie können sich emotional nicht vom Unternehmen lösen. Es ist ihr Kind, oft haben sie es aus dem Nichts aufgebaut. «Es ist deshalb wichtig, dass die Nachfolge rechtzeitig thematisiert wird», sagt Hans Baumgartner, Leiter des KMU-Geschäfts Schweiz der Credit Suisse. Zu oft drehe sich die Diskussion um die Person des Unternehmers statt um die Weiterführung der Firma.

«Der Unternehmer sollte signalisieren, dass die Nachfolge für ihn kein Tabuthema ist», so Baumgartner. Erst in einer offenen Diskussion mit allen Beteiligten entwickeln sich die Perspektiven für eine gelungene Nachfolge. Denn der Generationenwechsel löst nicht nur beim Unternehmer Ängste und Verunsicherung aus. Auch Kunden, Lieferanten und Mitarbeiter fragen sich, wie es weitergeht. Es gilt also, möglichst schnell und transparent Handlungsoptionen aufzuzeigen.

Auch die Finanzfrage ist vielfach ein Stolperstein bei der Firmenübergabe. Notorisch ist der Fall eines Baumeisters, der seine Firma mit zehn Mitarbeitern für 500  000 Franken verkaufen wollte. Das beste Gebot betrug indessen 200  000 Franken. Zu wenig, meinte er. Ein Jahr später, die Firma hatte nur noch fünf Angestellte, war er vergeblich bereit, sie für 200  000 Franken abzugeben.

Ein Scheitern des Verkaufs hängt oft mit den verschiedenen Sichtweisen von Käufer und Verkäufer zusammen. Für den Nachfolger steht das Potenzial des Unternehmens im Vordergrund, die künftigen Cashflows und Marktchancen. Demgegenüber betrachtet der Übergeber den Verkaufspreis als Abgeltung für die Investitionen der Vergangenheit. «Oft schätzt der Eigentümer die Firma zu hoch ein», sagt Frank Halter aus seiner Erfahrung als Geschäftsleitungsmitglied des Center for Family Business. Es sei ganz wichtig, gerade im derzeit herrschenden Käufermarkt eine realistische Einschätzung des Unternehmenswerts zu haben.

Doch bis der Verkauf steht, vergehen unter Umständen Jahre, die ganz schön am Nervenkleid rütteln können. Sabine Bellefeuille hat eine Firmenübergabe selbst erlebt. Zusammen mit ihrem Bruder Martin Burri hat sie vom Vater die Burri Public Elements übernommen. Seit 2000 leiten die beiden in vierter Generation das Unternehmen in Glattbrugg, das 40 Mitarbeiter beschäftigt, zusammen mit einem Partner. «Wir sind beide starke Persönlichkeiten und absolut gleichberechtigt», sagt sie. Sonst würde diese Nachfolgelösung nicht funktionieren.

STRIKTE TRENNUNG. Bellefeuille hat aus dem Übergabeprozess einige ganz zentrale Erkenntnisse gewonnen: «Wir haben während des ganzen Verfahrens Privates und Geschäftliches strikt getrennt. In den Geschäftsräumen wurde nur übers Geschäft geredet. Bei privaten Zusammenkünften wiederum war das Geschäftliche tabu.» Die Partner der beiden Nachfolger wurden permanent informiert, um sicherzustellen, dass sie sich von Anfang an mit dem Unternehmen identifizierten. Der Verwaltungsrat wurde neu formiert. Zudem wurden 1996 die Mutter und die Schwester in den VR aufgenommen. Das Gremium bereitete die Übernahmefähigkeit der Firma gezielt vor. «Wir entwickelten eine Fünf-Jahr-Strategie», sagt Bellefeuille, «um für alle Geschäftsbereiche die Zukunft zu sichern. Wir alle wussten, dass wir einige Zeit mit der Übergabe beschäftigt sein würden.»

Es wurden Risiken und Chancen definiert. «Unser Vater hat dann alle entscheidenden Vorbereitungshandlungen selbst vorgenommen», so Bellefeuille. Er habe die notwendigen Investitionen initiiert und wichtige Veränderungen in Struktur und Kommunikation umgesetzt. So werden sie von den Mitarbeitern, Lieferanten und Kunden besser akzeptiert, und der Nachfolger kann frei von Belastungen antreten. Weil er nicht von Anfang an Feuer löschen muss, kann er seine Beziehungen zu allen Beteiligten festigen, Prozesse analysieren und seine eigene Strategie entwickeln. Erst wenn dies gelungen ist, ist die Übergabe erfolgreich abgeschlossen.