Kommenden Mittwoch entscheidet der Bundesrat voraussichtlich über zusätzliche Hilfe für die Reisebranche. Die Situation sei dramatisch, sagt Max E. Katz, Präsident des Schweizer Reise-Verbands (SRV) in der «NZZ am Sonntag». «Praktisch alle Reisen, die wir seit Oktober 2019 verkauft haben, mussten wir zurückerstatten. Neubuchungen gab und gibt es kaum.» Ohne substanzielle Hilfe des Bundes würden im Winter bis zu 50 Prozent der Schweizer Reisebüros schliessen müssen, sagt Katz. Es stünden 4000 Vollzeitstellen auf dem Spiel. Betroffen seien viele Frauen, 83 Prozent der Reisebranche sei weiblich. Katz hofft, dass der Bund den Beispielen in Deutschland oder Österreich folgt. Dort übernehmen die Steuerzahler bis zu 100 Prozent der Fixkosten von Reisebüros.
Strukturwandel habe längst stattgefunden
Eine Massenpleite bei den Reisebüros hätte gemäss dem SRV-Präsidenten auch finanzielle Einbussen für Kunden zur Folge. Eigentlich sind bei Reisebüros gebuchte Ferien über Garantiefonds gegen Insolvenzen versichert. Aber: «Bei einer grossen Anzahl von Konkursen auf einmal reicht die Deckung der Garantiefonds bei weitem nicht für alle aus.» Für bereits bezahlte Reisen gäbe es dann kein oder nur wenig Geld zurück. «Es wäre dann wohl wie bei der Thomas-Cook-Pleite im letzten Jahr: Man bekommt als Kunde anteilsmässig etwas ausbezahlt, aber nicht den vollen Betrag», sagt Katz. Gleichzeitig betont der SRV-Präsident, dass die jetzige Situation nicht hausgemacht sei. «Wir sind unverschuldet in diese Krise gekommen. Der Strukturwandel hat in der Reisebranche längst stattgefunden. Vor 20 Jahren gab es in der Schweiz noch fast 3000 Reisebüros, jetzt sind es wie gesagt 1300. Diese haben sich ihre Existenz hart erarbeitet. Sie haben sich zum Beispiel auf bestimmte Kundenbedürfnisse spezialisiert und stellen selber Individualreisen zusammen.»
«Reisebüros wollen keine Schulden machen»
Die Notkredit des Bundes sind aus Sicht des Reisebüro-Vertreters Katz nicht das probate Mittel. «Die Reisebüros wollen keine Schulden machen, die sie nicht zurückzahlen können. Die Profitabilität in unserer Branche ist tief. Ein Reisebüro mit 4 Mio. Fr. Umsatz macht vielleicht 40000 Fr. Gewinn. Es dürfte damit zwar bis zu 400000 Fr. an Notkrediten aufnehmen. Mit den üblichen Gewinnen würde es dann rund zehn Jahre dauern, um diese wieder abzustottern. Die Notkredite haben aber eine fünf- bis siebenjährige Rückzahlungsfrist. Kommt dazu, dass sich die Situation frühestens im Jahr 2024 wieder einigermassen normalisieren dürfte. Bis dahin werden kaum Gewinne geschrieben.» Für Katz ist deshalb klar, dass es «A-fonds-perdu-Beiträge» brauche.