Manchmal geht es schnell: Gestern Vormittag noch verschickte Flyer eine Pressemitteilung zur Lancierung eines neuen E-Mountainbikes. Am Nachmittag dann der Schock: Der Schweizer E-Bike-Pionier kündigte an, dass die Produktion in Huttwil geschlossen werden könnte. Kurz zuvor wurden die 170 Angestellten informiert, welche die Hiobsbotschaft nach aussen trugen.

Noch vor kurzem zeigte sich Flyer-Chef Andy Kessler optimistisch. «Das Bekenntnis zu Swissness wird wohl noch wichtiger werden in einer Zeit, wo die Velos immer austauschbarer werden. Wir haben in den letzten Jahren etliche Millionen Franken investiert», sagte er in einem Interview. Flyer sei für Besitzerin ZEG eine Premiummarke mit Durchschnittpreisen von fast 5000 Franken. Ausserdem steuere Flyer rund einen Siebtel zum Konzernergebnis bei. Ausserdem versicherte er im Gespräch: «Wir können unsere Produktelinie und Märkte völlig autonom entwickeln und sind administrativ unabhängig.»

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Heute ist das Schnee von gestern. Von wegen Autonomie.

Kurz vor dem 30. Jubiläum ist die Zukunft der Pionier-E-Marke Flyer ungewisser denn je.

Flyer-Chef Andy Kessler: Kurz vor dem 30. Jubiläum ist die Zukunft der Schweizer Velomarke ungewisser denn je.

Quelle: Peter Hummel

Der Entscheid, bei Flyer in Huttwil zum Kahlschlag anzusetzen, ist ohne Absprache mit den hiesigen Verantwortlichen gefallen. Darüber wurde in der ZEG-Zentrale in Köln entschieden. Insider gehen davon aus, dass der Entscheid durch den dramatischen Absatzeinbruch bei Flyer begünstigt wurde. Innert zwei Jahren ging der Absatz bei der Schweizer Velomarke von 80'000 auf 40'000 Velos zurück.

Die ZEG will zwar am Standort Huttwil festhalten. Die Verwaltung aber wird auf Minimum reduziert und die Produktion ins Ausland verlagert. Es sollen Synergien innerhalb der Gruppe genutzt werden. Für die künftige Flyer-Produktion kommt im ZEG-Netz am ehesten die neue Fabrik bei der Flyer-Schwesterfirma Kettler Alu-Rad in St. Ingbert im deutschen Saarland in Frage. Dort ist man derzeit weit von einer vollen Auslastung entfernt. Die Verlagerung der Produktion bedeutet, dass ein Grossteil der rund 170 Mitarbeitenden entlassen würde. Insider sprechen von 155 Personen. 

Die Belegschaft kann im eröffneten Konsultationsverfahren Vorschläge einreichen. Die endgültige Entscheidung über die «Restrukturierung» will der Flyer-Verwaltungsrat erst nach Prüfung aller vorgeschlagenen Massnahmen fällen. Wenn aber die ZEG solch eine Ankündigung macht, scheint klar, dass es wohl höchstens noch darum geht, ob der einschneidende Personalabbau etwa weniger rigide ausfällt.

Gibt es allenfalls einen Weissen Ritter?

Es ist kaum anzunehmen, dass es einen Plan B für einen Verkauf gibt. Erst 2017 hat ja die ZEG Flyer von der Ernst-Göhner-Stiftung übernommen. Die Tage des vor erst 15 Jahren als modernste und nachhaltigste Fahrradfabrik Europas eröffneten Werks in Huttwil dürften jedenfalls gezählt sein. Bleibt zu hoffen, dass es jene der Marke Flyer nicht auch sind.