Am Freitag kam der grosse Knall: Designer Hedi Slimane verlässt das französische Modehaus Yves Saint Laurent nach vier Jahren als Kreativdirektor. Eine Begründung für sein Ausscheiden wurde vom Mutterkonzern Kering nicht genannt, doch sein Nachfolger steht mit dem Belgier Anthony Vaccarello bereits fest.
Mit seinem Weggang liegt Slimane offenbar im Trend, denn bei den grossen europäischen Modemarken hat es allein in den letzten sechs Monaten mindestens acht Wechsel gegeben – mehr als in den vorangegangenen zwei Jahren zusammen. Doch nicht nur das: Ob Alexander Wang bei Balenciaga oder Stefano Pilati bei Zegna - Slimane ist bereits der vierte Designer eines grossen Hauses, der seinen Posten nach weniger als fünf Jahren räumte.
Einzig Armani, Burberry, Chanel, Fendi und Prada haben seit mehr als zehn Jahren denselben Kreativdirektor. Lebenslang soll sogar der Vertrag von Maestro Karl Lagerfeld laufen, der bereits seit 1983 bei Chanel in puncto Kreativität das Sagen hat.
Sich neu zu erfinden – ein Balanceakt
Veränderungen sind oftmals nötig, um eine Marke aufzufrischen. Sie können die Kunden aber auch verwirren, wenn das zu radikal wird, sagt Jane Kellock, Gründerin der Beratungsgesellschaft Unique Style Platform.
Gerade für Traditionshäuser ist das ein Balanceakt – wenn etwa ein grosser Name wie Yves Saint Laurent dahinter steht. Es gilt, sich neu zu erfinden, um weitere Abnehmer zu erschliessen, ohne die bisherigen Kunden zu vergraulen. Hedi Slimane hat dies bei Yves Saint Laurent geschafft. Der Franzose mit tunesischen und italienischen Wurzeln hat die Marke bis aufs Äusserste strapaziert, abgestaubt, wiederbelebt, gerettet. Er verlegte den Sitz der legendären Marke kurzerhand von Paris nach Los Angeles. Auch eine Namensänderung sorgte für Aufregung, als der Designer den Vornamen des Label-Gründers Yves strich und Kollektionen unter Hedi Slimane for Saint Laurent präsentierte.
Erfinder von «Size zero»
Stilprägend sind seine extrem eng geschnittenen Anzüge, die er zunächst für Dior, später für Yves Saint Laurent entwarf. Seinem deutschen Designer-Kollegen Karl Lagerfeld wird nachgesagt, dass er auch deswegen mehr als 40 Kilogramm abgenommen hat, weil er in die schmalen Anzüge von Slimane passen wollte. Zudem gilt Hedi Slimane als Erfinder von «Size zero», der Kleidergrösse für extrem schlanke Frauen.
Seine aussergewöhnlichen Leistungen bestätigt der Mutterkonzern: Slimane habe die Marke seit März 2012 vollständig neu positioniert und ihr Modernität und Mode-Autorität zurückgebracht, hiess es. Kering-Chef François-Henri Pinault sprach in einer Mitteilung von einem «einzigartigen Kapitel in der Geschichte des Hauses».
Giornetti verlässt nach 16 Jahren Ferragamo
Designer, die viele Jahre, vielleicht sogar mehrere Dekaden lang, bei einem Modehaus arbeiten, scheinen die Ausnahme zu werden. Massimiliano Giornetti war einer dieser Ausnahmen. Nach 16 Jahren Zusammenarbeit wurde Ende März bekannt, dass der Designer das Modehaus Salvatore Ferragamo verlässt.
Seit dem Jahr 2000 war Giornetti für die Herrenlinie bei Ferragamo zuständig, seit 2011 stand er als Kreativchef an der Spitze. Seine Entwürfe gelten als zeitlos und trotzdem immer am Puls der Zeit. In seiner jüngsten Kollektion für Herbst/Winter 2016/2017 überraschte der Italiener mit kräftigen Farben, Zickzack-Mustern oder Nerz-Pompons. Seinen Weggang nimmt Michele Norsa, CEO von Salvatore Ferragamo, nun als Anlass, «unseren kreativen Ansatz zu überdenken und zu überarbeiten».
Den grössten medialen Donnerhall
Für den grössten medialen Donnerhall sorgte allerdings Raf Simons im Oktober letzten Jahres, als er nach nur dreieinhalb Jahren bei Dior das Handtuch warf. Eine schriftliche Erklärung verkündete damals das Ende der Zusammenarbeit zwischen dem Luxuslabel und dem belgischen Designer. Er habe sich nach reiflicher Überlegung entschieden, seinen Posten als Kreativdirektor aufzugeben, wurde Simons zitiert. Er wollte sich nun mehr auf seine eigene Marke und Interessen jenseits der Arbeit konzentrieren.
Diese Nachricht sorgte auch deswegen für grossen Wirbel, weil sie so überraschend kam. Einer der talentiertesten Designer verlässt eines der luxuriösesten Modehäuser der Welt. Das passiert nicht alle Tage. Simons galt als Modernisierer. Er habe das angestaubte Image von Dior poliert, so heisst es in zahlreichen Berichten über den Designer. Seine Frühjahrs- und Sommerkollektion 2016, die der Belgier während der Fashion Week in Paris vorführte, wurde von Kritikern gelobt. Dem Unternehmen bescherte der Gallianos-Nachfolger einen Umsatzzuwachs von 60 Prozent – nicht zuletzt, weil er Werbegesichter wie Jennifer Lawrence und Rihanna an Bord holte.
Als Favorit für Simons Nachfolge wird derzeit der schottische Designer Jonathan Saunders gehandelt. Doch noch ein anderer Name ist im Rennen: Es machen Gerüchte die Runde, nach denen Hedi Slimane den Posten übernehmen soll.
(mit Material von bloomberg und sda)