Bitte nicht! Mit diesen Worten antworten die meisten im Top-Segment tätigen Executive Searcher auf die Frage, ob Hochschulabsolventen ihnen spontan ihr Curriculum Vitae schicken sollten. Ohne Berufserfahrung sind sie für die Auftraggeber der Headhunter noch kein Thema. Und es gibt auch fast keine in diesem Bereich tätige Berater, die bereits sehr früh eine laufend aktualisierte Datenbank anlegen, das wäre zu viel Arbeit, so lautet das allgemeine Credo.
Annina Trachsel, Executive Assistant bei Spencer Stuart, bestätigt, dass das ausschliesslich im Top-Management tätige Unternehmen nicht proaktiv auf Absolventen zugeht. Das trifft auch auf Egon Zehnder International (siehe Kasten) oder auf Guido Schilling & Partner zu. Trotzdem ist der Kadernachwuchs in der Branche ein Dauerthema, auch wenn es von den meisten Headhuntern nach dem Prinzip der Spezialisierung eher unterschätzt und vernachlässigt wird.
Weil die Geschäftspolitik von Guido Schilling klar auf das Top-Segment gerichtet ist, betreibt die eigenständige Tochtergesellschaft Humanis als Kerngeschäft eine sehr fokussierte Suche für Top-Spezialisten. Brigitte Schläpfer, Managing Partner bei Humanis, verfolgt den Trend, mit Experten - Grössenordnung zwei bis drei Jahre nach dem Hochschulabschluss - aktiv eine Beziehung aufzubauen, etwa mit diesen Argumenten: «Sie sind Spezialist und haben eine Expertenlaufbahn eingeschlagen. Es kann ja durchaus sein, dass Sie irgendwann in Ihrem heutigen Unternehmen eine Weiterentwicklung, aus welchen Gründen auch immer, nicht realisieren können, dann wäre es für uns spannend, mit Ihnen Kontakt zu haben.» Der Erfolg scheint ihr Recht zu geben.
Xing und weitere Hilfsmittel
Für Schläpfer ist Xing bereits ein wichtiges Medium geworden. Gerade bei der Expertensuche sei das Online-Business-Netzwerk eine nicht zu unterschätzende Informationsquelle. Das sieht ebenfalls Jean-Pierre E. Reinle so, besonders dann, wenn seine Communication Executive für Kunden die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen sucht, etwa aus einem spezifischen Bereich des Engineering.
Für seine Arbeit steht jedoch effizientes und effektives Networking an Kongressen, Karrieremessen, Branchenanlässen und Ausstellungen aller Art im Vordergrund, um erfolgreich zu arbeiten. Ebenso wichtig sei der Aufbau einer exklusiven Datenbank, etwas, das bei seinem Unternehmen längst begonnen hat und organisch ausgebaut wird. Reinle ist davon überzeugt, dass engagierte Hochschulabsolventen mit einigen Jahren fundierter und erfolgreicher Berufspraxis zweifellos immer ein wichtiges Thema bei der Besetzung von Kaderpositionen mit mittelfristigem Anspruch auf die Geschäftsleitung bleiben.
Eine etwas andere Sichtweise
Eine weitere auf Selected Talents spezialisierte Firma ist Academics4Business (a4b), die sich als Brücke zwischen Unternehmen und Universitäten versteht. «Eine Art Executive Search, der spezialisiert ist auf das Segment der jungen Talente», erklärt Geschäftsführerin Anna Hollmann. Die Organisation existiert seit vier Jahren und wurde von einer Gruppe Schweizer Persönlichkeiten gegründet, darunter Beat Curti, VR-Präsident, oder Adriana Ospel, Mitglied des Verwaltungsrates.
Ein wesentliches Element von a4b bildet auch für Hollmann die Datenbank, die einen European-Talent-Pool mit Profilen von Studierenden und Absolventen enthält und ständig ausgebaut wird. Diesen wird ein kostenloser Career Service sowie ein Zugang zu qualifizierten Praktika und Einstiegspositionen angeboten. Viele Partner kommen aus den Bereichen Banken, Finanzdienstleister und Consulting sowie der Industrie.
Zu den Netzwerkpartnern von a4b zählen unter anderem die Universitäten Zürich, Basel und St. Gallen oder die Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW). Darüber hinaus bestehen Kooperationen mit anderen europäischen Universitäten.