Die Novartis-Schweiz-Mitarbeiter haben Glück: Den 7500 Angestellten des Pharma-Sektors winken im nächsten Jahr Bonuszahlungen von insgesamt 77 Mio Fr. Dies aber nur, weil der Sektor die vom Konzern vorgegebenen Finanzziele zu 100% erreichen wird, wie Bernd Körner, Präsident der Personalvertretung, sagt. Blieben die Vorgaben unerreicht, würde der Bonus für jeden Mitarbeiter auf Null schrumpfen egal wie gut der Einzelne übers Jahr hinweg gearbeitet hat.

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Das Novartis-System «ist aggressiv», gibt Organisationschef Heinz Boller selbst zu, denn «jeder Einzelne soll spüren, wie es der Firma geht». Dennoch ist der Pharmakonzern nicht das einzige Unternehmen, das seine Mitarbeiterbeteiligungssysteme hauptsächlich auf das Gesamtresultat abstützt. Die individuelle Leistungsbeurteilung, früher als grösste Errungenschaft der variablen Entlöhnung gelobt, ist heute praktisch unbedeutend. Besonders Firmen aus der IT- und der Finanzbranche belohnen ihre Mitarbeiter weniger nach deren persönlichem Einsatz, als vielmehr nach dem erzielten Reingewinn oder nach der Umsatz- oder Marktanteilsteigerung. Obwohl die einzelnen Mitarbeiter diese Kennzahlen nicht alleine zu beeinflussen vermögen.

Eine der wenigen Firmen, die in der Bonusberechnung den Gesamterfolg des Unternehmens der individuellen Zielerreichung der Angestellten gleichsetzen, ist der Computerkonzern IBM. Bei den beiden Grossbanken, der Zürcher Kantonalbank, der Zurich und der Swisscom hingegen stehen das Gesamt- und Abteilungsergebnis an erster Stelle der Bonus-Kriterienliste.

Verluste abgewälzt

Dass der Diskrepanz zwischen Mitarbeiterleistung und Firmenerfolg in diesem System kaum Rechnung getragen wird, ist «kaum zu ändern», so Elisabeth Meyerhans, Pressechefin bei Vontobel. Eine Umgestaltung hin zur stärkeren Gewichtung der Einzeltat kommt für die Firmen in der momentan schlechten Wirtschaftslage auch nicht in Frage: Die aktuellen Bonimodelle bringen schliesslich den Vorteil, die Gewinneinbrüche teils auf die Mitarbeiter abzuwälzen. Tiefere Cash-Bonuszahlungen senken den budgetierten Personalaufwand.

Dieser Mechanismus wird auch für die nächstjährige Verteilung gültig sein, denn der variable Lohnanteil wird noch stärker schwinden: Régis Künzli, Leiter der Lausanner Unternehmungsberatung Cepec, rechnet mit einem Rückgang von bis zu 50%. Für 2001 haben die Firmen gemäss der Kadersalärstudie von «HandelsZeitung» und Kienbaum für 2001 im Schnitt «lediglich» 30% weniger ausgeschüttet.

Von der bevorstehenden Boni-Kürzung sind vor allem Angestellte in der Finanzbranche betroffen, so Künzli. Die Finanzinstitute müssen zwangsläufig zugeben, dass zumindest in den mittleren und unteren Kaderstufen keine Goldgräberstimmung mehr herrscht. Zahlen wollen sie dennoch keine nennen. «Die Abnahme wird merklich sein», sagt ZKB-Pressesprecher Urs Ackermann. Der Grund, weshalb die grössten Boni-Rückgänge gerade in der Hochbonibranche par excellence vorkommen, ist simpel: Die vergangenen Exzesse. «Die Finanzdienstleister haben noch im letzten Jahr sehr hohe Boni bezahlt, obwohl die Geschäftsresultate eingebrochen sind», sagt Künzli. Er liegt nicht falsch: Die UBS etwa hat im 2001 einen Gewinneinbruch von 36% erlitten, die Managerbezüge sind aber nur um 22% gesunken. Noch krasser sind die Zahlen der Konkurrenz: Der CS-Gewinn ist um 73% geschmolzen, die Boni aber nur um 22%.

Dieses Missverhältnis führt Künzli darauf zurück, dass Verwaltungsrat oder Management den gesamten Bonusbetrag nicht nach Finanzergebnis, sondern nach eigenem Gutdünken festgelegt hätten. Mit der Folge, dass die Firmen heute Mühe haben, die Leistungen zu bezahlen.

Andreas Bürgi, Partner des Beratungsfeldes Personalwesen von PricewaterhouseCoopers, erklärt sich die Finanzierungsprobleme damit, dass «die Bonussysteme vor allem Schönwetterprogramme aus den Boomjahren sind». Die Firmen hätten sich nicht allzu sehr um die Kriterien der Bonus-Verteilung Gedanken gemacht.

Topshots kassieren

Damals ging es ihnen auch weniger darum, die Mitarbeiter mit den Boni zu guten Leistungen anzuspornen, als viel mehr, um sie vom Weggang zu hindern. Retention ist heute noch ein Boni-Argument. «Sonst würden gewisse Firmen für dieses Jahr überhaupt keinen Bonus bezahlen», begründet Markus Lüdi von Kienbaum.

Nur um Retention statt um Anreize geht es bei vielen Unternehmen auch in der Chefetage. Dort gibt es nämlich genügend Instrumente, dank welchen die Topshots trotz schlechten Gesamtergebnissen kassieren können. So macht die CS Group nicht nur ihren Mitarbeitern einen Gefallen und lässt sie dieses Jahr zwischen Optionsbezügen und Cash-Bezahlung wählen, sondern vor allem den Männern an der Spitze.

Ihnen erlaubt sie mittels einer Klausel in der Managementkompensationsregelung, Optionen, die heute nichts mehr wert sind, gegen solche zu einem tieferen Ausübungspreis einzutauschen, wie die «SonntagsZeitung» aufzeigte. Zudem haben sie die Möglichkeit, in alternative Anlagen oder Hedge-Fonds zu investieren, welche in letzter Zeit von den sinkenden Aktienkursen profitieren konnten.

Störend ist bei der variablen Entlöhnung der Topmanager zudem, dass sie wie etwa bei Novartis zu stark nach individuellen Leistungen bemessen werden im Gegensatz zu den (Kader)Mitarbeitern. «Sind subjektive Ziele für die unteren Ränge nötig, können sie bei den oberen zur Falle werden», so Hermann Stern, Geschäftsführer von Obermatt Partners. Denn es sei nie exakt zu eruieren, wer im Führungsteam die Top-Performance erbracht habe. Die Zahlungen werden deshalb stärker als Goodies anstatt als Anreize betrachtet, so Stern.

Die Wissenschaft hat deshalb punkto variable Managerlöhne neue Töne angeschlagen: Die Zürcher Betriebswirtschafts-Professoren Margit Osterloh und Bruno S. Frey plädieren für höhere Fixlohnanteile.