Als der grösste Schweizer E-Commerce-Anbieter Digitec-Galaxus im vergangenen Oktober ankündigte, er wolle noch 2018 nach Deutschland expandieren, rieben sich die Retail-Experten in der Schweiz die Augen. «Meinen die das ernst?», fragte man sich in der Branche. «Oder sind sie grössenwahnsinnig geworden?»

Die kritischen Reaktionen fussten auf historischen Erfahrungen. Abgesehen von den Mode-Filialisten Charles Vögele und Tally Weijl hat es noch kein Schweizer Detailhändler geschafft, sich im am härtesten umkämpften Markt Europas zu etablieren – weder online noch stationär. Selbst die Digitec-Mutter Migros hat im europäischen Ausland – insbesondere in Deutschland– bislang vor allem negative Erfahrungen gemacht – und in der Vergangenheit viel Geld verbrannt.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Kooperation mit dem Zalando-Unternehmen Tradebyte

Doch nun hat Digitec-Galaxus einen wichtigen Schritt getan, um in Deutschland erfolgreich zu sein. Wie aus einer Ankündigung von Tradebyte – einem Unternehmen des Online-Mode-Riesen Zalando – hervorgeht, arbeitet Galaxus bei der Expansion nach Deutschland mit Tradebyte zusammen. Der neue Partner von Galaxus ist ein Unternehmen, das auf die einfache Anbindung von Händlern an Marktplätze spezialisiert ist.

Die Kooperation erlaubt es Digitec Galaxus, ohne weitere technische Anpassungen auf über 650 Anbieter aus dem Tradebyte-Pool zuzugreifen und deren Produkte über die eigene Plattform zu vertreiben. Und das ist strategisch hoch relevant. «Galaxus wird mit Tradebyte mutmasslich in der Lage sein, sehr schnell eine Vielzahl von primär deutschen Händlern auf das eigene Marktplatzmodell zu bringen», kommentiert E-Commerce-Experte Thomas Lang vom Beratungsunternehmen Carpathia. Müsste Galaxus mit jedem Anbieter eine individuelle Anbindung respektive Schnittstelle umsetzen, käme die geplante Expansion viel langsamer vom Fleck.

Schmuckmarke Thomas Sabo bereits integriert

Pilotpartner für die Tradebyte-Kooperation war für Digitec Galaxus das Schmuck- und Uhrenunternehmen Thomas Sabo. Seit Dezember 2017 verkauft das Label rund 2000 Produkte auf Galaxus – bis hin zu Uhren für weit über 1000 Franken.

Experte Lang geht davon aus, dass die «Anbindung der Händler und Hersteller sowohl für die Schweizer wie auch die deutsche Version von Galaxus vorgesehen ist». Will heissen: Potenziell könnten alle 650 Tradebyte-Partnerfirmen via Galaxus ihr Geschäft auch auf den Schweizer Markt ausdehnen. Damit dürfte sich Digitec Galaxus auch für den noch unbestimmten Zeitpunkt fitmachen, zu dem der Online-Gigant Amazon sein Gesamtsortiment – und nicht nur kleine Teile wie heute – in der Schweiz anbieten wird.

Marktplatz vergrössert das Angebot – ohne viel Kapital zu binden

Zalando hat Tradebyte vor einem knappen Jahr übernommen. Und für das Unternehmen mindestens 13,6 Millionen Euro bezahlt. Die Übernahme erfolgte vor dem Hintergrund, dass Zalando sein eigenes Marktplatz-Geschäft markant ausbauen möchte.

Konkret bedeutet dies, dass Dritte gegen Gebühr über den Shop von Zalando auf eigene Rechnung verkaufen können. Sie erhalten so eine Reichweite, die sie alleine nie aufbauen könnten. Zalando wiederum kann das Sortiment erweitern, ohne in eigene Lager zu investieren, was viel Kapital binden würde. Zalando-Partner sind unter anderem die Modelabels Mango, Topshop und Banana Republic.

Daten-Mine

Zalando respektive Tradebyte profitieren aber noch auf eine andere Art vom Marktplatz-Modell. Ein Marktplatz ist eine Daten-Mine. E-Commerce-Experte Lang: «Ganz nebenbei laufen alle Transaktionsdaten der angeschlossenen Handelspartner über Systeme von Tradebyte, zu denen mutmasslich auch Zalando Zugriff hat. Und Daten sind bekanntlich das neue Öl.»

Digitec-Galaxus hat 2017 ein Umsatzplus von 19 Prozent auf 861 Millionen Franken erwirtschaftet. Zalando wiederum steigerte die Verkäufe um rund 23 Prozent auf fast 4,5 Milliarden Euro. In der Schweiz allein erhöhte sich der Zalando-Umsatz um 28 Prozent auf 685 Millionen Franken.

Die Tradebyte-Kooperation von Digitec Galaxus könnte man daher auch so lesen: Die beiden E-Commerce-Marktführer in der Schweiz arbeiten nun indirekt – eben über Tradebyte – zusammen.