Wenn es sonst schon nichts zu feiern gibt, dann muss man sich eben selbst feiern. Auf der Website des Gastrokonzerns Mövenpick wird Konzernchef Bruno Schöpfer als Macher vorgestellt: «Schöpfer – German for ‹creator› (nomen est omen …)». Eine groteske Selbstbeweihräucherung. Denn die ehrgeizigen Projekte des Entlebuchers entpuppten sich überwiegend als Flops. Schöpfer wollte die «Möve» mit den Adlern fliegen lassen. Jetzt scharrt sie mit den Hühnern.
Mövenpick, ein Trauerspiel? Operativ ja. Doch finanziell geht die Rechnung auf für den Hauptaktionär. Mövenpick ist ein Lehrbeispiel dafür, wie man sich auch an einer erfolglosen Firma eine goldene Nase verdient, wenn man es geschickt anstellt.
Erster Schritt: Man macht ein strategisches Investment zu Bargeld
Dass August Baron von Finck 1991 für 135 Millionen Franken von Mövenpick-Gründer Ueli Prager die Mehrheit am Gastrokonzern übernahm, ist eigentlich ungewöhnlich.Denn der öffentlichkeitsscheue ehemalige Privatbankier investiert sein Vermögen von fünf bis sechs Milliarden Franken normalerweise in Minderheitsbeteiligungen ohne unternehmerische Verantwortung – wie bei der Genfer SGS (6,5 Prozent), dem Stahlkonzern Von Roll (20 Prozent) oder früher Alusuisse-Lonza und Oerlikon-Bührle (jeweils 10 Prozent). «Seine Denkweisen sind die eines Bankiers», sagt einer, der jahrelang mit ihm zusammengearbeitet hat. «Return on Investment bedeutet ihm alles, langfristige unternehmerische Aufbauarbeit wenig.» Seit er letztes Jahr die Altersgrenze erreicht hat, sitzt der Baron zwar nicht mehr selbst im Mövenpick-VR. Doch seine Gewährsleute im Gremium, Sohnemann Luitpold von Finck und die langjährigen Vertrauten Ernst Stahl, Gerd Peskes sowie Emil Underberg (Chef des gleichnamigen Kräuterlikörherstellers) sorgen weiterhin für die Umsetzung dieser Doktrin.
Das spürte auch Mövenpick: 1994 hatte das Unternehmen für 60 Millionen Franken 13,4 Prozent der eben privatisierten italienischen Autogrill-Gruppe übernommen mit dem Ziel, an deren 350 Autobahnrestaurants auch die eigenen Produkte zu verkaufen. Die Italiener zeigten zunächst nur verhaltenes Interesse an Glace, Joghurts und Kaffee made in Adliswil. Bevor die Strategie erfolgreich implementiert werden konnte, liess der Baron 1998 die inzwischen im Wert stark gestiegenen Aktien verkaufen – mit knapp 300 Millionen Franken Gewinn. So wurde aus dem Strategie- ein Finanzdeal, ganz nach Gustls Gusto. «Da hat man eine riesige Chance verpasst», sagt einer, der den Autogrill-Kauf mit eingefädelt hat. Strategisch, weil Autogrill, 1994 gleich gross wie Mövenpick, heute fünfmal so umsatzstark ist. Finanziell, weil das Aktienpaket inzwischen das Doppelte wert wäre.
Zweiter Schritt: Man verkauft Anteile der Geschäftsfelder
Im gleichen Jahr verkaufte Mövenpick für einen höheren zweistelligen Millionenbetrag 30 Prozent seiner Hotelsparte an die Kingdom Holding des saudischen Prinzen Alwaleed sowie 10 Prozent an JP Morgan. Die Kooperation mit Kingdom Mövenpick brachte in erster Linie Geld und nebenher Kontakte für den Aufbau neuer Hotels im Nahen Osten. Der Teilverkauf an die Investmentbank ist unternehmerisch gar nicht zu begründen. Ein reiner Finanzdeal.
Dritter Schritt: Man lässt sich das Geld auszahlen
Danach sass Mövenpick auf einem Geldhaufen von 600 Millionen Franken. Verschiedene Akquisitionen wurden geprüft und verworfen; bei der Privatisierung der deutschen Autobahnraststätten Tank & Rast unterlag man im Bieterkampf. Wohin nur mit dem Geld? Baron von Finck, seit zwei Jahren im thurgauischen Schloss Weinfelden residierend, wusste die Antwort: Zu mir! So liess er Mövenpick in den letzten vier Jahren über 300 Millionen Franken für Aktienrückzahlungen, Sonderdividenden und Nennwertreduktion verwenden. Die Familie von Finck (inzwischen hat Augusts Sohn François die Aktien übernommen) hat seit der Übernahme rund 45 Millionen Franken kassiert, also allein durch die Dividenden ein Drittel des Kaufpreises refinanziert. Keine schlechte Dividendenrendite, besonders angesichts der Tatsache, dass Mövenpicks betriebliche Erträge in der gleichen Zeit äusserst bescheiden ausgefallen sind. Und das dürfte noch nicht das Ende gewesen sein: Mövenpick, inzwischen schuldenfrei, hat weitere 100 Millionen überflüssige Liquidität.
Vierter Schritt: Man gliedert die Immobilien aus
Von besonderem baronalem Interesse sind auch die Immobilien des Konzerns. Deshalb liess er vor zwei Jahren die Hotelliegenschaften im Wert von rund 100 Millionen Franken in eine juristisch selbstständige Einheit namens Corporate Center ausgliedern. Kein neuer Trick: Genauso verfuhr Baron von Finck schon in den Achtzigerjahren bei der von ihm beherrschten Löwenbräu-Brauerei, deren Immobilien er später grösstenteils weiterverkaufte. Kombiniert mit entsprechend langfristigen Mietverträgen, kann er auf diese Weise auch die Mövenpick-Hotels versilbern, ohne dabei das Hotelgeschäft als solches aufzugeben. Oder andersherum: Sollte die Hotelsparte eines Tages ganz veräussert werden, könnten sich die Aktionäre weiterhin stetiger Mieteinnahmen erfreuen.
Fünfter Schritt: Man bereitet den Verkauf weiterer Sparten vor
Der Teilverkauf der Hotelsparte war nur der Beginn: «Wir sind immer noch ein sehr breites Unternehmen. Wir müssen uns sicher noch Gedanken machen, ob wir diese Breite behalten wollen», sagt Schöpfer, und im Hinblick auf die gescheiterte Expansion fügt er hinzu: «Wenn ich etwas in den letzten Jahren gelernt habe, dann zu fokussieren.» Auch der neue VR-Präsident Peter Kalantzis, auch er ein Finck-Vertrauter, deutet an der GV einen Verkauf weiterer Unternehmensteile an. Mit der kürzlich erfolgten juristischen Verselbstständigung der einzelnen Konzernsparten Hotel, Restaurants, Fine Foods (Glace, Kaffee, Lachs usw.), Weingeschäft sowie Deliciel (Catering für Gastrobetriebe) ist die Voraussetzung dafür geschaffen. «Wir wollten die fünf Bereiche damit auch Joint-Venture- und verkaufsfähig machen», bestätigt Schöpfer.
Erste Verhandlungen hat er bereits geführt: Die britische Compass Group, mit 9 Milliarden Pfund Umsatz der weltgrösste Gastrokonzern, wollte Mitte Juni die Marché-Restaurants übernehmen, die knapp 220 Millionen Umsatz generieren und – im Gegensatz zur den bedienten Mövenpick-Gaststätten – sehr profitabel sind. Rund 200 Millionen Franken könnte Mövenpick dafür lösen. Der Deal scheiterte schliesslich an unterschiedlichen Preisvorstellungen. «Wir sind nicht in Eile, irgendetwas zu verkaufen», heisst es. Doch dass überhaupt ernsthaft verhandelt wurde, zeigt, dass das Unternehmen keine Strategie mehr fährt, die den Erhalt des Konzerns als Ganzes vorsieht. Denn ohne die Cash-Cow Marché hätte die ansonsten serbelnde Gastrosparte keine Zukunft.
Auch die Zukunft des Fine-Foods-Bereichs steht zur Debatte. Dies, nachdem Nestlé kürzlich den deutschen Glace-Lizenznehmer Schöller übernommen hat, der mit über 200 Millionen Franken für den Löwenanteil des Fine-Foods-Umsatzes zuständig ist. In Adliswil macht man kein Geheimnis daraus, dass man sich mit Nestlé auch eine intensivere Zusammenarbeit vorstellen kann. Gespräche werden bereits geführt. «Bevor wir im Fine-Foods-Bereich weitermachen, wollen wir sehen, was Nestlé auf den Tisch legt», sagt Schöpfer. «Und dann müssen wir uns überlegen: Macht es mehr Sinn, die Konsumgüter alleine weiterzuführen oder sie einem Partner wie Nestlé zu übergeben?»
Mit der Rolle des Juniorpartners (wie bis anhin Schöller) wird sich der Nahrungsmittelgigant dabei kaum zufrieden geben. Konzernchef Peter Brabeck hat die Bereiche Glace und Kaffee schon vor einiger Zeit zu strategischen Wachstumsbereichen erklärt. Die Asien-Expansion, unter Schöpfer gefloppt, fiele mit dem Weltkonzern nicht schwer, und die «Möve» liesse sich auch gut in Nestlés Markenpyramide integrieren. Bei Nestlé will man das Thema offiziell nicht kommentieren. Doch hinter vorgehaltener Hand bestätigen unternehmensinterne Quellen, dass Mövenpick ein wünschenswertes Übernahmeziel wäre. Letztlich wird es eine Frage des Preises sein. Der Multi aus Vevey schwimmt in Geld. «Aber Nestlé ist selber stark genug und wird daher kaum bereit sein, für Mövenpick einen strategischen Preis zu zahlen», sagt einer, der im Topkader beider Firmen gearbeitet hat.
Nicht zur Diskussion steht bei Mövenpick vorerst einzig das Hotelgeschäft. «Diesen Bereich sehe ich als strategisches Geschäft», sagt Schöpfer. Doch sollte Nestlé das Glace- oder das ganze Fine-Foods-Geschäft übernehmen, muss die Marke Mövenpick früher oder später von den Dächern der Hotels verschwinden. «Mittel- bis langfristig wird jemand, der Mövenpick weltweit als Glace-Marke benutzt, nicht akzeptieren, dass es in einem seiner neuen Märkte auch Hotels unter dem gleichen Namen gibt», sagt Schöpfer. Ähnliches gilt im Gastrobereich: Nur noch die bedienten Restaurants, die mangels Rendite zum Teil geschlossen oder umgewandelt werden, segeln unter der traditionellen Marke. Bei allen anderen Konzepten taucht Mövenpick nur noch klein (Marché) oder gar nicht mehr auf. «Die Marke wird sich langfristig fokussieren auf den Bereich Food», sagt Schöpfer.
Dies würde auch die vehementen Auseinandersetzungen erklären, die Mövenpick seit Jahren mit der Firma Richtree in Toronto führt. Ihr Inhaber, Ex-Mövenpickler Jörg Reichert, besitzt die Franchise-Lizenz für Marché in den USA und Kanada. Diese will man in Adliswil zurückhaben – «mit unfairen Mitteln», behauptet Reichert (was Mövenpick bestreitet). Momentan liegt der Fall vor Gericht. Eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht.
Sechster Schritt: Man wartet auf den richtigen Zeitpunkt
135 Millionen hat Baron von Finck seinerzeit für den Einstieg bei Mövenpick bezahlt. Obwohl die Mövenpick-Titel im letzten Jahr ein Drittel ihres Wertes verloren haben, bis heute alles andere als ein Verlustgeschäft: Das Aktienpaket (54 Prozent des Kapitals, 70,9 Prozent der Stimmen) ist derzeit 250 Millionen Franken wert. Wegen des Konglomeratsmalus, der die Titel belastet, wäre bei einem Einzelverkauf der Geschäftsfelder bis das Doppelte zu lösen, schätzt Bank-Leu-Analyst Ronald Wildmann.
Ein dramatisches Ende wird es bei Mövenpick nicht geben. «Wir arbeiten nicht auf eine Zerschlagung hin», sagt Schöpfer. Doch er macht auch klar, dass er Kaufangeboten grundsätzlich offen gegenübersteht. In Eile ist Mövenpick nicht. Liquidität war und ist mehr als genug vorhanden; trotz operativem Stillstand sind die Verluste minim, auf Holdingstufe (inklusive der Lizenzeinnahmen durch die Hotel-Franchisenehmer) ist das Resultat sogar noch leicht positiv. Familie von Finck hat alle Zeit der Welt, den Mischkonzern Stück für Stück zu versilbern.
«Nomen est omen» – die Charakterisierung des Konzernchefs auf der Mövenpick-Website trifft doch zu. Seine Langzeitaufgabe ist es, das Unternehmen abzuschöpfen.
Mövenpick, ein Trauerspiel? Operativ ja. Doch finanziell geht die Rechnung auf für den Hauptaktionär. Mövenpick ist ein Lehrbeispiel dafür, wie man sich auch an einer erfolglosen Firma eine goldene Nase verdient, wenn man es geschickt anstellt.
Erster Schritt: Man macht ein strategisches Investment zu Bargeld
Dass August Baron von Finck 1991 für 135 Millionen Franken von Mövenpick-Gründer Ueli Prager die Mehrheit am Gastrokonzern übernahm, ist eigentlich ungewöhnlich.Denn der öffentlichkeitsscheue ehemalige Privatbankier investiert sein Vermögen von fünf bis sechs Milliarden Franken normalerweise in Minderheitsbeteiligungen ohne unternehmerische Verantwortung – wie bei der Genfer SGS (6,5 Prozent), dem Stahlkonzern Von Roll (20 Prozent) oder früher Alusuisse-Lonza und Oerlikon-Bührle (jeweils 10 Prozent). «Seine Denkweisen sind die eines Bankiers», sagt einer, der jahrelang mit ihm zusammengearbeitet hat. «Return on Investment bedeutet ihm alles, langfristige unternehmerische Aufbauarbeit wenig.» Seit er letztes Jahr die Altersgrenze erreicht hat, sitzt der Baron zwar nicht mehr selbst im Mövenpick-VR. Doch seine Gewährsleute im Gremium, Sohnemann Luitpold von Finck und die langjährigen Vertrauten Ernst Stahl, Gerd Peskes sowie Emil Underberg (Chef des gleichnamigen Kräuterlikörherstellers) sorgen weiterhin für die Umsetzung dieser Doktrin.
Das spürte auch Mövenpick: 1994 hatte das Unternehmen für 60 Millionen Franken 13,4 Prozent der eben privatisierten italienischen Autogrill-Gruppe übernommen mit dem Ziel, an deren 350 Autobahnrestaurants auch die eigenen Produkte zu verkaufen. Die Italiener zeigten zunächst nur verhaltenes Interesse an Glace, Joghurts und Kaffee made in Adliswil. Bevor die Strategie erfolgreich implementiert werden konnte, liess der Baron 1998 die inzwischen im Wert stark gestiegenen Aktien verkaufen – mit knapp 300 Millionen Franken Gewinn. So wurde aus dem Strategie- ein Finanzdeal, ganz nach Gustls Gusto. «Da hat man eine riesige Chance verpasst», sagt einer, der den Autogrill-Kauf mit eingefädelt hat. Strategisch, weil Autogrill, 1994 gleich gross wie Mövenpick, heute fünfmal so umsatzstark ist. Finanziell, weil das Aktienpaket inzwischen das Doppelte wert wäre.
Zweiter Schritt: Man verkauft Anteile der Geschäftsfelder
Im gleichen Jahr verkaufte Mövenpick für einen höheren zweistelligen Millionenbetrag 30 Prozent seiner Hotelsparte an die Kingdom Holding des saudischen Prinzen Alwaleed sowie 10 Prozent an JP Morgan. Die Kooperation mit Kingdom Mövenpick brachte in erster Linie Geld und nebenher Kontakte für den Aufbau neuer Hotels im Nahen Osten. Der Teilverkauf an die Investmentbank ist unternehmerisch gar nicht zu begründen. Ein reiner Finanzdeal.
Dritter Schritt: Man lässt sich das Geld auszahlen
Danach sass Mövenpick auf einem Geldhaufen von 600 Millionen Franken. Verschiedene Akquisitionen wurden geprüft und verworfen; bei der Privatisierung der deutschen Autobahnraststätten Tank & Rast unterlag man im Bieterkampf. Wohin nur mit dem Geld? Baron von Finck, seit zwei Jahren im thurgauischen Schloss Weinfelden residierend, wusste die Antwort: Zu mir! So liess er Mövenpick in den letzten vier Jahren über 300 Millionen Franken für Aktienrückzahlungen, Sonderdividenden und Nennwertreduktion verwenden. Die Familie von Finck (inzwischen hat Augusts Sohn François die Aktien übernommen) hat seit der Übernahme rund 45 Millionen Franken kassiert, also allein durch die Dividenden ein Drittel des Kaufpreises refinanziert. Keine schlechte Dividendenrendite, besonders angesichts der Tatsache, dass Mövenpicks betriebliche Erträge in der gleichen Zeit äusserst bescheiden ausgefallen sind. Und das dürfte noch nicht das Ende gewesen sein: Mövenpick, inzwischen schuldenfrei, hat weitere 100 Millionen überflüssige Liquidität.
Vierter Schritt: Man gliedert die Immobilien aus
Von besonderem baronalem Interesse sind auch die Immobilien des Konzerns. Deshalb liess er vor zwei Jahren die Hotelliegenschaften im Wert von rund 100 Millionen Franken in eine juristisch selbstständige Einheit namens Corporate Center ausgliedern. Kein neuer Trick: Genauso verfuhr Baron von Finck schon in den Achtzigerjahren bei der von ihm beherrschten Löwenbräu-Brauerei, deren Immobilien er später grösstenteils weiterverkaufte. Kombiniert mit entsprechend langfristigen Mietverträgen, kann er auf diese Weise auch die Mövenpick-Hotels versilbern, ohne dabei das Hotelgeschäft als solches aufzugeben. Oder andersherum: Sollte die Hotelsparte eines Tages ganz veräussert werden, könnten sich die Aktionäre weiterhin stetiger Mieteinnahmen erfreuen.
Fünfter Schritt: Man bereitet den Verkauf weiterer Sparten vor
Der Teilverkauf der Hotelsparte war nur der Beginn: «Wir sind immer noch ein sehr breites Unternehmen. Wir müssen uns sicher noch Gedanken machen, ob wir diese Breite behalten wollen», sagt Schöpfer, und im Hinblick auf die gescheiterte Expansion fügt er hinzu: «Wenn ich etwas in den letzten Jahren gelernt habe, dann zu fokussieren.» Auch der neue VR-Präsident Peter Kalantzis, auch er ein Finck-Vertrauter, deutet an der GV einen Verkauf weiterer Unternehmensteile an. Mit der kürzlich erfolgten juristischen Verselbstständigung der einzelnen Konzernsparten Hotel, Restaurants, Fine Foods (Glace, Kaffee, Lachs usw.), Weingeschäft sowie Deliciel (Catering für Gastrobetriebe) ist die Voraussetzung dafür geschaffen. «Wir wollten die fünf Bereiche damit auch Joint-Venture- und verkaufsfähig machen», bestätigt Schöpfer.
Erste Verhandlungen hat er bereits geführt: Die britische Compass Group, mit 9 Milliarden Pfund Umsatz der weltgrösste Gastrokonzern, wollte Mitte Juni die Marché-Restaurants übernehmen, die knapp 220 Millionen Umsatz generieren und – im Gegensatz zur den bedienten Mövenpick-Gaststätten – sehr profitabel sind. Rund 200 Millionen Franken könnte Mövenpick dafür lösen. Der Deal scheiterte schliesslich an unterschiedlichen Preisvorstellungen. «Wir sind nicht in Eile, irgendetwas zu verkaufen», heisst es. Doch dass überhaupt ernsthaft verhandelt wurde, zeigt, dass das Unternehmen keine Strategie mehr fährt, die den Erhalt des Konzerns als Ganzes vorsieht. Denn ohne die Cash-Cow Marché hätte die ansonsten serbelnde Gastrosparte keine Zukunft.
Auch die Zukunft des Fine-Foods-Bereichs steht zur Debatte. Dies, nachdem Nestlé kürzlich den deutschen Glace-Lizenznehmer Schöller übernommen hat, der mit über 200 Millionen Franken für den Löwenanteil des Fine-Foods-Umsatzes zuständig ist. In Adliswil macht man kein Geheimnis daraus, dass man sich mit Nestlé auch eine intensivere Zusammenarbeit vorstellen kann. Gespräche werden bereits geführt. «Bevor wir im Fine-Foods-Bereich weitermachen, wollen wir sehen, was Nestlé auf den Tisch legt», sagt Schöpfer. «Und dann müssen wir uns überlegen: Macht es mehr Sinn, die Konsumgüter alleine weiterzuführen oder sie einem Partner wie Nestlé zu übergeben?»
Mit der Rolle des Juniorpartners (wie bis anhin Schöller) wird sich der Nahrungsmittelgigant dabei kaum zufrieden geben. Konzernchef Peter Brabeck hat die Bereiche Glace und Kaffee schon vor einiger Zeit zu strategischen Wachstumsbereichen erklärt. Die Asien-Expansion, unter Schöpfer gefloppt, fiele mit dem Weltkonzern nicht schwer, und die «Möve» liesse sich auch gut in Nestlés Markenpyramide integrieren. Bei Nestlé will man das Thema offiziell nicht kommentieren. Doch hinter vorgehaltener Hand bestätigen unternehmensinterne Quellen, dass Mövenpick ein wünschenswertes Übernahmeziel wäre. Letztlich wird es eine Frage des Preises sein. Der Multi aus Vevey schwimmt in Geld. «Aber Nestlé ist selber stark genug und wird daher kaum bereit sein, für Mövenpick einen strategischen Preis zu zahlen», sagt einer, der im Topkader beider Firmen gearbeitet hat.
Nicht zur Diskussion steht bei Mövenpick vorerst einzig das Hotelgeschäft. «Diesen Bereich sehe ich als strategisches Geschäft», sagt Schöpfer. Doch sollte Nestlé das Glace- oder das ganze Fine-Foods-Geschäft übernehmen, muss die Marke Mövenpick früher oder später von den Dächern der Hotels verschwinden. «Mittel- bis langfristig wird jemand, der Mövenpick weltweit als Glace-Marke benutzt, nicht akzeptieren, dass es in einem seiner neuen Märkte auch Hotels unter dem gleichen Namen gibt», sagt Schöpfer. Ähnliches gilt im Gastrobereich: Nur noch die bedienten Restaurants, die mangels Rendite zum Teil geschlossen oder umgewandelt werden, segeln unter der traditionellen Marke. Bei allen anderen Konzepten taucht Mövenpick nur noch klein (Marché) oder gar nicht mehr auf. «Die Marke wird sich langfristig fokussieren auf den Bereich Food», sagt Schöpfer.
Dies würde auch die vehementen Auseinandersetzungen erklären, die Mövenpick seit Jahren mit der Firma Richtree in Toronto führt. Ihr Inhaber, Ex-Mövenpickler Jörg Reichert, besitzt die Franchise-Lizenz für Marché in den USA und Kanada. Diese will man in Adliswil zurückhaben – «mit unfairen Mitteln», behauptet Reichert (was Mövenpick bestreitet). Momentan liegt der Fall vor Gericht. Eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht.
Sechster Schritt: Man wartet auf den richtigen Zeitpunkt
135 Millionen hat Baron von Finck seinerzeit für den Einstieg bei Mövenpick bezahlt. Obwohl die Mövenpick-Titel im letzten Jahr ein Drittel ihres Wertes verloren haben, bis heute alles andere als ein Verlustgeschäft: Das Aktienpaket (54 Prozent des Kapitals, 70,9 Prozent der Stimmen) ist derzeit 250 Millionen Franken wert. Wegen des Konglomeratsmalus, der die Titel belastet, wäre bei einem Einzelverkauf der Geschäftsfelder bis das Doppelte zu lösen, schätzt Bank-Leu-Analyst Ronald Wildmann.
Ein dramatisches Ende wird es bei Mövenpick nicht geben. «Wir arbeiten nicht auf eine Zerschlagung hin», sagt Schöpfer. Doch er macht auch klar, dass er Kaufangeboten grundsätzlich offen gegenübersteht. In Eile ist Mövenpick nicht. Liquidität war und ist mehr als genug vorhanden; trotz operativem Stillstand sind die Verluste minim, auf Holdingstufe (inklusive der Lizenzeinnahmen durch die Hotel-Franchisenehmer) ist das Resultat sogar noch leicht positiv. Familie von Finck hat alle Zeit der Welt, den Mischkonzern Stück für Stück zu versilbern.
«Nomen est omen» – die Charakterisierung des Konzernchefs auf der Mövenpick-Website trifft doch zu. Seine Langzeitaufgabe ist es, das Unternehmen abzuschöpfen.
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