Deutschland steht am Scheideweg. Nirgendwo ist dies so offensichtlich wie auf der IAA in Frankfurt in dieser Woche.
Trotz schnittiger neuer Elektromodelle wie dem Porsche Taycan könnte das Schaufenster deutscher automobiler Spitzenleistungen dieses Jahr zur Plattform für Proteste werden. Dahinter steckt eine Generation junger Konsumente, die aufgrund der globalen Erwärmung eher gegen Autos demonstrieren als sich einen neuen VW, BMW oder Mercedes-Benz auszusuchen.
Der Lack ist ab
Autos haben Deutschland zu einer globalen Wirtschaftsmacht gemacht. Sorgen über Umweltverschmutzung - verstärkt durch den Dieselskandal ab 2015 bei der Volkswagen AG - haben jedoch ihren Ruf, die Verkörperung individueller Freiheit zu sein, beschädigt.
In jüngerer Zeit haben Handelsprobleme und sich verlangsamende Volkswirtschaften die Nachfrage getroffen. Die Folge davon ist ein Rückgang der deutschen Automobilproduktion auf das niedrigste Niveau seit mindestens 2010.
Zahlreiche Gewinnwarnungen
Das Ende des Verbrennungsmotors und Autokäufer, die eher an Konnektivität als Leistung interessiert sind, bedrohen Deutschlands Spitzenposition in der Automobil-Rangliste. Anzeichen von Schwierigkeiten gibt es zuhauf.
Neben zahlreichen Gewinnwarnungen verschob Daimler ihre Pläne zur Kapazitätserweiterung in einem ungarischen Werk, bei Continental droht Stellenabbau und Automobilzulieferer Eisenmann hat Insolvenz angemeldet.
Deutschland steht vor einer Rezession
Deutschland steht kurz vor einer Rezession und die Autobranche ist für den wirtschaftlichen Erfolg von entscheidender Bedeutung.
Autohersteller wie VW, Daimler und BMW AG aber auch Robert Bosch GmbH und Continental beschäftigen rund 830’000 Menschen im Land. Ihre Fabriken sind von Portugal bis Polen über ganz Europa verteilt.
Franzosen kürzen Jobs in Deutschland
Sinnbildlich dafür steht Rüsselsheim, die Heimat von Opel. Einst konnte die Marke mit dem deutschen Spitzenreiter VW mithalten. Nach jahrelangen Verlusten wurde Opel 2017 von General Motors Co. nach Frankreich an PSA Group verkauft. Die Franzosen wollen nun fast ein Fünftel der 20’000 deutschen Arbeitsplätze abbauen.
«Alle in Rüsselsheim sind besorgt», sagte Servet Ibrahimoglu, Inhaber eines Kebab-Restaurants in der Nähe von Opels Werk. Sein Geschäft sei um ein Drittel zurückgegangen. «Früher war dieser Ort mittags voll. Jetzt ist es leer.»
Greenpeace will demonstrieren
Die Bemühungen der Autoindustrie, die neuen Herausforderungen anzunehmen, werden auf der IAA in Frankfurt zu sehen sein. Das Hauptdrama könnte womöglich ausserhalb des weitläufigen Messegeländes stattfinden. Greenpeace und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) haben am Samstag zu einem Protestmarsch auf das Gelände aufgerufen zusammen mit Radfahrgruppen, um ihrer Forderung nach dem Ende des Verbrennungsmotors Nachdruck zu verleihen.
(Bloomberg/mbü)