Auch ich kandidiere in der Gruppe mit Michael Werder, Bruno Frick, Max Roesle und Peter Mathys.» Mit diesen Worten schloss Jörg Zimmermann seine Werbung in eigener Sache für die Kandidatur in den Gläubigerausschuss der SAirGroup. Selbstverständlich vergass er nicht auf seinen Leistungsausweis und die Erfahrung im Feld der Firmenliquidationen und -nachlässe hinzuweisen.

Und Zimmermann brauchte Werbung, stand er doch auf der Wahlliste aufgestellt anhand der vertretenen Gläubiger an zehnter Stelle. Im Ausschuss aber waren nur acht Plätze vorgesehen. Doch Jörg Zimmermann von der BDO Visura hats geschafft und ist in den Gläubigerausschuss der SAirGroup gewählt worden.

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«Nein, Filz ist das nicht», entgegnet der Zürcher Wirtschaftsanwalt Michael Werder auf eine entsprechende Vermutung. Man kenne sich einfach gut in der Branche, sagt Werder. Tatsächlich stösst, wer sich mit Nachlässen, Konkursen und Liquidationen befasst, immer wieder auf dieselben Namen. Nebst den vier oben genannten gehören noch Karl Wüthrich, der Sachwalter überhaupt, und Kurt Stöckli von der Berner Transliq dazu.

Wendepunkt Biber-Fall

Zusammengekittet worden ist die Gruppe vor rund sechs Jahren. In einem Fall, der laut Werder den Wendepunkt in Konkursverfahren markiert: Dem Niedergang der Biber-Holding mit der Alten Papierfabrik Biberist Utzensdorf (PBU) (siehe Kasten). Zum ersten Mal, so Werder, hätten sich die Gläubiger so gut organisiert, dass sie genügend Geld rausholen konnten.

Jörg Zimmermann, der zuvor diverse Firmen saniert oder restrukturiert hatte, stand damals auf der Lohnliste der Visura Treuhandgesellschaft. Er amtete als ausseramtlicher Konkursverwalter der Alten Papierfabrik Biberist und Utzensdorf (PBU). Ein Mandat, das ihn und die BDO Visura, wie das Unternehmen inzwischen heisst, bis heute mit der Erstellung des Schlussberichtes beschäftigt. Eigentlich wollte die Visura noch das Mandat als ausseramtliche Konkursverwalterin bei der Biber Holding übernehmen. Damit waren aber die Gläubiger nicht einverstanden, sie befürchteten einen Interessenskonflikt. So kam der kurzfristig nominierte Zürcher Rechtsanwalt Karl Wüthrich von der Anwaltskanzlei Wenger Plattner zum Auftrag. Er musste den Konkurs der Biber Holding abwickeln. Mit diesem Mandat beschäftigt sich Wenger Plattner ebenfalls bis heute, denn noch sind Kollokationsprozesse von Aktionären hängig, die Schadenersatz fordern.

Wüthrich war bereits kein unbeschriebenes Blatt mehr. Er überwachte zuvor den Privatkonkurs von Werner K. Rey und wirkte als stellvertretender Mandatsleiter bei der Pleite des Hotels Nova Park in Zürich.

Michael Werder sass damals im Gläubigerausschuss der PBU. Die Schutzgemeinschaft der Investoren Schweiz (SIS) hatte ihn für dieses Gremium lanciert. Danach kämpfte er für die Interessen der Obligationäre und vermeldet heute stolz, dass er zusammen mit den übrigen Mitgliedern des Ausschusses eine Dividende von 100% für die Drittklass-Gläubiger erreicht habe. Möglich wurde dies durch Verantwortlichkeitsklagen und Vergleiche mit den Banken. Inzwischen ist das Verfahren bei der PBU praktisch abgeschlossen. Fehlen noch Max Roesle und Bruno Frick auch sie sassen oder sitzen im Gläubigerausschuss der Biber Holding.

Selbstverständlich blieben die Anwälte und der Treuhänder nicht einfach bei Biber sitzen, sondern kamen zu weiteren Fällen. Jörg Zimmermann ist heute unter anderem im Konkursverfahren der Rono Kransysteme AG sowie beratend im Konkurs der Bauunternehmung Meier+Jäggi AG, Solothurn, beschäftigt. Rono ist ein Spinoff von Von Roll, der allerdings nur gerade ein Geschäftsjahr überstanden hat. Weiter leitet er das Nachlassverfahren der Informatikschule MTF Feusi. Und für den konkursiten Ferienort Leukerbad musste er mit dem Team der BDO Visura für fünf Gesellschaften Lösungen finden. Im Moment ist er Konkursverwalter bei CHS C.P.O., der Schweizer Tochter von CHS Electronics. CHS ist ein amerikanisches Unternehmen, das an der Börse kotiert war und dann in Konkurs gelaufen ist. Bei diesem Mandat trifft er einen alten Bekannten: Michael Werder präsidiert den Gläubigerausschuss.

Max Roesle hat schon die Welti Furrer liquidiert, war Sachwalter beim Bernhard-Theater und ist jetzt wieder Sachwalter bei der bankrotten Telekomgesellschaft Carrier One.

Der Emmentaler Kurt Stöckli, Gründungsmitglied des Berner Unternehmens Transliq, kommt zwar geografisch aus einer etwas anderen Ecke. So weit entfernt von den Tätigkeitsgebieten der beschriebenen Leute sind seine Mandate aber auch nicht. So hat Transliq bei Swisscargo ein Nachlassverfahren mit Vermögensabtretung durchgeführt sowie Cargologic saniert und erfolgreich aus dem Nachlass rausgeführt. Stöckli ist alles andere als ein Greenhorn, sondern bereits seit zwanzig Jahren im Geschäft. Dabei hat er unter anderem bei der Porzellanfabrik Langenthal eine erfolgreiche Nachlassstundung durchgeführt, ist bei der Software-Firma Miracle engagiert (siehe Kasten) und amtete als Konkursverwalter für das Immobilienimperium des Berners Peter Krüger.

Juristen in der Mehrzahl

Wie die meisten seiner Branchenkollegen ist Stöckli ebenfalls Jurist. Dies war nicht immer so. Noch vor einigen Jahren tummelten sich häufig Revisionsgesellschaften in diesem Markt. Dass diese inzwischen weniger Aufträge haben, hat für Karl Wüthrich zwei Gründe: «Die Tatsache, dass die Unternehmen Sachwaltermandate inne hatten und Liquidationen durchgeführt haben, heisst nicht, dass sie das immer noch können. Denn das Wissen hängt von den Leuten ab, die das gemacht haben.» Zudem weist er auf Interessenkonflikte hin. ATAG sei immer im Clinch mit dem Revisionsmandat bei der UBS und KPMG käme dasselbe Engagement bei der CS in die Quere.

Auf den ersten Blick ist es erstaunlich, dass sich die sonst gut bezahlten Wirtschaftsanwälte für solche Arbeiten hingeben. Denn das Honorar beträgt, je nach Kanton und Mandat, 90 bis 400 Fr., während Wirtschaftsanwälte bis zu 800 Fr. in der Stunde einstreichen. Die meisten arbeiten tatsächlich aus Freude an der Arbeit bzw. am interessanten Aufgabenbereich. Verhungern müssen sie selbstverständlich nicht. Zimmermann stellt sein Team nach Ausbildung und Erfahrung der Mitglieder zusammen. Werder sieht die Funktion als Gläubigervertreter oder Sachwalter als Türöffner, aus der sich neue, gut bezahlte Mandate als Wirtschaftsanwalt ergeben. Und Stöckli arbeitet nicht nur bei der Transliq, sondern auch noch als Anwalt.

Kaum Konkurrenz

Vor allem sind sie praktisch gefeit vor Konkurrenz. Zwar bemerkt Stöckli Branchenfremde, die ins Geschäft drängen, beunruhigt ist er deswegen nicht. Zimmermann sieht für diese einen gewissen «Charme darin, auf ein fahrendes Wägelchen aufzuspringen», trotzdem schreckt ihn das nicht, weil ihnen das Know-how fehlt. Dazu kommt, dass man sich kennt. Nicht nur untereinander, sondern auch die Auftraggeber, sprich die Konkursämter oder die Gerichtsbehörden. Nicht dass Aufträge nur wegen der Bekanntschaft vergeben würden, doch der Kreis der Know-how-Träger ist eben klein.

Deshalb also wussten Frick, Roesle, Werder und Zimmermann voneinander, scharten die entsprechenden Gläubiger hinter sich und schafften den Einzug in den Gläubigerausschuss der SAirGroup. Ob das Vierergespann die Forderungen der Gläubiger der SAirGroup prüfen kann, ist noch nicht sicher. Erst muss das Quorum zu Stande kommen. Wohl haben bis jetzt 80% der Gläubiger dem Nachlassvertrag zugestimmt. Doch diese vertreten nicht die geforderten zwei Drittel der Forderungen.

Fall 1

Biber Papier

So kams zum Konkurs: Ende 1996 gingen die Biber Holding und die Alte Papierfabrik Utzensdorf (PBU) Konkurs. Wenige Tage zuvor hatte das Management die betrieblichen Aktiven der PBU noch verkauft. Allein, die Einnahmen genügten nicht mehr, um den Betrieb weiterzuführen.

Forderungen: Die Holding forderte von der PBU rund 100 Mio Fr. Bei der PBU ihrerseits standen Forderungen von 358 Mio Fr. im Raum.

Konkursverwalter: Jörg Zimmermann von BDO Visura für die PBU. Karl Wüthrich von Wenger Plattner für die Biber Holding.

Aktueller Stand: Beide Verfahren sind praktisch abgeschlossen. Bei der Holding sind noch Kollokationsprozesse der Aktionäre hängig, die Schadenersatz verlangen. Interessant und absolut einmalig ist aber, dass sowohl die nicht privilegierten Gläubiger der 3. Klasse der Holding wie auch der PBU zu 100% befriedigt worden sind. Die Holding hat sogar das Problem, dass die Dividende mehr als 100% beträgt und jetzt die Verwendung des Überschusses diskutiert wird. Möglich wurde dies durch Verantwortlichkeitsklagen und Vergleiche mit den Banken.

Fall 2

Suter + Suter

So kams zum Nachlass: Suter + Suter war vor dem Swissair-Niedergang einer der spektakulärsten Pleite-Fälle der Schweiz: Dem Basler Planungsbüro wurde das schleppende Immobiliengeschäft zum Verhängnis. Im Mai 1995 war die börsenkotierte Firma mit 400 Mio Fr. überschuldet und die Banken nicht mehr bereit, das Unternehmen mit 600 Angestellten weiter zu finanzieren. Der Nachlassvertrag wurde im November 1995 von den Gläubigern akzeptiert.

Forderungen: Diese forderten insgesamt 241 Mio Fr. Die Nachlassdividende liegt heute bei 23,2%. Im letzten Jahr sind zudem elf der zwölf früheren Vertreter des VR und der Geschäftsleitung einen Vergleich von über 11 Mio Fr. eingegangen. Sie reagierten damit auf den Vorwurf der Gläubiger, dass sie die riskante Entwicklung schon Jahre vor dem Nachlass hätten absehen müssen.

Sachwalter: Ernst & Young, Basel.

Aktueller Stand: Die Liquidation ist noch nicht abgeschlossen, es gibt noch bedingte, ausgesetzte und bestrittene Forderungen zu bereinigen. Die im Oktober 1995 gegründete Nachfolgefirma Suter+Suter Planer AG heisst heute «tk3» und beschäftigt in der Schweiz 80 Mitarbeiter.

Fall 3

Geilinger

So kams zum Nachlass: Im Juni 1996 musste das traditionsreiche Familienunternehmen aus Winterthur Nachlassstundung beantragen. Anfang der 90er Jahre arbeiteten noch 800 Leute bei der Baugruppe, zum Zeitpunkt der Nachlassstundung waren es noch 510. Seit 1992 hatte das Unternehmen nur noch Verlust erwirtschaftet. 40 Mio Fr. waren das 1995, bei einem Umsatz von 247 Mio Fr. Unter anderem die fehlgeschlagene Gründung einer Tochter in Deutschland hat dem Unternehmen das Genick gebrochen.

Forderungen: Insgesamt gegen 1500 Gläubiger machten Forderungen in Höhe von rund 220 Mio Fr. geltend. 14,4 Mio Fr. stammten von den Pensionskassen und fielen zusammen mit privilegierten Ansprüchen von Mitarbeitern in die erste Klasse. Hingegen resultiert für die ca. 150 Mio Fr. der 3.-Klasse-Gläubiger keine Dividende.

Sachwalter: RA Eugen Isler, Zürich, seit 19.8.1997 C&L-Coopers & Lybrand AG als Liquidatorin.

Aktueller Stand: Seit dem 3. Juli 1997 steht Geilinger im Nachlassverfahren mit Vermögensabtretung (Liquidationsvergleich). Die Liquidation befindet sich in der Endphase.

Fall 4

SC Bern

So kams zum Nachlass: Auch der grosse Eishockeyclub schrammte knapp an der Katastrophe vorbei. 1999 war es, als der SC Bern rote Zahlen in der Höhe zwischen 300000 Fr. und 1 Mio Fr. schrieb. Verfehlte Investitionen und zu wenig Zuschauer führten zur misslichen Situation. Dem Sportklub blieb nichts anderes mehr übrig, als die Nachlassstundung einzureichen. Das Verfahren wurde vor allem bewilligt, weil Valora ein Übernahmeangebot platziert hat. Für 1 Mio Fr. wollte der Konzern die 1. Mannschaft des SCB kaufen.

Forderungen: Die ungedeckten Forderungen beliefen sich auf 5,2 bis 6,2 Mio Fr. Demgegenüber standen Guthaben von bloss 0,5 Mio Fr. Für die Gläubiger der 3. Klasse betrug die Nachlassdividende also noch zwischen 8,1 und 9,8%.

Sachwalterin: Transliq, Kurt Stöckli.

Aktueller Stand: Inzwischen ist der SCB vom Konsumgüterkonzern Valora übernommen worden. Sie kauften 70% der dem Verein SCB gehörenden Aktien der SCB-Eishockey AG. Daraus ergab sich eine Nachlassdividende von 9,8% für die Gläubiger, zu denen auch die Stadt Bern und die Ausgleichskasse des Kantons Bern gehörten.