INTERNET. Die Schweiz entwickelt sich zur Plattform für die Internet Service-Anbieter: Anfang Jahr hatte Marktführer Google begonnen, seinen Europa-Sitz in Zürich massiv auszubauen. Kürzlich gab Yahoo bekannt, im waadtländischen Avenches ihr europäisches Datenzentrum zu errichten. Nun startet auch der amerikanische Internetdienst AOL mit aol.ch seine Aktivitäten in der Schweiz.
Die Unternehmen wollen nicht nur von den regulatorischen und steuerlichen Attraktivitäten der Schweiz als Firmenstandort profitieren. Sie haben es auch auf das noch unrealisierte Potenzial des Werbemarktes abgesehen: Als Folge der Kleinräumigkeit liegt der Online-Werbemarkt mit 2% der gesamten Werbeausgaben noch deutlich hinter dem Ausland zurück (UK 15%).
AOL-Sitz in der Schweiz möglich
Andreas Schönenberger, Schweiz-Chef von Google, rechnet hier mit einem starken Wachstum in den nächsten Jahren. Das Unternehmen mit 300 Mitarbeitenden will vor allem Firmen mit starker Internetorientierung ansprechen. Google erzielte 2006 in der Schweiz einen geschätzten Umsatz von über 30 Mio Fr. und strebt für 2007 ein Umsatzwachstum im zweistelligen Prozentbereich an. Yahoo will in der Schweiz vor allem in der Vermarktung grafischer Werbung punkten. «In diesem Bereich ist Google uns bisher in keinem Land als Wettbewerber begegnet», sagt Terry von Bibra, Geschäftsführer Yahoo Deutschland und Vizepräsident für Zentraleuropa. Das Unternehmen will mit einem umfassenden Online-Marketing aus einer Hand überzeugen. Im Datenzentrum in Avanches sollen mehrere Dutzend Personen beschäftigt werden.AOL lanciert in der Schweiz ihre erste zweisprachige Site. Laut Ariel Eckstein, dem Vizepräsidenten Business Expansion AOL Europe, will man die Nutzer mit dem potenten Spamfilter, der unbeschränkten E-Mailspeicherung und dem Instant-Messenger-Dienst überzeugen. AOL überlegt sich laut Eckstein, längerfristig zusätzlich zum Sitz in London auf dem europäischen Kontinent niederzulassen, wobei auch die Schweiz in Frage käme.
Starke lokale Konkurrenz
Experten beurteilen die Expansionsvisionen von Yahoo und AOL in der Schweiz kritisch. «Beide werden sich schwer tun gegen Google, aber auch gegenüber starken lokalen Anbietern wie Bluewin oder search.ch», sagt der Internetpionier Andreas Göldi. Search.ch gehört der Post, Bluewin der Swisscom. Gegen Yahoo spreche, so Göldi, dass keine speziell für die Schweiz entwickelten Produkte und Services angeboten würden. Grosser Nachteil von AOL sei das Fehlen eines Schweizer Verkaufsbüros und eines Telefonkontaktes für Werbekunden. «AOL müsste massives Marketing betreiben und starke Vertriebspartnerschaften eingehen. Anders sind die User kaum von ihrem gewohnten Google- oder Bluewin-Portal wegzulocken», ist Göldi überzeugt.Diese Ansicht teilt Camillus Guhl, Mitbegründer der providerliste.ch. «Es zeichnet sich ab, dass search.ch und Bluewin sich vor Yahoo und insbesondere AOL behaupten werden», meint er. Trotzdem ist der Schweizer Markt nach Ansicht der beiden Internetkenner für die Amerikaner interessant, vor allem wegen der vergleichsweise hohen Werbepreise und der hohen Internetnutzungsdichte. «Der Markt eignet sich durchaus als Testmarkt für innovative neue Internetdienste», sagt Göldi.