BILANZ: Gibt es die ideale Organisation?

Norbert Thom: Nein, denn es gibt keine Organisationsform, die für alle Unternehmen passt. Jede Form hat Vor- und Nachteile, daher ist Organisation immer Massarbeit. Eine sehr flexible allerdings, denn sie liegt mitten im Spannungsfeld von Stabilität und Flexibilität. Ersteres verlangen die Menschen von einem Unternehmen, Letzteres die Märkte.

Lassen sich Organisationsformen für Branchen, Unternehmensgrössen oder wirtschaftliche Lagen definieren?

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Nur bedingt. So sind zum Beispiel KMUs meistens funktional organisiert, während internationale Grosskonzerne eher divisional aufgestellt sind und grosse Handelsbetriebe oft auf regionale Gliederungen setzen. Bei der wirtschaftlichen Lage ist speziell die Krisensituation hervorzuheben. In dieser müssen bestehende Strukturen unbedingt durch eine zusätz-liche Form überlagert werden, das heisst, es muss ein äusserst situativer und flexibler Ansatz gepflegt werden.

Die Schweizer Mentalität besticht ja nicht gerade durch Flexibilität und kreatives Ausprobieren. Lässt sich dadurch erklären, dass die hiesige Wirtschaft in Sachen Innovation und Wachstum in den letzten Jahren immer mehr ins Hintertreffen gerät?

Das ist richtig. Manche Schweizer verkörpern die Paradenatur der Kästchendenker. Ich plädiere daher seit langem für eine Mischung aus mediterraner und deutschsprachiger Mentalität in den Unternehmen. Denn um innovativer zu werden, brauchen die Unternehmen und ihre Manager die Fähigkeit der Anpassung an neue Situationen sowie den Mut zu Experimentierzonen. Das gilt für KMUs genauso wie für Grossunternehmen. Die Organisation ist dabei lediglich die Dienerin, die mithilft, die Ziele eines Unternehmens zu erreichen. Das heisst, sie muss an die unternehmerischen Visionen und Strategien angepasst werden, darf aber nicht einengen.

Soll in den Unternehmen nun also das kreative Chaos ausbrechen?

Ja, aber das gilt nur für ganz bestimmte Bereiche, wie zum Beispiel die Forschung und Entwicklung. Hier ist die falsch verstandene Controlling-Mentalität fehl am Platz. Grundsätzlich brauchen Firmen aber eine Struktur, und normale Prozesse, wie die Herstellung der langjährigen Produkte, müssen geregelt ablaufen. Hier handelt es sich um die primäre Organisation, die den Heimatort bildet und dafür sorgt, dass sich die Mitarbeitenden als dem Unternehmen zugehörig empfinden.

Nun wird aber gerade in Grossunternehmen am Laufmeter reorganisiert. Neuer Chef, neue Strategie, neue Organisation, heisst die Devise. Wie sollen sich Mitarbeitende da noch zu Hause fühlen?

Ständige Reorganisationen sind Motivationskiller und lassen die Glaubwürdigkeit eines Unternehmens auf ein Minimum sinken. Das zeigen die Beispiele ABB und Ascom in bestimmten Vergangenheitsperioden deutlich. Daher ist der Gestaltung des Prozesses grosse Beachtung zu schenken und der Konsolidierung genügend Raum einzuräumen, damit sich alle Mitarbeitenden mit der neuen Strategie und der neuen Organisation identifizieren können. Eine Reorganisation ist immer ein starkes Machtspiel, bei dem der legitimierte Machtpromotor seine Leute davon überzeugen muss, dass die neue Organisation die beste für das Unternehmen ist. Ein autoritärer CEO, der schon nach zehn Tagen im Amt das Feld voller Überaktivismus umgraben will, wird kaum Erfolg haben.