Auf den ersten Blick sehen die Zahlen ordentlich aus, die Swiss Re zum ersten Halbjahr 2019 Ende Juli vorgelegt hat: Der Reingewinn lag bei 953 Millionen US-Dollar (Swiss Re führt ihre Bilanz in der amerikanischen Währung). Das sind 100 Millionen mehr, als Analysten erwartet hatten. Zudem machte Swiss Re im Sach-Rückversicherungsgeschäft, dem Kerngeschäft, mehr Gewinn: Hier gab es einen Gewinnanstieg um 2,5 Prozent aufgrund des profitablen Geschäftswachstums und einer sehr starken Anlageperformance.

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Sorgensparte Corporate Solutions

Für das laufende Jahr rechnet Christian Mumenthaler, Group Chief Executive Officer von Swiss Re, mit einem «normalisierten» Schaden- Kosten-Satz (Combined Ratio) von 98 Prozent, nachdem dieser überaus wichtige Kennwert bis Ende Juni auf 100,5 Prozent emporgeschnellt war. Unter einem Stand von 100 Prozent macht eine Versicherung Gewinn, darüber verliert sie Geld.

Viel Geld verlor Swiss Re in der Sorgensparte Corporate Solutions (Corso): Hier explodierte die Combined Ratio auf fast 133 Prozent, nachdem man im Vorjahres-Vergleichszeitraum noch knapp 102 Prozent ausgewiesen und sich darob ziemlich zerknirscht gegeben hatte. Der erst seit kurzem wirkende neue Corso-Spartenchef Andreas Berger hat gemäss eigenen Aussagen das problematische Haftpflichtportfolio in den USA, das Spezialversicherungsgeschäft und die Agrar-, die Luftfahrt-, die Schiffs- und die Raumfahrtversicherung geprüft und will die Sparten-Reserven um 328 Millionen Dollar aufstocken. Die Bereinigung des Portfolios betrifft Geschäfte im Umfang von 900 Millionen Dollar. Bis zum Jahr 2021 sollten die Probleme in dieser Sparte behoben sein, versicherte der neue Spartenleiter.

Gemäss den Analysten der US-Investmentbank Jefferies erscheint dieses Ziel als «ambitiös». Die Problemlinien umfassen rund ein Drittel, entsprechend 1,65 Milliarden Dollar des gesamten Buches in dieser Sparte; de facto sollen diese um mehr als die Hälfte gekürzt werden. Die Reduktion um 900 Millionen Dollar entspricht zudem einem Fünftel des jährlichen Prämienvolumens dieser Sparte. Die Spezialitäten sollen um gleich 95 Prozent schrumpfen.

Strategische Kehrtwende

Im Zentrum der Reorganisation steht nicht nur die Restrukturierung des Portfolios, sondern auch eine Optimierung des Rückversicherungsschutzes für die Problemsparte. Corso weist jetzt mehr Rückversicherungsschutz auf. Dazu gehört auch die «Adverse Development Cover» (ADC), mit der sich die Sparte in der hauseigenen Rückversicherung dagegen absichert, dass mehr als die erwähnten 328 Millionen Dollar Reserveaufstockung erforderlich werden – selbst wenn sich das Corso-Geschäft schlechter als erwartet entwickeln sollte. Corso wird zukünftig 80 Prozent erhalten, wenn sich die Reserven vorteilhaft entwickeln, woraus die Analysten wiederum folgern, dass die jetzt neu aufgebauten Reservepolster robuster ausgelegt sind, als dies auf den ersten Blick erscheint.

Ab dem kommenden Jahr soll die Sparte zudem höhere Rückversicherungsdeckungen organisieren, um das Verhältnis zwischen selbst gehaltenen und weitergegebenen Risiken weiter zu optimieren. Das ist gemäss Analysten eine bemerkenswerte strategische Abkehr vom bisherigen Vorgehen. Denn bisher hatte Swiss Re insgesamt den Risiko-Transfer minimalisiert, auch vor dem Hintergrund, dass die eigene Bilanz solche Risiken eigentlich tragen sollte (und man daraus die eigene Wertschöpfung bezieht).

Gesamthaft erscheinen die Ziele erreichbar, so die Analysten. Denn bereits im laufenden Jahr zeigten sich die Märkte robust; die risikoadjustierten Preise stiegen um 9 Prozent (wovon 7 Prozent auf die Preise selber und 2 Prozent auf die Konditionen entfielen). Auch sollen interne Kosten im Umfang von 2 Prozent der Budgets sowie ein Prozent Rückversicherungsauslagen eingespart werden. Auch diese Ziele erscheinen nicht unrealistisch, so die Analysten, «obwohl typischerweise die Manager die Wirkung der Ausgabenkürzungen überschätzen, vor allem, wenn man zuerst noch zusätzlich in die IT investieren muss, um dieses Ziel zu erreichen».

Zusätzliche Risiken

Swiss Re bleibt indes auf der ReAssure sitzen, was zusätzliche Risiken schafft. Mitte Juli hatte man den Börsengang in letzter Minute abgesagt, nachdem Investoren nur geringes Interesse signalisiert hatten. Vor dem Hintergrund der unsicheren Situation auch um einen möglicherweise im Oktober eintretenden Brexit ohne Vertrag mit der EU wird man in diesem Jahr laut Mumenthaler keinen weiteren Anlauf unternehmen, diese Sparte an die Börse zu bringen.

ReAssure bildet einen guten Teil der Life-Sparte, die in der ersten Jahreshälfte keine überzeugenden Zahlen vorlegte: Unter dem Strich hatte man lediglich 31 Millionen Dollar generiert, auch weil man intern in Hinblick auf den Verkauf von ReAssure diese mit 431 Millionen Pfund ausgestattet hatte. Als Gewinn blieben bescheidene 5 Millionen Dollar übrig. Dies, nachdem im Vorjahr noch 34 Millionen ausgewiesen worden waren.

Hinzu kommen weitere Details: Wer wie Versicherungen viel Geld in Obligationen anlegt, hat tiefere Anlageerträge, aber höhere (buchtechnische) Gewinne, wenn die Renditen fallen (und die Bondpreise steigen), und umgekehrt. In der ersten Hälfte dieses Jahres waren sowohl die Zinsen als auch die Erträge gefallen. Gemäss Swiss Re ist das darauf zurückzuführen, dass man gleichzeitig die Absicherung der Zinsrisiken reduziert und das Asset-Liability-Matching verbessert hatte. Mit einer weiterlaufenden Absicherung wäre das Ergebnis möglicherweise optisch besser ausgefallen.

Und hinter den schwachen Zahlen steckt eigentlich eine weitere Entwicklung: die beiden internen Projekte ElipsLife und IptiQ. IptiQ, das bisher White-Label-individuellen Schutz verkauft hatte, will in das Nicht-Leben-Geschäft expandieren. ElipsLife ist im B2B-Geschäft tätig.