Was war das für ein Jahr! 2001 wird ohne Zweifel als Annus horribilis in die Annalen der Schweizer Wirtschaftsgeschichte eingehen. Das Swissair-Debakel, das mit Strategie- und Managementwechsel, Liquiditätsnot, Grounding, Massenentlassung und Nachlassstundung jedesmal noch eine Stufe schlimmer wurde, als man es sich eigentlich hätte vorstellen können, und das mit dem Gezänk um den neuen Crossair-VR eine traurige Fortsetzung findet. Der 250-Millionen-Flop bei der Bank Vontobel, die nicht nur das Internetprojekt You, sondern auch noch gleich ihren guten Ruf in den Sand setzte. Die öffentlich ausgetragene Schlammschlacht um Kuoni, deren VR-Präsident mit Hilfe von Bodyguards aus seinem Amt gedrängt werden musste – und dann auch nur mit einer Millionenabfindung in der Tasche. Das Qualitätsdebakel bei Sulzer Medica und der Niedergang der privaten TV-Stationen Tele 24 und TV 3, die das Wort Gewinn in ihrer kurzen Geschichte nur aus dem Fremdwörterbuch kannten. Dazu die Ganz- oder Beinahe-Pleiten am SWX New Market, der sich dem weltweiten Niedergang der New-Economy-Firmen nicht entziehen konnte. Nein, die Schweizer Wirtschaftselite hat sich dieses Jahr wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert. Nieten in Nadelstreifen, wohin man schaut.
Aber ganz so schlimm ist es nicht. Es gibt sie noch, die Manager, die auch in schwierigen Zeiten Glanzresultate liefern. Jene, die unbeeindruckt vom weltweiten Konjunkturabschwung und von nationalen Selbstzweifeln ihr Schiff auf Kurs halten und den Aktionären, Kunden und Mitarbeitern Freude bereiten. BILANZ hat sie gesucht, die Leistungsträger der vergangenen Saison, und aus ihnen wie jedes Jahr das All-Star-Team zusammengestellt.
Eine imaginäre Erfolgsmannschaft, wohlgemerkt: Denn wie im Sport gilt auch hier, dass die Summe der besten Einzelkämpfer nicht automatisch die beste Mannschaft ergibt. Das Zusammenspiel der Stars entscheidet oder, wie es im Managementdeutsch heisst, die Teamfähigkeit. Und die dürfte, bei allem Respekt, mit so vielen Alphatieren in der gleichen Equipe dann doch eher schwierig sein.
Porträts
Ehrenpräsident
Moritz Suter
Crossair-Gründer
Das Crossair-Ehrenpräsidium hat er abgelehnt. Also hat er wohl Zeit, das gleiche Amt im All-Star-Team auszuüben – in suterscher Manier: visionär, energisch, fintenreich.
Der Mann hat in nicht einmal drei Jahrzehnten die grösste regionale Fluggesellschaft Europas aufgebaut und mit EuroCross ein Luftverkehrssystem geschaffen, das über den Hub EuroAirport Basel-Mulhouse-Freiburg die Idee des «Europa der Regionen» in die Tat umsetzt. Und nicht zuletzt hat Moritz Suter mit seiner Crossair das Auffangnetz für die Schweizer Zivilluftfahrt bereitgestellt, mit dessen Hilfe aus den Trümmern der Swissair eine neue Schweizer Airline entstehen soll. Dass er als Belohnung für diese Lebensleistung nun von den Kapitalgebern der neuen Airline ins Abseits gestellt wurde, hat für einigen Wirbel gesorgt.
Wie für viele andere gilt auch für Moritz Suter, dass der Prophet im eigenen Land nichts gilt, wohl aber in der Fremde. Die European Regions Airline Association jedenfalls, zu deren Mitgründern Moritz Suter vor mehr als zwanzig Jahren gehörte, hat ihn vor einem guten Jahr zu ihrem Ehrenpräsidenten ernannt. Und genau dieses Amt sieht die BILANZ für Moritz Suter in ihrem All-Star-Team 2001 vor. GL
VR-Präsident
Peter Brabeck-Letmathe
CEO Nestlé
Nestlés Umsatz wächst, der Gewinn steigt: Peter Brabeck-Letmathe bewährt sich im Pflichtteil seiner Aufgabe. Mit dem Projekt «Globe» zeigt er auch eine ambitiöse Kür.
Der Nestlé-CEO steuert den Nahrungsmittelriesen seit nunmehr vier Jahren auf Erfolgskurs und hat im letzten Jahr zu einer umfassenden strategischen Neuausrichtung angesetzt. «Globe» heisst das Projekt, mit dem Peter Brabeck-Letmathe den wohl globalsten aller Multis in maximal sieben Jahren komplett umkrempeln und noch globaler machen will. Die bislang vornehmlich in nationale und regionale Märkte gegliederte Nestlé soll zu einem einzigen flexiblen Organismus werden, in dem Waren und Informationen frei fliessen und in dem Menschen und Produktionsstätten je nach dem zu lösenden Problem unterschiedlich aggregiert werden können.
Der Umbau bindet Managementkräfte und sorgt in manchen Bereichen des Riesenkonzerns unweigerlich für Unruhe. Dennoch ist Nestlé im abgelaufenen Geschäftsjahr auf Kurs geblieben: Das Umsatzziel von plus vier Prozent (internes Wachstum, ohne Akquisitionen) wurde erreicht, die Ertragslage hat sich weiter verbessert. Das ist, auch im Umfeld einer sich weltweit abschwächenden Konjunktur, eine reife Leistung. Und deshalb hat sich Peter Brabeck-Letmathe seinen Platz als CEO im BILANZ-All-Star-Team redlich verdient. GL
CEO
Jens Alder
CEO Swisscom
Jens Alder hat es den Grossen und Grössenwahnsinnigen der Telekom-Branche gezeigt: Er akquirierte nicht auf Teufel komm raus und zeigte damit gutes Gespür.
Der Wortschatz von Jens Alder ist einseitig. «Nein!» ist seine Lieblingsvokabel, und er benutzt sie sehr häufig. «Nein!» sagte er über hundertmal in den letzten Monaten, wenn er wieder einmal die Möglichkeit hatte, eine Akquisition zu tätigen und dadurch für die Swisscom zusätzliches Wachstum zu generieren. «Nein!» hatte er schon vorher gesagt, als es darum ging, Milliarden in eine UMTS-Lizenz für seine Deutschland-Tochter Debitel zu stecken. Und «Nein!» sagt er jedesmal, wenn ihm Konkurrenz oder Regulierungsbehörden irgendwelche Zugeständnisse abringen wollen, die für mehr Wettbewerb auf der letzten Meile sorgen würden.
Alders Managementstil mag konservativ, gar langweilig sein – da es in der so turbulenten Telekom-Branche dieses Jahr weltweit kräftig bergab ging, stellte er sich jedoch als goldrichtig heraus. Während die internationale Konkurrenz Milliardenabschreiber tätigen muss und unter einer gewaltigen Schuldenlast ächzt, schwimmt die Swisscom im Geld. In einem Jahr, in dem sich die Schweizer Managementgilde nicht mit Ruhm bekleckerte, hat Jens Alder allen gezeigt, mit welchen – eigentlich typisch schweizerischen – Eigenschaften der Erfolg kommt: mit Ruhe, Übersicht und einer gehörigen Portion Zurückhaltung. MK
Finanzchef
Peter Siegenthaler
Direktor Eidgenössische Finanzverwaltung
Der Bundesrat denkt, Peter Siegenthaler lenkt: So lief es zeitweise in der Swissair-Krise. Der Bundeskassenhüter erwies sich als guter Rechner und stressfester Pragmatiker.
Die Kaderleute des Bundes haben Selbstbewusstsein getankt. Grund: Auch beim Staat gibt es Führungskräfte, die es jederzeit mit den hoch bezahlten Managern der Privatwirtschaft aufnehmen können. Den Beweis dafür angetreten hat Peter Siegenthaler, Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung. Als Chef der Task-Force hat der bärtige Berner während der Swissair-Krise einen super Job gemacht und die heikle Rettungsaktion mit Sachverstand und ruhiger Hand durchgezogen. Sein Stern strahlt noch heller, weil sich der zerstrittene Bundesrat anfänglich einmal mehr als wenig krisentauglich erwiesen hat.
Wenn dem Shooting Star öffentlich attestiert wird, er könnte jederzeit Finanzchef eines Multis werden, entbehrt dies nicht einer gewissen Ironie: Der gescheiterte Mario Corti war CFO bei Nestlé, als er aufbrach, die Swissair zu retten. Wenn die neue Airline in Turbulenzen gerät, könnte es auch für ihren VR Siegenthaler eng werden. Aus eigener Überzeugung weiss er: Ein zweiter Griff in die von ihm gehütete Bundeskasse ist ausgeschlossen. MS
Verkaufschef
Thomas Ebeling
Pharma-Chef Novartis
Mit Thomas Ebeling hat Novartis einen Marketingspezialisten an die Spitze der Pharma-Division gesetzt. Gut gemacht: Der Umsatz tat dieses Jahr einen schönen Sprung nach vorn.
Er würde auch die katholische Kirche vermarkten, hat Thomas Ebeling einmal gesagt, und niemand zweifelt daran. Der ausgebildete Psychologe mit dem Profil eines Boxers bewies in seiner beruflichen Laufbahn des Öftern, dass praktisch alles zu Marken formbar ist. Bevor Ebeling 1997 zu Novartis stiess, hatte er in Deutschland die Zigarette West und den Softdrink Pepsi-Cola verkauft. Als der Deutsche Mitte 2000 zum Leiter der Kerndivision Pharma befördert wurde, schwor er die konservativen Schweizer Marketingteams mit Schlachtrufen wie «Kill to win – no prisoners» auf neue aggressive Verkaufsmethoden ein. «Näher zum Konsumenten», die Devise der Konsumgüterindustrie, bog er für die Pharmabranche kurzerhand in «Näher zum Patienten» um.
Auch finanziell operiert Ebeling mit einer stärkeren Dosis. Im Jahr 2000 stieg das Marketingbudget um eine halbe, 2001 um eine Milliarde Franken. Die Maschine ist also gut geölt, aber liefert sie auch den gewünschten Ausstoss? Die erste Runde hat Ebeling gewonnen: Nach einem Wachstum von 15 Prozent im laufenden Jahr soll der Umsatz der Kerndivision Pharma auch nächstes Jahr zweistellig wachsen – deutlich mehr als der Marktdurchschnitt. CA
Marketingchefin
Shawne Fielding
Botschaftergattin
Die Gattin von Botschafter Thomas Borer macht es der Welt mit Schalk und Glamour deutlich: Die Schweiz besteht nicht bloss aus Eiger, Mönch und Jungfrauen.
Noch nie kam eine Botschafterin für die Schweiz so glamourös daher. Dabei steht Shawne Fielding eigentlich nicht als Diplomatin im Salär des Bundes. Aber mit ihrem Auftreten stiehlt sie ihrem Mann Thomas Borer, dem Schweizer Botschafter in Berlin, die Show und weibelt als Fun-Faktor für die Schweiz. Wenn die ehemalige Schönheitskönigin in Berlin zum Empfang lädt, wird auch der biedere 1. August zum Showbiz. «Präsenz Schweiz» nennt Thomas Borer seine Vorstellung von einem zeitgemässen Politmarketing für die Schweiz. Entlang dieser Parole bewegt sich seine Gattin – und sorgt in Talkshows und Lifestyle-Magazinen dafür, dass die Schweiz nicht nur als angestaubtes Käse-Schokoladen-Land wahrgenommen wird. Ihre gelegentliche Nähe zum Boulevard wird zwar nicht überall goutiert. Aber grundsätzlich ist man sich einig: Die kesse Texanerin wirbt erfolgreicher als alle anderen für ein fortschrittlicheres Image der Eidgenossen. Ihren Hochschulabschluss in PR nützt Shawne Fielding dabei auch für eigene Belange: Ein Auftritt von ihr kostet bis zu 50 000 Dollar. RH
Produktionschef
Bruno Marazzi
Generalunternehmer Immobilien
Er baut inspirierter als andere in der Immobilienbranche, aber auch günstiger: Bruno Marazzi, Schöpfer des Basler St.-Jakob-Parks, versteht sich auf schlanke Produktion.
Mit der Einweihung des Basler St.-Jakob-Parks hat sich der Emmentaler Generalunternehmer Bruno Marazzi gleichzeitig zum landesweiten Baukönig befördert. Der Mann mit dem diskreten Auftritt hat mit der Zweckimmobilie an der Birs, die Stadion, Warenhaus und Alterresidenzen einschliesst, definitiv Branchenstandards gesetzt. Was sich Marazzi und seine Equipen vornehmen, ist meist konkurrenzlos günstig und stimmt vom Timing und von der Qualität her.
So stark wie auf der konstruktiven Seite ist er ebenso sehr auf der Finanzierungsseite. Seinen solventen Bauherren macht er klare Renditezusagen und startet keinen Bau, bis nicht der letzte Quadratmeter Nutzfläche vermietet oder verkauft ist. Kein Wunder, kennt er Abschreiber nur vom Hörensagen. Dank gesunder Eigenfinanzierung kann sich Marazzi auf eigenes Risiko eine randvolle Projektpipeline leisten, die ihresgleichen sucht. MM
Personalchef
Rainer E. Gut
VR-Präsident Nestlé
Mit unserem Ehrenpräsidenten wird er sich wohl nicht gut verstehen. Aber mit seiner Headhunterleistung für Crossair empfiehlt sich Rainer E. Gut nun mal als Personalchef.
Wie er den neuen Verwaltungsrat der Crossair zusammengestellt hat, ist grosse Klasse. Der 69-jährige Innerschweizer mit dem Charme eines knatternden Motorrades hat damit bewiesen, dass er sein Personal noch immer führen kann, wohin er will. Die obersten Manager dieses Landes sind «Blue Eyes» zumeist alle etwas schuldig – für Gut würden sie deshalb so manches tun. Beispielsweise Millionen spenden für einen Flugbetrieb, was betriebswirtschaftlich wenig, volkswirtschaftlich und vor allem moralisch jedoch einigen Sinn macht. Moralisch, weil nicht allein Bundespräsident Moritz Leuenberger gerne dieses Lied auf seinen Instrumenten anstimmt, sondern auch die kleine, deshalb zwingend gegenseitig ineinander verwobene wirtschaftliche Elite der Schweiz weiss, dass sie beim Swissair-Debakel Schuld auf sich geladen hat.
Der notorische Medienhasser Rainer E. Gut ist BILANZ-Personalchef des Jahres, weil der Patron abwechslungsweise mit Güte und Härte zusammenbringt und -hält, was zusammengehört. BA
Forschungschef
Atanas Zafirov
VR-Präsident Vivastar
Vivastar-Gründer Zafirov behauptet sich mit seinem Unternehmen als einziger europäischer Hersteller auf dem boomenden Markt der optischen Speichermedien.
Dass ein Schweizer Unternehmen auf dem Weltmarkt für Unterhaltungselektronik eine Führungsrolle einnimmt, ist selten genug. Atanas Zafirov hat es mit seinem Chamer Unternehmen Vivastar geschafft. Vom Zukunftsmarkt der optischen Speichermedien hat sich Vivastar mit seinen beschreibbaren CDs und DVDs bereits 13 Prozent Anteil abgeschnitten. Als einziger europäischer Hersteller bietet Zafirov den japanischen Konkurrenten TDK und Verbatim die Stirn. Das Know-how dazu: selbst entwickelt in den Chamer Labors.
In diesen Wochen lanciert Zafirovs Mannschaft (weltweit 210 Mann) zudem ihre seit langem erwarteten DVD-Rekorder, deren wichtigste Komponenten ebenfalls made in Cham sind. Das soll den Umsatz von heuer 33 Millionen auf im nächsten Jahr 110 Millionen katapultieren. Zusammen mit der – man ahnt es – ebenfalls selbst entwickelten Software ist Vivastar dann der einzige Anbieter, der für den optischen Speichermarkt Komplettlösungen aus einer Hand anbietet. In Medien wie «USA Today», dem «Time Magazine» oder der «New York Times» wird der gebürtige Bulgare Zafirov als Mann der Zukunft gefeiert. Als Forschungschef steht er für BILANZ bereits heute im All-Star-Team. MK
IT-Chefin
Antoinette Hunziker
CEO Virt-x
Ob die paneuropäische Handelsplattform Virt-x wie erhofft Erfolg haben wird, steht noch in den Sternen. Unbestritten erstklassig ist die bei Virt-x eingesetzte Technologie.
Mitte Jahr landete Antoinette Hunziker-Ebneter, die visionäre Chefin der SWX-Gruppe, mit der Lancierung der ersten paneuropäischen Handelsplattform Virt-x einen in der Börsenwelt viel beachteten Coup. Auf der vollelektronischen Plattform wird der Handel mit den rund 600 wichtigsten Aktien Europas – darunter auch sämtliche Schweizer Standardwerte – zu kompetitiven Konditionen angeboten. Für eine technisch einwandfreie Abwicklung der Aufträge von A bis Z bürgt die bewährte IT-Qualität der Schweizer Börse SWX. Bereits 1998 schuf Antoinette Hunziker-Ebneter mit der Einführung der Elektronischen Börse Schweiz, wie die SWX damals noch hiess, einen hohen Standard im elektronischen Börsenhandel. Allein der technologische Vorsprung, der auch dem Virt-x-System attestiert wird, garantiert aber noch keinen vorderen Rang unter den europäischen Börsen. Der Erfolg hängt massgeblich vom Handelsvolumen ab. Und dafür ist die Virt-x-Leiterin engagiert und unermüdlich im Einsatz. CB
Kommunikationschef
Daniel Vischer
Gewerkschaftsführer
Beim VPOD für den Luftverkehr zuständig, erlebte Gewerkschafter Vischer ein stürmisches Jahr und würzte die öffentliche Swissair-Debatte mit scharfzüngigen Voten.
Der scharfzüngige Dialektiker zelebrierte seine TV-Auftritte während der Swissair-Krise. Doch die grösste kommunikative Leistung erbrachte der Gewerkschaftsführer im Dialog mit dem Personal sowie mit Corti, Dosé und Co. Während die arrogant auftretenden Swissair-Piloten die neue Airline zu sabotieren drohten, realisierte der Präsident der VPOD-Sektion Luftverkehr rasch, was auf dem Spiel stand, und unterstützte das fragile Projekt. Im Gegensatz etwa zu seinem Erzfeind, dem zaudernden SP-Minister Leuenberger, der es nicht für nötig hielt, die Gewerkschaften frühzeitig einzubeziehen.
Für die Zürcher SP-Schickeria ist der Anwalt und grüne Kantonsrat ohnehin ein rotes Tuch, weil er gerne den Advocatus Diaboli spielt. So lehnt der Exilbasler den EU-Beitritt nicht aus Prinzip ab, sondern weil die politisch korrekte Linke glaubt, die Schweizer würden dadurch zu besseren Menschen. Und wenn die Gutmeinenden «alle Vernünftigen gegen Christoph Blocher» mobilisieren, sträuben sich seine Nackenhaare.
Bis zum Sommer war Vischer vorwiegend in seiner Branche bekannt. Inzwischen ist sein Kommunikationstalent für alle offensichtlich, die Anteil nehmen am Schicksal der Swissair. Also für alle Schweizer. MS
Aber ganz so schlimm ist es nicht. Es gibt sie noch, die Manager, die auch in schwierigen Zeiten Glanzresultate liefern. Jene, die unbeeindruckt vom weltweiten Konjunkturabschwung und von nationalen Selbstzweifeln ihr Schiff auf Kurs halten und den Aktionären, Kunden und Mitarbeitern Freude bereiten. BILANZ hat sie gesucht, die Leistungsträger der vergangenen Saison, und aus ihnen wie jedes Jahr das All-Star-Team zusammengestellt.
Eine imaginäre Erfolgsmannschaft, wohlgemerkt: Denn wie im Sport gilt auch hier, dass die Summe der besten Einzelkämpfer nicht automatisch die beste Mannschaft ergibt. Das Zusammenspiel der Stars entscheidet oder, wie es im Managementdeutsch heisst, die Teamfähigkeit. Und die dürfte, bei allem Respekt, mit so vielen Alphatieren in der gleichen Equipe dann doch eher schwierig sein.
Porträts
Ehrenpräsident
Moritz Suter
Crossair-Gründer
Das Crossair-Ehrenpräsidium hat er abgelehnt. Also hat er wohl Zeit, das gleiche Amt im All-Star-Team auszuüben – in suterscher Manier: visionär, energisch, fintenreich.
Der Mann hat in nicht einmal drei Jahrzehnten die grösste regionale Fluggesellschaft Europas aufgebaut und mit EuroCross ein Luftverkehrssystem geschaffen, das über den Hub EuroAirport Basel-Mulhouse-Freiburg die Idee des «Europa der Regionen» in die Tat umsetzt. Und nicht zuletzt hat Moritz Suter mit seiner Crossair das Auffangnetz für die Schweizer Zivilluftfahrt bereitgestellt, mit dessen Hilfe aus den Trümmern der Swissair eine neue Schweizer Airline entstehen soll. Dass er als Belohnung für diese Lebensleistung nun von den Kapitalgebern der neuen Airline ins Abseits gestellt wurde, hat für einigen Wirbel gesorgt.
Wie für viele andere gilt auch für Moritz Suter, dass der Prophet im eigenen Land nichts gilt, wohl aber in der Fremde. Die European Regions Airline Association jedenfalls, zu deren Mitgründern Moritz Suter vor mehr als zwanzig Jahren gehörte, hat ihn vor einem guten Jahr zu ihrem Ehrenpräsidenten ernannt. Und genau dieses Amt sieht die BILANZ für Moritz Suter in ihrem All-Star-Team 2001 vor. GL
VR-Präsident
Peter Brabeck-Letmathe
CEO Nestlé
Nestlés Umsatz wächst, der Gewinn steigt: Peter Brabeck-Letmathe bewährt sich im Pflichtteil seiner Aufgabe. Mit dem Projekt «Globe» zeigt er auch eine ambitiöse Kür.
Der Nestlé-CEO steuert den Nahrungsmittelriesen seit nunmehr vier Jahren auf Erfolgskurs und hat im letzten Jahr zu einer umfassenden strategischen Neuausrichtung angesetzt. «Globe» heisst das Projekt, mit dem Peter Brabeck-Letmathe den wohl globalsten aller Multis in maximal sieben Jahren komplett umkrempeln und noch globaler machen will. Die bislang vornehmlich in nationale und regionale Märkte gegliederte Nestlé soll zu einem einzigen flexiblen Organismus werden, in dem Waren und Informationen frei fliessen und in dem Menschen und Produktionsstätten je nach dem zu lösenden Problem unterschiedlich aggregiert werden können.
Der Umbau bindet Managementkräfte und sorgt in manchen Bereichen des Riesenkonzerns unweigerlich für Unruhe. Dennoch ist Nestlé im abgelaufenen Geschäftsjahr auf Kurs geblieben: Das Umsatzziel von plus vier Prozent (internes Wachstum, ohne Akquisitionen) wurde erreicht, die Ertragslage hat sich weiter verbessert. Das ist, auch im Umfeld einer sich weltweit abschwächenden Konjunktur, eine reife Leistung. Und deshalb hat sich Peter Brabeck-Letmathe seinen Platz als CEO im BILANZ-All-Star-Team redlich verdient. GL
CEO
Jens Alder
CEO Swisscom
Jens Alder hat es den Grossen und Grössenwahnsinnigen der Telekom-Branche gezeigt: Er akquirierte nicht auf Teufel komm raus und zeigte damit gutes Gespür.
Der Wortschatz von Jens Alder ist einseitig. «Nein!» ist seine Lieblingsvokabel, und er benutzt sie sehr häufig. «Nein!» sagte er über hundertmal in den letzten Monaten, wenn er wieder einmal die Möglichkeit hatte, eine Akquisition zu tätigen und dadurch für die Swisscom zusätzliches Wachstum zu generieren. «Nein!» hatte er schon vorher gesagt, als es darum ging, Milliarden in eine UMTS-Lizenz für seine Deutschland-Tochter Debitel zu stecken. Und «Nein!» sagt er jedesmal, wenn ihm Konkurrenz oder Regulierungsbehörden irgendwelche Zugeständnisse abringen wollen, die für mehr Wettbewerb auf der letzten Meile sorgen würden.
Alders Managementstil mag konservativ, gar langweilig sein – da es in der so turbulenten Telekom-Branche dieses Jahr weltweit kräftig bergab ging, stellte er sich jedoch als goldrichtig heraus. Während die internationale Konkurrenz Milliardenabschreiber tätigen muss und unter einer gewaltigen Schuldenlast ächzt, schwimmt die Swisscom im Geld. In einem Jahr, in dem sich die Schweizer Managementgilde nicht mit Ruhm bekleckerte, hat Jens Alder allen gezeigt, mit welchen – eigentlich typisch schweizerischen – Eigenschaften der Erfolg kommt: mit Ruhe, Übersicht und einer gehörigen Portion Zurückhaltung. MK
Finanzchef
Peter Siegenthaler
Direktor Eidgenössische Finanzverwaltung
Der Bundesrat denkt, Peter Siegenthaler lenkt: So lief es zeitweise in der Swissair-Krise. Der Bundeskassenhüter erwies sich als guter Rechner und stressfester Pragmatiker.
Die Kaderleute des Bundes haben Selbstbewusstsein getankt. Grund: Auch beim Staat gibt es Führungskräfte, die es jederzeit mit den hoch bezahlten Managern der Privatwirtschaft aufnehmen können. Den Beweis dafür angetreten hat Peter Siegenthaler, Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung. Als Chef der Task-Force hat der bärtige Berner während der Swissair-Krise einen super Job gemacht und die heikle Rettungsaktion mit Sachverstand und ruhiger Hand durchgezogen. Sein Stern strahlt noch heller, weil sich der zerstrittene Bundesrat anfänglich einmal mehr als wenig krisentauglich erwiesen hat.
Wenn dem Shooting Star öffentlich attestiert wird, er könnte jederzeit Finanzchef eines Multis werden, entbehrt dies nicht einer gewissen Ironie: Der gescheiterte Mario Corti war CFO bei Nestlé, als er aufbrach, die Swissair zu retten. Wenn die neue Airline in Turbulenzen gerät, könnte es auch für ihren VR Siegenthaler eng werden. Aus eigener Überzeugung weiss er: Ein zweiter Griff in die von ihm gehütete Bundeskasse ist ausgeschlossen. MS
Verkaufschef
Thomas Ebeling
Pharma-Chef Novartis
Mit Thomas Ebeling hat Novartis einen Marketingspezialisten an die Spitze der Pharma-Division gesetzt. Gut gemacht: Der Umsatz tat dieses Jahr einen schönen Sprung nach vorn.
Er würde auch die katholische Kirche vermarkten, hat Thomas Ebeling einmal gesagt, und niemand zweifelt daran. Der ausgebildete Psychologe mit dem Profil eines Boxers bewies in seiner beruflichen Laufbahn des Öftern, dass praktisch alles zu Marken formbar ist. Bevor Ebeling 1997 zu Novartis stiess, hatte er in Deutschland die Zigarette West und den Softdrink Pepsi-Cola verkauft. Als der Deutsche Mitte 2000 zum Leiter der Kerndivision Pharma befördert wurde, schwor er die konservativen Schweizer Marketingteams mit Schlachtrufen wie «Kill to win – no prisoners» auf neue aggressive Verkaufsmethoden ein. «Näher zum Konsumenten», die Devise der Konsumgüterindustrie, bog er für die Pharmabranche kurzerhand in «Näher zum Patienten» um.
Auch finanziell operiert Ebeling mit einer stärkeren Dosis. Im Jahr 2000 stieg das Marketingbudget um eine halbe, 2001 um eine Milliarde Franken. Die Maschine ist also gut geölt, aber liefert sie auch den gewünschten Ausstoss? Die erste Runde hat Ebeling gewonnen: Nach einem Wachstum von 15 Prozent im laufenden Jahr soll der Umsatz der Kerndivision Pharma auch nächstes Jahr zweistellig wachsen – deutlich mehr als der Marktdurchschnitt. CA
Marketingchefin
Shawne Fielding
Botschaftergattin
Die Gattin von Botschafter Thomas Borer macht es der Welt mit Schalk und Glamour deutlich: Die Schweiz besteht nicht bloss aus Eiger, Mönch und Jungfrauen.
Noch nie kam eine Botschafterin für die Schweiz so glamourös daher. Dabei steht Shawne Fielding eigentlich nicht als Diplomatin im Salär des Bundes. Aber mit ihrem Auftreten stiehlt sie ihrem Mann Thomas Borer, dem Schweizer Botschafter in Berlin, die Show und weibelt als Fun-Faktor für die Schweiz. Wenn die ehemalige Schönheitskönigin in Berlin zum Empfang lädt, wird auch der biedere 1. August zum Showbiz. «Präsenz Schweiz» nennt Thomas Borer seine Vorstellung von einem zeitgemässen Politmarketing für die Schweiz. Entlang dieser Parole bewegt sich seine Gattin – und sorgt in Talkshows und Lifestyle-Magazinen dafür, dass die Schweiz nicht nur als angestaubtes Käse-Schokoladen-Land wahrgenommen wird. Ihre gelegentliche Nähe zum Boulevard wird zwar nicht überall goutiert. Aber grundsätzlich ist man sich einig: Die kesse Texanerin wirbt erfolgreicher als alle anderen für ein fortschrittlicheres Image der Eidgenossen. Ihren Hochschulabschluss in PR nützt Shawne Fielding dabei auch für eigene Belange: Ein Auftritt von ihr kostet bis zu 50 000 Dollar. RH
Produktionschef
Bruno Marazzi
Generalunternehmer Immobilien
Er baut inspirierter als andere in der Immobilienbranche, aber auch günstiger: Bruno Marazzi, Schöpfer des Basler St.-Jakob-Parks, versteht sich auf schlanke Produktion.
Mit der Einweihung des Basler St.-Jakob-Parks hat sich der Emmentaler Generalunternehmer Bruno Marazzi gleichzeitig zum landesweiten Baukönig befördert. Der Mann mit dem diskreten Auftritt hat mit der Zweckimmobilie an der Birs, die Stadion, Warenhaus und Alterresidenzen einschliesst, definitiv Branchenstandards gesetzt. Was sich Marazzi und seine Equipen vornehmen, ist meist konkurrenzlos günstig und stimmt vom Timing und von der Qualität her.
So stark wie auf der konstruktiven Seite ist er ebenso sehr auf der Finanzierungsseite. Seinen solventen Bauherren macht er klare Renditezusagen und startet keinen Bau, bis nicht der letzte Quadratmeter Nutzfläche vermietet oder verkauft ist. Kein Wunder, kennt er Abschreiber nur vom Hörensagen. Dank gesunder Eigenfinanzierung kann sich Marazzi auf eigenes Risiko eine randvolle Projektpipeline leisten, die ihresgleichen sucht. MM
Personalchef
Rainer E. Gut
VR-Präsident Nestlé
Mit unserem Ehrenpräsidenten wird er sich wohl nicht gut verstehen. Aber mit seiner Headhunterleistung für Crossair empfiehlt sich Rainer E. Gut nun mal als Personalchef.
Wie er den neuen Verwaltungsrat der Crossair zusammengestellt hat, ist grosse Klasse. Der 69-jährige Innerschweizer mit dem Charme eines knatternden Motorrades hat damit bewiesen, dass er sein Personal noch immer führen kann, wohin er will. Die obersten Manager dieses Landes sind «Blue Eyes» zumeist alle etwas schuldig – für Gut würden sie deshalb so manches tun. Beispielsweise Millionen spenden für einen Flugbetrieb, was betriebswirtschaftlich wenig, volkswirtschaftlich und vor allem moralisch jedoch einigen Sinn macht. Moralisch, weil nicht allein Bundespräsident Moritz Leuenberger gerne dieses Lied auf seinen Instrumenten anstimmt, sondern auch die kleine, deshalb zwingend gegenseitig ineinander verwobene wirtschaftliche Elite der Schweiz weiss, dass sie beim Swissair-Debakel Schuld auf sich geladen hat.
Der notorische Medienhasser Rainer E. Gut ist BILANZ-Personalchef des Jahres, weil der Patron abwechslungsweise mit Güte und Härte zusammenbringt und -hält, was zusammengehört. BA
Forschungschef
Atanas Zafirov
VR-Präsident Vivastar
Vivastar-Gründer Zafirov behauptet sich mit seinem Unternehmen als einziger europäischer Hersteller auf dem boomenden Markt der optischen Speichermedien.
Dass ein Schweizer Unternehmen auf dem Weltmarkt für Unterhaltungselektronik eine Führungsrolle einnimmt, ist selten genug. Atanas Zafirov hat es mit seinem Chamer Unternehmen Vivastar geschafft. Vom Zukunftsmarkt der optischen Speichermedien hat sich Vivastar mit seinen beschreibbaren CDs und DVDs bereits 13 Prozent Anteil abgeschnitten. Als einziger europäischer Hersteller bietet Zafirov den japanischen Konkurrenten TDK und Verbatim die Stirn. Das Know-how dazu: selbst entwickelt in den Chamer Labors.
In diesen Wochen lanciert Zafirovs Mannschaft (weltweit 210 Mann) zudem ihre seit langem erwarteten DVD-Rekorder, deren wichtigste Komponenten ebenfalls made in Cham sind. Das soll den Umsatz von heuer 33 Millionen auf im nächsten Jahr 110 Millionen katapultieren. Zusammen mit der – man ahnt es – ebenfalls selbst entwickelten Software ist Vivastar dann der einzige Anbieter, der für den optischen Speichermarkt Komplettlösungen aus einer Hand anbietet. In Medien wie «USA Today», dem «Time Magazine» oder der «New York Times» wird der gebürtige Bulgare Zafirov als Mann der Zukunft gefeiert. Als Forschungschef steht er für BILANZ bereits heute im All-Star-Team. MK
IT-Chefin
Antoinette Hunziker
CEO Virt-x
Ob die paneuropäische Handelsplattform Virt-x wie erhofft Erfolg haben wird, steht noch in den Sternen. Unbestritten erstklassig ist die bei Virt-x eingesetzte Technologie.
Mitte Jahr landete Antoinette Hunziker-Ebneter, die visionäre Chefin der SWX-Gruppe, mit der Lancierung der ersten paneuropäischen Handelsplattform Virt-x einen in der Börsenwelt viel beachteten Coup. Auf der vollelektronischen Plattform wird der Handel mit den rund 600 wichtigsten Aktien Europas – darunter auch sämtliche Schweizer Standardwerte – zu kompetitiven Konditionen angeboten. Für eine technisch einwandfreie Abwicklung der Aufträge von A bis Z bürgt die bewährte IT-Qualität der Schweizer Börse SWX. Bereits 1998 schuf Antoinette Hunziker-Ebneter mit der Einführung der Elektronischen Börse Schweiz, wie die SWX damals noch hiess, einen hohen Standard im elektronischen Börsenhandel. Allein der technologische Vorsprung, der auch dem Virt-x-System attestiert wird, garantiert aber noch keinen vorderen Rang unter den europäischen Börsen. Der Erfolg hängt massgeblich vom Handelsvolumen ab. Und dafür ist die Virt-x-Leiterin engagiert und unermüdlich im Einsatz. CB
Kommunikationschef
Daniel Vischer
Gewerkschaftsführer
Beim VPOD für den Luftverkehr zuständig, erlebte Gewerkschafter Vischer ein stürmisches Jahr und würzte die öffentliche Swissair-Debatte mit scharfzüngigen Voten.
Der scharfzüngige Dialektiker zelebrierte seine TV-Auftritte während der Swissair-Krise. Doch die grösste kommunikative Leistung erbrachte der Gewerkschaftsführer im Dialog mit dem Personal sowie mit Corti, Dosé und Co. Während die arrogant auftretenden Swissair-Piloten die neue Airline zu sabotieren drohten, realisierte der Präsident der VPOD-Sektion Luftverkehr rasch, was auf dem Spiel stand, und unterstützte das fragile Projekt. Im Gegensatz etwa zu seinem Erzfeind, dem zaudernden SP-Minister Leuenberger, der es nicht für nötig hielt, die Gewerkschaften frühzeitig einzubeziehen.
Für die Zürcher SP-Schickeria ist der Anwalt und grüne Kantonsrat ohnehin ein rotes Tuch, weil er gerne den Advocatus Diaboli spielt. So lehnt der Exilbasler den EU-Beitritt nicht aus Prinzip ab, sondern weil die politisch korrekte Linke glaubt, die Schweizer würden dadurch zu besseren Menschen. Und wenn die Gutmeinenden «alle Vernünftigen gegen Christoph Blocher» mobilisieren, sträuben sich seine Nackenhaare.
Bis zum Sommer war Vischer vorwiegend in seiner Branche bekannt. Inzwischen ist sein Kommunikationstalent für alle offensichtlich, die Anteil nehmen am Schicksal der Swissair. Also für alle Schweizer. MS
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