Auf die Zahlen aus Zürich hatte die ganze Finanzgemeinde gewartet – zumal in Europa: Mit der UBS legt eine erste europäische Grossbank ihren Abschluss fürs Jahr 2020 vor. Ein deutlicher Gewinnanstieg war von fast allen Experten erwartet worden. Was das Team um Verwaltungsratspräsident Axel Weber und Konzernchef Ralph Hamers an diesem Dienstag aber vorlegte, übertrumpfte die Erwartungen deutlich.
Konkret: Der Median der Analystenerwartungen setzte einen UBS-Jahresgewinn von 5,9 Milliarden Dollar ein; nun fielen 6,6 Milliarden Dollar an.
Oder anders dargestellt: Der UBS-Vorsteuergewinn lag im vierten Quartal 2020 mehr als doppelt so hoch wie im letzten Quartal 2019.
«Mit ihrem Jahresabschluss legt die UBS die Messlatte für die Branche hoch», so eine erste Einschätzung des «Spiegel».
«Marktgewichten», «Buy»
Die Analysten der Zürcher Kantonalbank heben in einer ersten Notiz insbesondere die gute Kostenkontrolle hervor: Die Kostenerwartungen konnten über alle Geschäftszweige hinweg erfüllt werden. Die ZKB wird ihre Gewinnschätzungen voraussichtlich zwar um 3 bis 5 Prozent erhöhen, stuft die Aktie aber wie bis anhin nur mit «Marktgewichten» ein (mehr).
Die Citigroup rechnet vor, dass der Vorsteuergewinn der UBS für die Monate Oktober bis Dezember selbst unter Ausklammerung einmaliger Erträge um 64 Prozent über jenem von 2019 und um fast 50 Prozent über den Erwartungen liegt. Allerdings: Wer sich Aussagen des neuen Firmenchefs zur künftigen Strategie erhofft habe, werde enttäuscht, so der Kommentar die US-Investmentbank. Auch der Geschäftsentwicklung im Global Wealth Management – dem UBS-Filetstück – gewinnt die Citigroup nicht nur positive Aspekte ab. Dennoch rät die Citigroup weiterhin mit einem Kursziel von 16,50 Franken zum Kauf der UBS-Aktie (mehr).
Die UBS-Aktie stieg in frühen Börsenhandel um rund 3 Prozent; das entspricht in etwa dem Zuwachs, das sie seit Jahresbeginn verbuchen konnte. Befeuert wurde dies durch die Meldung, dass die UBS ein weiteres Aktien-Rückkauf-Programm starten will.
Für «Le Matin», die Zeitung aus der Romandie, zeigt auch das neue UBS-Resultat, wie abgekoppelt das Finanzwesen von der realen Welt wirkt: Während ein grosser Teil der Bevölkerung seit mehr als 10 Monaten von den Einschränkungen im Zusammenhang mit dem Coronavirus betroffen ist, folgen die Finanzmärkte einem eigenen Weg – einer Aufwärtskurve und anhaltenden Dividenden. Die Tatsache, dass UBS in Zeiten der Pandemie gut abgeschnitten hat, werde in Bern als gute Nachricht gewertet, so die Erwartung. Aber sie sei mit dem Verdacht behaftet, dass die Bank immer reicher wird, während viele Bürger ihre Rücklagen anknabbern müssen und ärmer werden.
In absoluten Zahlen ergab sich der grösste Teil des Gewinnanstiegs 2020 im Global Wealth Management (Vorsteuergewinn im vierten Quartal 2020: +22 Prozent gegenüber dem letzten Quartal 2019); was angesichts der Bedeutung und dem Charakter der UBS nur logisch ist. Zugleich zeigte sich hier, dass die Schweizer Grossbank von der Krise und der Pandemie profitierte: Viele Kunden schichteten ihre Positionen um oder nahmen im Kursrally nach dem Frühjahrs-Rückschlag dann sogar Mittel auf. Entsprechend wuchsen die Gebühreneinnahmen der Bank.
Wachsen dank Lombardkrediten
Bemerkenswerter erscheint vielen Experten aber der Zuwachs in Asset Management (+123%) und insbesondere in der Investmentbank. Die europäischen Banken hätten hier schwere Probleme, da die Wallstreet-Giganten ihre Marktanteile in der Pandemie weiter ausbauen konnten, kommentiert das Fachblatt «Financial News» in London. Und trotz eines allgemeinen Rückgang der Gewinne im Investmentbanking habe es die UBS geschafft hier einen deutlichen Sprung nach vorne zu schaffen.
In Zürich wiederum sichtet das Branchenmedium «Inside Paradeplatz» im Jahresabschluss einen Anlass, nach einer Personalie zu fragen: Iqbal Khan. Die Marktdynamik spiele dem neuen Wealth-Management-Chef der UBS in die Hand. Dessen Erfolgsrezept – den Wealth-Management-Kunden mehr Kredite anzudienen – wirke auch in dieser Phase. «Die Rechnung ist für Khan aufgegangen. Laut einem Insider bespricht sich der Youngster mit UBS-Präsident Axel Weber in abendlichen Privatsessions.» So jedenfalls «Inside Paradeplatz.»
(tdr/rap)