Sind Sie ein risikofreudiger Typ?
Auf einer Skala von 1 bis 10 sehe ich mich bei 7. 

Was war das Riskanteste, das Sie je gemacht haben?
Jede Biografie erzählt von Risiken, die man eingegangen ist oder eben nicht. Aber um Ihre Frage konkret zu beantworten: Das Leiten von Kompaniegefechtsschiessen in der Armee als Milizoffizier gehört zum Riskantesten, was ich gemacht habe. 

Worin besteht für Sie der Reiz, in Startups zu investieren?
Die Erwartung (manchmal ist es aber auch viel Hoffnung), dass die durch das Startup hervorgebrachte und kommerzialisierte Innovation einen entscheidenden Beitrag zur Lösung eines Problems beitragen kann oder ein relevantes Bedürfnis befriedigt wird. Der zu erwartende konkrete Fortschritt ist der Reiz. 

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Nach welchen Kriterien suchen Sie sich ihre Investmentprojekte aus?
Es gibt Kriterien, die man anhand von objektiven Tatsachen beurteilen kann wie: Gründerteam, Markt, Konkurrenz, Technologie, Skalierbarkeit und so weiter. Daneben gibt es Kriterien, die eher subjektiver Art und aufgrund von persönlichen Erfahrungen des Investors oder der Investorin entstanden sind. Für mich ist entscheidend, dass ich verstehe, um was es geht. Ohne dieses Verständnis ist man nicht in der Lage, die relevanten kritischen Fragen zu stellen. Ich habe einen klar definierten Investmentfokus, innerhalb dessen ich mich bewege und Projekte aussuche.

Sie wurden 2017 zum Business Angel of the Year gewählt. Eine Bestätigung dafür, dass Ihr Engagement Früchte trägt?
Die Auszeichnung war eher eine Würdigung meiner Beiträge – in diversen Funktionen – an die Förderung und Entwicklung des Startup-Ökosystems in der Schweiz und weniger eine Auszeichnung dafür, dass ich ein besonders erfolgreicher Business-Angel-Investor wäre.

Inwiefern hat sich dieses Ökosystem in den vergangenen Jahren verändert? 
Wenn ich die Situation betreffend Startups und Entrepreneurship in der Schweiz heute mit der Situation von 2002 vergleiche, als ich mich zum ersten Mal mit technologieorientierten Startups befasst habe, dann sind wir heute um Welten weiter. Zu dieser positiven Entwicklung haben unendlich viele engagierte Personen und Organisationen beigetragen.

Sie sind Mitglied verschiedener Startup-Förderprogramme und auch Jurymitglied beim TOP 100 Swiss Startup Award. Woran erkennen Sie, ob eine Idee Potenzial hat? 
Ob eine Innovation das Potenzial hat, ein erfolgreiches Business zu werden, kann man meistens erst beim genauen Hinschauen und bei vertiefter Analyse erkennen. Es gibt keine allgemeingültige Checkliste, die man durcharbeiten kann, um Potenzial festzustellen. Eine Idee mag Potenzial haben, aber entscheidend ist, ob die Menschen im Startup es hinkriegen, einen kommerziellen Erfolg daraus zu machen. Die Umsetzung ist ebenso wichtig wie das Potenzial.

Haben Sie sich mit Ihrer Einschätzung auch schon vertan? 
Ja, sicher. Ich dachte auch schon, dass ein Vorhaben keine Chance hat, etwas zu werden, und dann wurde es trotzdem ein grossartiger Erfolg. Sich zu irren, gehört dazu. Mit jedem Investment gewinnt man an Erfahrung und wird etwas weiser.

Studien besagen, dass bei Schweizer Investoren und Investorinnen aktuell vor allem Fintechs sehr beliebt sind. Stimmt das mit Ihren Beobachtungen überein? 
Fintechs sind in der Tat bei Investierenden momentan sehr beliebt. Das wird auch im «Swiss Venture Capital Report 2022» bestätigt. Es ist der Sektor mit dem grössten Zufluss an neuem Kapital: 2021 hat sich das in Fintechs neu investierte Kapital gegenüber dem Vorjahr mehr als vervierfacht. Die Sektoren Life Sciences und ICT sind aber die Sektoren, die seit Jahren den grössten Zufluss an neuem Kapital aufweisen. 

Wo liegen Ihre persönlichen Präferenzen? 
Ich bevorzuge Investitionen im Life-Science- und im Technologie-Bereich.

Philip Bodmer
Quelle: ZVG
Der Förderer

Name: Philip Bodmer
Funktion: Partner Bodmer & Partner Consultants AG; Business Angel; vorm. Präsident der Eidg. Stiftung zur Förderung der schweiz. Volkswirtschaft durch wissenschaftliche Forschung; Vize-Präsident Swiss Startup Invest; Mitglied Strategy Board Venture Kick; Mitglied Stiftungsrat der Kick Foundation; Mitglied StartAngels Network; Jurymitglied Top 100 Award
Alter: 68
Familie: Verheiratet, 1 Sohn und zwei Töchter (alle erwachsen)
Hobbies: Architektur, Reisen, Skifahren, Langlauf, Golf, Wandern
Ausbildung: Dipl. Chem Ing ETH / MBA Univ. of Virginia
 

Wagniskapital per se scheint seit ein paar Jahren sehr beliebt zu sein. Wo sehen Sie die Gründe?
Ich denke, es ist in den vergangenen Jahren gelungen, die Asset Class von Technologie-Startups als valable Investitionskategorie zu etablieren. Über die Risiken weiss man heute deutlich besser Bescheid. Die Professionalität und die Qualität der Startups haben sich in den vergangenen zwanzig Jahren enorm gesteigert. Die Datenlage zu den Renditen bei Investitionen in innovationsbasierte Startups hat sich enorm verbessert. Sie zeigen, dass mit der richtigen Herangehensweise attraktive IRR durchaus erzielbar sind. In den vergangenen Jahren ist es gelungen, durch einige sehr attraktive Exits respektive IPO dieser Anlagekategorie eine Legitimation als seriöse Investitionsalternative zu geben. 

Covid-19 wirkte auf die Gründerszene wie ein Booster. Wie erklären Sie sich das?
Es trifft zu, dass 2021 trotz Corona nach vielerlei Massstäben ein Rekordjahr war. Ich bin mir aber nicht sicher, ob Covid-19 und die assoziierten Schutzmassnahmen wirklich als effektiver Booster gewirkt haben. Ich denke, zu einem grossen Teil waren andere Effekte für diesen Boost verantwortlich. Zum Beispiel, dass heute ein Karrierepfad als Tech-Unternehmer durchaus als valabler persönlicher Entwicklungsschritt angesehen wird. Es kann auch sein, dass wir im ganzen System endlich eine Art kritische Masse erreicht haben und dass die Anzahl Neugründungen und Finanzierungsrunden in Zukunft eher exponentiell anstatt linear zunimmt. Dieser Trend lässt sich schon seit längerem beobachten. 

Zogen die Investoren mit den Gründerinnen mit? Oder blieben die Jungunternehmer auf ihrer Idee sitzen?
Die Investitionen in innovative Startups haben mit den Neugründungen Schritt gehalten. So nehmen nicht nur die Anzahl und die Grösse von Finanzierungsrunden von Jahr zu Jahr zu, sondern auch die Anzahl von institutionellen Investoren und Business Angels, welche an Finanzierungsrunden teilnehmen. Aber ich beobachte auch, dass Tech-Startups, die bereits einige Jahre unterwegs sind, Mühe haben, eine Finanzierungsrunde abzuschliessen. So kommen vielversprechende Unternehmen in ihrer Expansion viel zu langsam voran. Es ist meine Überzeugung, dass zahlreiche vielversprechende Startups in der Schweiz ihr Potenzial nicht voll entfalten können, weil sie schlicht unterfinanziert sind.

Mit welchen Problemen haben Gründerinnen und Gründer vor allem in der Anfangsphase zu kämpfen?
Gründer und Gründerinnen von Tech-Startups sind junge Menschen frisch ab der Hochschule. Sie haben deshalb naturgemäss oft keine oder nur wenig Berufserfahrung. Die grössten Herausforderungen für sie lauern bei Fehlentscheidungen, welche auf Unerfahrenheit oder Fehleinschätzungen beruhen. Weil sie vieles noch gar nicht wissen können, ist es wichtig, dass sie vom Verwaltungsrat oder durch externe Coaches eng begleitet werden.

Welchen Beitrag können diese leisten?
Es geht darum, zu vermeiden, dass die Gründerinnen und Gründer sich in frühen Phasen nicht durch klassische Anfängerfehler in existenzbedrohliche Lagen hineinmanövrieren. Wenn das gelingt, ist bereits vieles gewonnen. Mit Anfängerfehler meine ich die Missachtung von elementaren Grundsätzen in der Unternehmensführung. Ein Verwaltungsrat muss in der Lage sein, dieses Know-how und die entsprechende Führungsleistung einzubringen. 

Was raten Sie Jungunternehmern auf Investorensuche?
Finanzierungsrunden durchzuführen, ist eine zeitraubende und anspruchsvolle Übung für alle in einem jungen Unternehmen. Der Investoren-Pitch muss von Anfang an sitzen. Eine erfolgreiche Runde erfordert unermüdlichen Einsatz und Durchhaltevermögen. Eine Finanzierungsrunde in drei Monaten abzuschliessen, ist schnell – sechs bis neun Monate sind die Regel. Man darf sich weder entmutigen noch von den vielen Feedbacks verwirren lassen. Um zu verhindern, dass mit jeder Investorin einzeln verhandelt werden muss, empfiehlt es sich, einen Lead-Investor zu identifizieren, der im Namen aller potenziell Investierenden mit den Gründern verhandelt. Im Idealfall geht man Investorinnen und Investoren an, welche die Branche aus Erfahrung kennen. Diese verkörpern das sogenannte Smart Money. Zum Schluss: Eine juristische Beratung ist zwingend. Ohne eine kompetente juristische Begleitung ist die korrekte Durchführung einer Finanzierungsrunde bis zum Closing nicht machbar. 

Worauf sollten Startups bei der Wahl von Investierenden achten?
Es ist immer von Vorteil, wenn ein Investor dem Unternehmen mehr bringt als nur Geld – zum Beispiel seine Erfahrung, sein Netzwerk oder sein Fachwissen. Wenn aber eine Investorin nicht genehm ist, muss man den Mut haben, Nein zu sagen.

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Das TOP-100-Swiss-Startup-Ranking zeigt die 100 Schweizer Startups mit dem grössten Potenzial. 100 Startup-Experten und -Expertinnen benennen 10 Startups, die nicht älter als 5 Jahre sind, und vergeben 10 Punkte für Platz eins und 1 Punkt für Platz zehn. Die Unternehmen mit den meisten Punkten schaffen es in das TOP-100-Startup-Ranking. Mehr dazu